Di

05

Jul

2011

Lemontree

Hallo lieber Leser,

Dies ist mein vorletzter Tagebucheintrag, ein kleiner Rückblick auf den Abschied von Norwegen, jetzt, da ich schon genügend Abstand davon nehmen konnte. Mittlerweile bin ich wieder seit gut 5 Wochen in Deutschland. Die Zeit fliegt dahin - wie das so häufig der Fall ist, wenn man die Seele baumeln lässt und in den Tag hinein lebt, die Stunden einatmet und sich in dem Gefühl sonnt, nichts von weltbewegender Dringlichkeit zutun zu haben. Die ersten Wochen im Haus meiner Eltern standen ganz im Zeichen der Spontanität und haben mir drastisch vor Augen geführt, was ich doch während den letzten Monaten am College entbehrt hatte: eine gewisse Leichtigkeit, Mut zum Müßiggang und den Biss, mal ganz gezielt locker zu lassen... Es hat mir ehrlich gesagt gefallen, strukturiert, erfüllt von Tatendrang, mit dem Ehrgeiz mich selbst zu übertreffen die Tage anzugehen. Während der Prüfungswochen habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, meinen Wecker so zu programmieren, dass er mich morgens mit Worten wie "Das ist dein Tag! Aufstehen, rumlaufen, glücklich sein!" weckte. Heute verstehe ich, dass diese Art des Ansporns so ziemlich das in Worte fasst, was auch meine Mutter mir bis vor einigen Jahren täglich beim Aufwachen ins Ohr flüsterte. Wer von zuhause auszieht, muss sich dieses kuschelige Aufwecken irgendwie ersetzen. Ein bisschen traurig ist es schon, wenn mit dem Auszug Familienrituale kalter Kabelmasse Platz machen.  

Mit Abschluss der Prüfungen habe ich langsam wieder zurück von der intensiven Konzentrationsphase zu dem UWC-Abschnitt gefunden, den man vielleicht "Abschied-Erleben" nennen mag. Das sind die Tage zwischen der letzten Prüfung und der letzten Umarmung einer Freundin am Flughafen. Sie sind mindestens genau so wichtig, wie das Ankommen und Auspacken. Man sollte meinen, dass es mir leicht gefallen sei, die Blende von der einen zur anderen Phase zu überstehen. 

Nein.

Die letze Prüfung von, wenn mich nicht alles täuscht, 17 Klausuren - Deutsch - war die schlechteste. Ich war nur mit Meta und einem Aufseher im Prüfungsraum und die Luft war irgendwie raus. Ich konnte mich schon im Vorfeld nur schwer konzentrieren, habe rumgeblödelt und versucht, die anstehende Erläuterung auf die leichte Schulter zu nehmen. Gut vorbereitet war ich allemal, aber die Aufgabenstellung war abstrakt und es fiel mir schwer, auf den Punkt zu kommen. Mitten in der Prüfung war jemand in der an den Raum angeschlossenen Küche am Werkeln, es klapperten Töpfe und das Geräusch mischte sich mit einem Ohrwurm und den viel zu lauten Gedanken in meinem Kopf zu dem, was Lindsay Lohan in irgend einer Hollywoodkomödie als "Wortkotze" bezeichnet.

Ich wäre so gerne erhobenen Hauptes und mit einem erleichterten, zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht aus der Prüfungsphase geschwebt. Stattdessen hatte ich einen Kloß im Hals und das starke Gefühl, mir selbst in meiner Muttersprache nicht gerecht geworden zu sein. Alles was getan werden konnte, war zwangsläufig getan und so erschien es mir, als gleite mir mit dem Schlusspfiff alles aus den Händen. Am Telefon jubilierte meine Mutter in der Erwartung, ein Echo durch den Hörer zu empfangen. Später rief mein Vater an, von Maman geschickt, mir ins Herz zu hören und wie so häufig war er auf der richtigen Wellenlänge. Das einzige was mir zu tun übrig blieb, war zu glauben, dass es vielleicht gar nicht so schlimm gewesen war, ich einfach nach dem wochenlangen Höhenflug die Verbindung zum Boden verloren hatte und mit zu großen Erwartungen an mich selbst das Ganze angegangen war. Und zu verdrängen, was sich nun eh nicht mehr revidieren ließ.

Es war, wie gesagt, aus diesem Grund nicht leicht, die Transition von Anspannung zu Entspannung zu meistern. Lebhaftes Programm mit neuen thematischen Schwerpunkten, die Stimulierung unlängst vernachlässigter Hirnregionen im limbischen System, sprich Kreativität und freilaufende Emotionen, machten es mir aber leichter. Heute, Wochen später, sind mir besonders das Triokonzert im Auditorium sowie die Abschlusszeremonie im Gedächtnis geblieben. Es waren genau die richtigen Leute gekommen. Somit bewahrheitete sich bis zum Schluss das, was einer der Organisatoren des Zero-Firstyear Treffens in den allerersten UWC-Stunden meines Lebens auf ein Plakat geschrieben hatte: "Die, die da sind, sind genau die Richtigen." In dem konkreten Fall waren das dann Lieblingslehrer, Freunde und diejenigen, mit denen man im Alltag mehr gemeinsam hatte als das Kantinenessen. Ich habe noch nie so gut konzertiert, glaube ich. Das Solostück war zittrig und es war schwer, sich nicht vom Lampenfieber, das sich unmittelbar beim Heben des Flügeldeckels einstellte, übermannen zu lassen. Nicht ohne Grund spiele ich eigentlich lieber in Ensembles. Beethovens erste Triosonate war ein dankbares Stück und dankbar war auch das Publikum. Mein sonst eher zurückhaltender und ur-britischer Biolehrer Alistair drückte sich in einer Dankesemail nach der Aufführung so aus: "This was . . . simply . . . purely  . . . profoundly  ... beautiful." Alles in Allem ein sehr gelungenes Goodbye und meinerseits auch ein Abschied von einem Steinway-Flügel, wie ich ihn so bald wohl nicht mehr in die Finger kriege. 

Höhepunkt der letzten Tage am College war natürlich die Abschiedszeremonie, eine festliche, tränenreiche und zeitweise skurrile Veranstaltung. Während der Generalprobe befassten wir 100 Absolventen und die Co-rektorin uns mit der Frage, wie wir uns in eine Reihe würden stellen müssen, um alle auf die Stufen des Auditoriums zu passen. Da wurde gedrängelt und gekuschelt und auch ich ging auf Tuchfühlung mit Andreas und Amanisa, im Alphabet und schließlich auch auf der Treppe jeweils vor- und hinter mir. 

Gastredner des Tages war Father Joe vom Mercy Centre in Bangkok, Thailand, das jährlich einen Schüler ans College schickt. Ein Mann in den Siebzigern mit Bäffchen und amerikanischem Akzent. Ein weltweit anerkannter Redner, dessen Lebensgeschichte bald verfilmt werden sollen, einer, der sich verdient gemacht hat im Namen der Menschheit. Taten getrieben von Werten, die sich inhaltlich nur ganz ansatzweise in seiner Ansprache niederschlugen. Viel hängen geblieben ist nicht, dabei saß ich doch mit weit offenen Ohren dort, und lauschte, auf ein weises Geleitwort zum Abschied hoffend. Es ging primär um den Herr der Ringe, und wie das Reich der Hauptfiguren der Umgebung des Colleges doch gleiche, und dass wir ja nun eigentlich auch Helden seien, die gegen Trolle und Orgs kämpfen müssen. Dabei ging er immer wieder auf und ab, wiederholte sich viel und war ganz offensichtlich nicht vorbereitet. Es war ein höchst seltsames Schauspiel und amüsant, während der Rede in den Gesichtern aller geladenen Gäste, der Lehrer und des Vorstands eine Mischung aus Begeisterung und Entgeisterung zu sehen. In den Reihen der Absolventen kursierten schnell leise geflüsterte Gerüchte. Ob er denn....? Aber nein... er konnte doch nicht.....

Viel anrührender war dann aber die Rede des ebenfalls abgehenden Mathelehrers Kip, der auf ganz charmante Art und Weise mathematische Problemstellungen und die Theorie des Abschiednehmens miteinander zu einem bewegenden Geflecht aus Worten, Mimik und Gestik verwob. Inhaltlich auf traditionellerem Terrain bewegte sich die neugewählte Vorsitzende des College Vorstandes, und mit der Ansprache der Mitschüler Márcio und Irene waren Lachtränen dann endgültig Tränen der Rührung gewichen. Während der Urkundenübergabe präsentierten sich dem Publikum aus Firstyears und Eltern noch vornehmend andächtig lächelnde Gesichter. Aber der Auftritt des Chors sowie eine Tanzaufführung durch das Tanzensemble der Secondyears, bei dem alle Tänzer selbst ihre Tränen nicht mehr zu beherrschen wussten, gab vielen, die sich tapfer zurück gehalten, hatten den Rest. Für den Außenstehenden ist die Dynamik, die sich in diesem Saal entwickelte, schwer nachvollziehbar. Zum einen ist da die Endgültigkeit des Abschieds von einem Ort, der nur dann wirklich zu atmen, zu vibrieren scheint, wenn man selbst ein Teil von ihm ist. Und man wird sich langsam all der Anstrengungen, die man gemeinsam gemacht hat, bewusst. Die Firstyears scheinen traditionell schlimmer zu leiden als die abgehenden Secondyears, die so hungrig auf neues sind. Und wenn man sie dort in den Rängen leise weinen sieht, dann sind auch die eigenen Tränendrüsen - sei es aus Selbstmitleid oder Solidarität oder Rührung oder Überwältigung - schnell angezapft. Ich habe die Tränen lange unterdrückt und war ganz eingenommen von den vielen anerkennenden Gesichtern in der Menge, die mal zu einer wogenden Masse verschmolzen, mal ganz eindeutig aus indirekt vertrauten Visagen von Familienangehörigen bestand. Stolz, Ehrfurcht und die aufregend geladene Stimmung ließen mich innerlich mal strahlen, mal erbeben. 

Der Zeremonie folgte das große Umarmen, Jahrbücheruterschreiben etc. Neben all der verlaufenden Wimperntusche, die sich im Gemänge tümmelte, habe ich mich seltsam klar und mit der Situation im Reinen gefühlt. Natürlich war alles sehr bewegend, aber ich war in keiner Weise verstört, erschüttert oder gar verzweifelt. Es war gut so. Es war gut, jetzt zu gehen. Zwei Jahre waren genau richtig.

Dabei hatte man mir am Vorabend prophezeit, ich würde wohl in der ein oder anderen Funktion wiederkommen. Die Abschiedsparty im Haus der längst vergangenen Cabinparties in Flekke fand das statt, was in Amerika vielleicht "Prom" wäre, also ein Festessen mit anschließender Möglichkeit, zu dancen. Tanzen wäre an dieser Stelle ein irreführendes Verb. In dem Rahmen wurden auch Urkunden verliehen, die den Ergebnissen einer geheimen Abstimmung über die Eigenschaften der Mitschüler entsprungen waren. Da gab es den Award für denjenigen, der mit der größten Wahrscheinlichkeit beim Jahrgangstreffen in 10 Jahren eine Glatze haben würde. Und eine Auszeichnung für das Pärchen, dass am ehesten eines Tages UWC-Kinder haben würde. Und dann war da eben die Auszeichnung für denjenigen, der am ehesten UWC-Lehrer werden würde - und das war ich. Ich musste schmunzeln, als ich aufgerufen wurde, hatte ich doch tatsächlich mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, zumindest für ein, zwei Jahre an ein UWC zurückzukehren. Vielleicht als Psychologielehrerin? Langfristig wäre das allerdings sicherlich nichts für mich. :-)

Nun bin ich wieder hier in Bielefeld und ich kann immer noch  nicht durch die Stadt tapern, ohne Bekannte oder Freunde zu treffen. Ein eindeutiger Indikator dafür, dass ich irgendwie auch noch ein bisschen in Deutschland zuhause bin. Meine IB-Ergebnisse gibt es schon morgen, und dann klärt sich endlich auch, wo ich im nächsten Jahr Wurzeln schlagen werde. Als wirklichen UWC-Abschluss sehe ich die Noten also nicht. Vielmehr geben sie den Startschuss in ein neues Bildungsabenteuer. Die Abrundung der Stipendiatenzeit gab aber die Absolventenfeier in Berlin vergangene Woche. Doch davon erzähle ich beim nächsten und dann auch letzten Mal!

 

Angelika

 

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Mo

23

Mai

2011

Paperplanes

Sonntag

11:00-13:00 Küchendienst. Hab mir in den Finger geschnitten und ein Zwiebeldampfbad genommen. Aber Spaß gehabt!

19:00 Maret tschüss sagen. Das erste Goodbye ist glimpflich über die Bühne gegangen. Eine tolle Zeit geht langsam zuende.

21:00 Die College CD wird vorgestellt. Das wird ein absoluter Bestseller!! (und ich bin drauf- wer hätte gedacht, dass es je dazu kommen würde...)

22:00 Telefonat mit der Frau Mama - bald zum Glück wieder Face-to-Face!

23:15 The Darjeeling Limited- Movie Night mit Jezko. Will be missed.... :-(

 

Montag

11:00 Das Auditorium fürs Konzert vorbereiten. Stühle rücken und mit dem Musiklehrer scherzen.

Die Nervosität steigt. Zehn Mal treppauf, treppab um die Hände aufzuwärmen.

11:30 Generalprobe mit Andrew und Mark. Glatter Durchlauf. Yeah!

13:00 Beethovens Trio Sonate Op1 No1, erster Satz vor einem halbwechs vollen Auditorium. Super Gefühl, trotz Lampenfieber und zittrigen Händen.

15:00 Letztes Roommeeting. Candy und Jahrbücher. Eminem aus Fannies geerber Stereo.

15:30 Letztes Packen. Vorhänge vom Bett nehmen. Alles sieht so nackt aus....

17:45 - 02:00 Abschlussdinner und - party.

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Sa

21

Mai

2011

Nach den Examen

 

 

 

 

 

 

Jetzt ist alles so anders.

 

 

 

 

 

 

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Di

17

Mai

2011

Telling Stories

Farah schüttelt ärgerlich den Kopf und ihre heute leuchtend organenen Locken tanzen dabei leicht hin und her. "So rude" - Sowas von unsensibel! Andreas hatte sich etwas zu ihr nach unten gebeugt und "Mein Beileid" gemurmelt - mit diesem höhnischen Blitzen in den Augen. Wir sitzen am Abendbrotstisch und ich runzel die Stirm. Was meint er? "Bin Laden" meint Farah und in ihrer Stimme schwingt dieser etwas säuerliche Unterton mit.

Das liegt jetzt schon ein paar Wochen zurück. An jenem Morgen war in der Kantine ein CNN Zeitungsartikel mit dem Titel "Osama Bin Laden, the face of terror, killed in Pakistan" aufgetaucht. Nicht lange, und schon hatte jemand mit einem roten Kugelschreiber das Wort "terror" mehrfach unterstrichen. "Terror" macht sich in einer Überschrift heutzutage wohl immer gut. Es ist, das wurde mir nicht zuletzt durch die weitgehend einstimmige Reaktion der Schülerschaft bewusst, in den Köpfen der Kinder meiner Generation fest verankert. Es ist ein Begriff, der so univesell ist wie Angst. Angst fördert den Drang nach neuen Anhaltspunkten und ein ganz bewusstes Suchen nach Sicherheit. Für die Journalisten und Lektoren sind ängstliche Leser gefundenes Fressen, denn sie sind neugierig und leichter zu füttern als ignorante und unsensible Menschen in ihrer Komfortzone. Ja, Terror in der Überschrift macht sich gut.

Farah aus Jordanien kann über unser aller positive Reaktion über den angeblichen Tod Osama Bin Ladens eigentlich nur ihre roten Locken schütteln und damit rüttelt sie auch in mir die schon fast verschütteten "TOK-Zellen" im Gehirn wieder frei. Ich wundere mich, als sie erzählt, dass zuhause nicht einmal alle an die Existenz des "face of terror" glauben. "Wir haben ihn doch noch nie wirklich gesehen. Er tritt immer nur in Videobotschaften auf. Und das soll ein Beweis sein? Wir leben immerhin im 21.Jahrhundert. Wem oder was kann man da schon glauben?" Ich weiß gar nicht was ich glauben soll und was nicht. Aber ich weiß, dass ich nicht einfach nur hinnehmen möchte, was ein Nachrichtensender vorgekaut hat und meinen Gehirnstrukturen des 21.Jahrhundert gemäß betitelt. Nur, wenn wir glauben, nur noch unseren eigenen Augen trauen zu können, dann müssen wir alle über Kurz oder Lang einem Wahnsinn verfallen, der letztendlich auch die ehrlichen Anstrengungen, wahrheitsgemäß und sachlich Wissen zu teilen, auslöscht.

 

Bei den Vorbereitungen auf meine Geschichtsprüfung, besondes als ich mich mehr und mehr in den Kalten Krieg vertiefte, fiel auf, wie sehr wir doch den Geschicken einiger Drahtzieher ausgesetzt sind - man nehme die Kubakrise 1962 als Beispiel. Da stellt sich die Fragen, bis zu welchem Punkt wir als Individuen in dieser Welt gelten können und inwieweit unser "Freier Wille" wirklich frei ist - auch Steven Pinker (ich bin immer noch nicht mit "How the Mind Works" durch.... ) macht sich dazu anregende Gedanken. In der Englischarbeit habe ich einen Aufsatz zur Figurengestaltung und Entwicklung in "Herr der Fliegen" und "The Wars" geschrieben und abschließend die Frage im Raum stehen lassen müssen, ob Figuren mehr sein können als nur das Resultat ihrer Umwelt.

Ich bezweifle, dass die Philosophie oder die Psychologie uns je eine befriedigende und allgemein anerkannte Antwort liefern werden.

 

Noch ist für mich die Zeit für die Suche nach solchen Antworten nicht gekommen. Biologie und Deutsch stehen Ende dieser Woche aus. Morgen geht es los mit Genetik, Zellbiologie, Ökologie, Physiologie, biologischer Statistik und Biochemie. Freitag folgt meinem Paper 2 in Deutsch gleich die Generalprobe für unsere feierliche Entlassung, Samstag die Generalprobe für das Triokonzert, das ich zusammen mit einem Cellisten und einem Geiger am Sonntag geben werde und dann natürlich das lang erwartete Packen. Kurz vor Mitternacht trieb es mich gestern noch in das diffuse Abendlicht hinaus. Flekke and back im Lauftempo. Das tat nach all den Gedanken zum Imunsystem gut und ich konnte mich endlich auch mal den Gedanken an den Abschied zuwenden - das machte das Atmen nicht gerade leichter, denn es fällt mir schwer, den Fjord und die bunten Häuser zurück zu lassen und nie wieder "zuhause" nennen zu dürfen. Dienstag wird sicherlich meinerseits ein sehr tränenreicher Tag. Aber das gehört dazu und wir sind uns doch alle dessen bewusst gewesen, als wir vor zwei Jahren daheim unsere Koffer gepackt haben. Und doch: Gestern bekamen wir unsere Jahrbücher, die sich jetzt langsam aber sicher mit mehr oder wenig schwerwiegenden Abschiedsworten füllen. Auf dem Gruppenfoto meines Jahrgangs bin ich nicht zu sehen. Ich stehe unglücklich und mein Gesicht verschwindet vollständig hinter einem anderen. Die World Today Seite wurde von der verantwortlichen Schülerin doch nicht rechtzeitig eingereicht und nun findet sich nicht einmal dafür ein wirkliches Andenken. Als zynische Krönung wurde mir dann gestern der "Haus-Award" für die fleißigste Schülerin des Hauses verliehen. Ich habe den Eindruck, als verzerre sich das Bild, das ich von mir als UWC-Schülerin habe künstlich. Das ist schade. Und es macht deutlich, wie der Stempel, den wir alle persönlich diesem Ort aufdrücken, letztendlich nur in unseren eigenen Köpfen und Herzen ganz vollständig sein Bild hinterlässt. In einem Jahr, wenn auch unsere Firstyears diesen Ort verlassen, leben wir mit viel Glück in dem, was wir wirklich getan haben weiter, und nicht in dem, was man uns anerkannt und zugesprochen hat.

Diese zwei Jahre sind kaum zu glauben. Aber ich habe sie selbst erlebt, und das ist wohl die verlässlichste Quelle, die ich habe.

Angelika

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Mo

09

Mai

2011

Amber

Schon seit Wochen herrscht hier in Flekke mein Lieblingswetter: Sonne, blauer Himmel und eine gute Portion Wind. Die Sonnenstrahlen sind intensiv genug für rote Schultern und Wangen und eine Sommersprossenexplosion auf so manchem (skandinavischen) Nasenbein. Eben komme ich von der Insel, dem zauberhaftesten Ort am College. Dort habe ich mich im vergangenen Herbst auf meine mündlichen Deutschprüfungen vorbereitet und Gedichte analysiert und ganz zu Beginn meiner Zeit am College nahm mich einer meiner Secondyears nachts mal dort hin mit, um mir zu erklären, warum manche Sterne rötlich und andere bläulich schimmern (später wurde mir klar, dass das seinerseits vielleicht ein gescheiterter Versuch gewesen war, romantisch zu werden - das erinnert mich übrigens an den Song "Romanze" von den Wise Guys).

 

Heute hatte ich den Eindruck, in einem Foto gelandet zu sein, dessen Kontrastwerte mit einem Fotobearbeitungsprogramm verstärkt worden waren. Die Welt war einfach unverschämt grün. Die nordischen Farben haben sich in den letzten Monaten völlig verkehrt. Anders als noch Anfang April ist alles satt mit Farben getränkt. Die Wiesen sind unendliche Flächen violetter Blumen, gespickt mit dem Gelb des Löwenzahns. Ich bin sehr froh darüber, denn nie zuvor war mir so klar, wie sehr meine Stimmung vom Wetter abhängig ist. Mehrmals in der Woche, ironischerweise häufig nach mehrstündigen Prüfungen, zieht es mich und meine (völlig durchgelaufenen) Laufschuhe nach Flekke, was wiederum den netten Nebeneffekt hat, lästige "Prüfungskilos" wett zu machen :D !

 

In dieser Woche werde ich wohl oder übel mit den für mich härtesten Prüfungen konfrontiert werden: Englisch Paper 2, ein Vergleich zweier der gelesenen Bücher hinsichtlich eines unbekannten Details und natürlich den umfangreichen Geschichtsprüfungen. Im Grunde genommen gefällt mir die Atmosphäre, die hier am College während der Prüfungen herrscht. Zwar lebt jeder in seiner eigenen Welt - Wojciech sitzt mit großen gelben Ohrenschützern am Wasser um nicht von den Möwen und allen restlichen potentiellen Störenfrieden abgelenkt zu werden und Tea hat an ihrem Stuhl in der Bibliothek ein Schild angebracht, auf dem es "Please don't talk to me. Chemistry, sorry!" heißt - aber in der Hoegh zu sitzen, in diesem großen lichtdurchfluteten Raum, und mit 80 Mitschülern Mathe zu schreiben oder von Jana in Geschichte abgefragt zu werden, gibt mir das Gefühl, hier Teil eines Ganzen zu sein und nicht nur ein Einzelkämpfer.

 

Ich habe in den vergangenen zwei Jahren gelernt, meine Nervosität vor Examen in extra Motivationsschübe zu verwandeln.

Vor genau einem Jahr, ich sehe uns Firstyears noch vor der Hoegh auf Einlass zu den Matheprüfungen wartend, schlug mein Herz mit Sicherheit schneller als am vergangenen Donnerstag. Besonders in Mathe, meinem "Problemfach" der Unterstufe, in dem ich mehr als einmal eine Fünf nach Hause gebracht hatte, ist mein Selbstvertrauen gewachsen und mittlerweile zähle ich es zu einem meiner Lieblingsfächer. Im IB sind die letzten Aufgaben einer Prüfung häufig die umfangreichesten und anspruchvollsten. Ich hatte eine ganze halbe Stunde für jene Aufgabe und brauchte die auch. Zwischendurch schoss mir "Komm, die knacken wir jetzt" durch den Kopf und ich musste augenblicklich denken, dass der Mensch unter Stress  tatsächlich in alte Verhaltensmuster und lang geübte Schemata zurück verfällt und sich eben nicht auf Englisch sondern in seiner Muttersprache motiviert - was übrigens funktioniert hat, denn die Aufgabe hatte ich rechtzeitig gelöst um noch einmal alles durchzulesen.

 

Aber all die bewältigten Schwierigkeiten und alle Erfolgserlebnisse müssen schnellstmöglich in einen scheinbar unzugänglichen Teil des Gehirns verschoben werden, damit alle Konzentration sofort auf die neuen Herausforderungen gelenkt werden kann. "Feucht auswischen" nennt mein Papa das. Es macht wirklich wenig Sinn, während einer Englischklausur die Berechnung eines maximalen Flächeninhalts eines trapezförmigen Fensters noch einmal zu überdenken. Vielmehr ist jetzt Zeit für den "Herr der Fliegen" und "The Wars", "Schöne Neue Welt" und "The Island" (Theaterstück). Meine zahlreichen Arbeitsflächen füllen sich langsam aber sicher mit Klebezetteln voller Zitate, Mindmaps zur Figurenanalyse und Skizzen von Aufsätzen. Ich muss mich schon jeden Tag daran erinnern, die Bücher nicht auch mit in die Kantine zu nehmen - was sich aber trotzdem irgendwie nicht vemeiden lässt.

Da ich es mir angewöhnt habe, meinen Kalender nicht nur mit Plänen sondern auch mit Rückblicken und Ermahnungen zu bestücken heißt es dort zum Beispiel für Sunday, 8 May: "Get up, dress comfortably, find a nice spot, make tea and study 'The Wars'" und ein knall-organener Klebezettel posaunt mir beim Aufschlagen von Woche 18 "This day is going to be REALLY GOOD! Leben, ich komme!" entgegen. Wenn ich es mir genau überlege, ist das fast schon ein bisschen lächerlich. Aber was tut man nicht alles, um erstens den Moment irgendwie festzuhalten und zweitens in der Welt der Bücher noch einen Ansporn zu haben...?!

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Do

28

Apr

2011

Glasgow Love Theme

How long did you sleep?

 

Dare you do this -

open your eyes

and look around?

Yes, you're here,

here in this world,

you are not dreaming, it's just as

you see it, things here

are like this.

Like this?

Yes, just like this,

not otherweise.

How long did you sleep?

(Olav H. Hauge)

 

Gestern habe ich Secret Beach, den geheimen Strand gefunden - einen Ort, von dessen Existenz man weiß, nicht jedoch, wie man dort hin gelangt. Das erste Mal hatte ich mich auf die Suche gemacht und versucht, einen Weg von Teachers Hill hinunter ans Wasser zu erspäen, aber fast schon schien es, als sei die Zeit noch nicht gekommen, als sei ich noch nicht zu Genüge in mir selbst und in diesem Ort präsent, um Anteil an ihm und seiner magischen Schönheit haben zu können. Gestern habe ich nicht gesucht und dennoch gefunden. Das Licht war so golden, dass ich die Wärme beinahe sehen konnte - keine Hitze, sondern vielmehr eine dem Licht innewohnende Lebendigkeit. Abendsonne. Es wird täglich zögerlicher dunkel und auch noch nachts schwebt ein Schleier aus sanfterem Nachtblau am Himmel als das den langen Winter über der Fall war.

Ich hatte eigentlich einen ausgedehnten Spaziergang vorgehabt und nahm die Abkürzung über den Hügel, auf dem die Lehrer wohnen. Fast noch aus dem Augenwinkel fielen mir die grob gesetzten Stufen auf, die am Rande des äußersten Hauses den Hang hinunter führten. Instinktiv wusste ich auf einmal, wohin sie führen mochten. Man erzählt sich einiges über Secret Beach. Das es ein Ort für Träumer und Liebende ist. Ist es. Man geht einige Meter durch einen Tannenwald. Der Waldboden ist moosig und sehr feucht. Jeder Schritt wird von einem leisen Schlürfen begleitet. Vor mir tauchte rasch eine winzige Bucht auf, das Wasser stand niedrig und gab weisse Kieselsteine frei. Am atemberaubendsten war jedoch der Blick, den man von einem der Findlinge dort hat. Es war fast windstill und der sich vor mir ausbreitende Fjord kräuselte sich nur ganz leicht in feinen Wellen. Das andere Ufer war einige hundert Meter entfernt und die Sonne, die langsam hinter den Bergen verschwand, färbte das Wasser rosa und golden. Es war still. Nur Singvögel zwitscherten, kein Möwengekreische. Ich versuchte, mich ganz auf diese Szene einzulassen. Manchmal schweiften meine Gedanken zurück zu dem Kapitel im Biobuch, dass sich mit dem Singverhalten von Singvögeln beschäftigt. Aber für einige Minuten war ich genau dort, wo ich war. Und sonst nirgends.

 

Jetzt bin ich wieder am College und Secret Beach hallt verhalten im Hinterkopf nach. Olav H. Hauge, mein Lieblingsdichter, fängt in den obigen Zeilen meine Gedanken ein Stück weit ein.

Auch ein für die Prüfungen (die für mich morgen beginnen) passendes Gedicht habe ich gefunden. 

 

Years of Experience with Bows and Arrows

 

What you are supposed to hit

is the bull's-eye, that black spot,

that precise spot, and the arrow

is supposed to stand there quivering!

But that's not where the arrow goes.

You get close to it, closer and closer;

no, not close enough.

Then you have to go out and pick up all the arrows,

walk back, try it again.

That black spot is highly annoying

until you finally grasp

that where your arrow stands quivering

is also the center of something.

 

Gruss

Angelika

 

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Fr

22

Apr

2011

Under the Bridge

Ein verrückter Sommertag


Aufgewacht in der norwegischen Wildnis -  ein Tipi eine Stunde vom College entfernt - vom offenen Holzfeuer nur noch die Glut - Sonnenschein!! Sich auf den Landzungen im Fjord wie Eidechsen sonnen - heisse Schokolade zum Frühstück.

Zurück zum College gewandert, Schlafsäcke am Rucksack baumelnd. Endlich die Kälte der Nacht loswerden. Eine leere Tüte Marshmallows und lauter Vogelgesang. Möwengekreische, laue Brise.

Cola und Obst auf der Wiese im Schatten. German Paper 2. Erzähltechniken in "Sansibar oder der letzte Grund" und "Schachnovelle". Früchtetee zum Aufwärmen in der Bibliothek.

Alle sind draussen. Red Hot Chilipeppers am Fjord. Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Rauchig riechende hochgekrempelte Hosenbeine. Wehende Gardinen, flatternde Buchseiten. Kampf mit dem Taschenrechner. Jetzt Gurkensalat. 

 

Und du?

 

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Mi

20

Apr

2011

Paperweight

"Mijn Utopie" by http://www.heis.nl/
"Mijn Utopie" by http://www.heis.nl/

Les utopies apparaissent comme bien plus réalisables qu'on ne le croyait autrefois. Et nous nous trouvons actuallement devant une questions bien autrement angoissante: Comment éviter leur réalisation définitive? ... Les utopies sont réalisables. La vie marche vers les utopies. Et peut-être un siècle nouveau commence-t-il, un siècle où les intellectuels et la classe cultivée rêveront aux moyens d'éviter les utopies et de retourner à une société non utopique, moins 'pafaite' et plus libre.

 

Utopien scheinen heute weitaus realisierbarer zu sein als man das früher für möglich hielt. Im Grunde genommen sehen wir uns mit einem quälenden Problem konfrontiert: Wie kann man das endgültige  Erreichen von utopischen Zuständen verhindern? ... Utopien sind möglich. Die Welt bewegt sich auf Utopien zu. Und vielleicht beginnt eines Tages eine neue Zeit, eine Zeit, in der die Intellektuellen und die gebildete Schicht unserer Gesellschaft wenigstens davon träumen, Utopien zu verhindern und in eine Gemeinschaft zurück zu kehren, die nicht übernatürlich, weniger 'perfekt' und liberalistischer ist.

 

(Nicolas Berdiaeff, Epigraph des Romans "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley)

 

Ein französischer Epigraph in einem englischsprachigen Buch. Hat Huxley etwa gedacht wer sich an seine Schöne Neue Welt wagen würde, sei sicherlich belesen genug um sich einen Reim auf Berdiaeffs Worte zu machen? Vielleicht hat Huxley aber auch ganz gezielt ein Gefühl von Ausgrenzung und Unverständnis im Leser provozieren wollen. Berdiaeff selbst war als kritischer und individualistischer Denker aus dem bolschevistischen Russland verbannt worden. Sowohl Huxleys Wahl des Autors seines Epigraphen als auch dessen eigene Biographie verkörpern demnach prominente Themen seines weltberühmten Romans "Schöne Neue Welt". Ich bin erst gestern, als ich im Rahmen meiner Prüfungsvorbereitungen das Buch noch einmal öffnete um mir was verschüttet gegangen war wieder ins Gedächtnis zu rufen, über die oben zitierten Zeilen gestolpert. Dankenswerterweise reichte mein Französisch aus, und ich musste nicht aus Mangel eines Wörterbuches dubiose Systeme wie Google Translate zu Rate ziehen. Die noch ungesehenen Feinheiten, die ungedachten Gedanken sind es, die Literatur meiner Meinung nach zu mehr als Unterhaltung machen. Sicherlich spricht auch viel für Geschichten, die fesseln - und mit dem Zuklappen des Buches wieder loslassen. Oder solche, die die Seele zum Baumeln bringen ;-)

 

Aber wirklich entwickeln tut man sich an ihnen nicht. Alle wollen wir doch irgendwo mehr, als wir schon haben. Mehr sein, als wir es heute sind. Der Drang nach Fortschritt ist so eng mit dem unstillbaren und vertrauten  Hunger nach Mehr verbunden, dass ich ihn als ureigenen Antrieb des Menschen bezeichnen möchte. Paradoxerweise streben die Figuren in "Schöne Neue Welt" nach technischem Fortschritt und permanenter  Entwicklung und scheinen doch alles andere als menschlich zu sein. Sie werden zu "pneumatischen" Wesen und sind so mit Luft gefüllt wie pneumatische Schuhe oder Sessel. Sie sind nicht mehr als Zellen im Körper eines Staates. Der Entwicklungsdrang, der ihnen noch im Reagenzglas eingetrichtert wird, ist ganz im Sinne des "Weltstaates". Das unterscheidet jenen Antrieb von dem unseren, so individualistischen Hunger nach Fortschritt.

 

Berdiaeff spricht an, was Huxley in seinem Roman so fabelhaft darstellt: eine perfekte Welt, stabil und gerecht wird statisch. Alles was in ihr nicht ins Bild der Perfektion passt ist falsch. Jeder Aussenseiter ist unerwünscht, weil seine Gedanken und Gefühle, seine Werte und Wünsche die Stabilität und das Glück der Einheit "Volk" gefährden. So verlockend eine utopische Welt also auch scheinen mag: Sie wird zu leicht zur Distopie, es sei denn der Menschheit wird der Hang zum Individualismus ausgetrieben (wie es in der Schönen Neuen Welt ja bekanntlich geschehen ist).

 

In den vergangenen Tagen habe ich mich immer wieder mit Fragen zur Entwicklung beschäftigt. Endija (Lettland) überleg Entwicklungslehre in Deutschland zu studieren, der Entwicklungslehre-Lehrer am College, Daniel aus Ghana, schwärmt von der IG-Metall und sagt, sie sei der Grund für Deutschlands relativ stabile Wirtschaft (er fing mich draussen vor der Kantine ab und ich musste meinen knurrenden Magen ganze 15 Minuten unter Kontrolle halten, denn er hatte offenbar eine Menge Gedanken, die zu lange ungeteilt geblieben waren), ja, und meine Oma schickte mir eine Karte mit folgendem Zitat:

 

(...) Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. (...)

 

Es handelt sich hierbei um einen Ausschnitt aus Hermann Hesses Gedicht "Stufen" und sie hätte keine passenderen Worte für mich finden können. Man könnte fast schon sagen sie seien zu so etwas wie einem Lebensmotto geworden, jetzt, da es gilt sich wieder auf den Weg zu machen. Ich schaue den Prüfungen (sie beginnen in zwei Wochen) zunehmend "heiter" entgegen. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als ein Sprungbrett ins nächste Lebenskapitel. Die richtige Mischung Mut und Können werden mich schon weit genug in ein neues Level, auf eine neue Stufe katapultieren. Manche dieser Stufen sind offenbar höher als andere. Trozt aller Vorfreude auf die Aussicht dort oben versuche ich etwas angestrengt den Blick für all die Wunder hier im norwegischen Frühling nicht zu verlieren.

 

Besonders heute habe ich ganz ganz viel Gelegenheit zum Schauen und Hören, denn gemeinsam mit gut 30 anderen Mitschülern rede ich heute den ganzen Tag über nicht. Diese Aktion wurde von der Gender and Sexuality Gruppe der Schule angeregt und geschieht im Andenken an all die homosexuellen Schüler weltweit, die ihre Gedanken und Gefühle nicht frei äussern dürfen. Ich habe mir vorgenommen, 10 Stunden kein Wort über die Lippen zu bringen. Andere schweigen ganze 24 Stunden. Es ist eine interessante Erfahrung, sich ständig auf die Zunge beissen zu müssen und nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen. Im Hinterkopf habe ich dabei auch die Biographie der taub-blinden Helen Keller, die ich neulich gelesen habe.

 

Es ist fantastisch, in einem Umfeld zu leben, in dem solche leicht seltsamen Ideen auf fruchtbaren Boden fallen. Ich sauge all die Erfahrungen in mich auf und die letzten Wochen haben in der Tat viel Gedankenfutter gegeben: Workshop zur Arbeit in einem UWC Nationalkomitee, schriftliche Auswertung der ausserschulischen Aktivitäten, an denen ich in den letzten zwei Jahren teilgenommen habe, ein World Today zum Konflikt in Lybien, ein weiterer World Today zu politischem Journalismus, gehalten von einer Journalistin im Kosovo etc.........

 

Abschliessend noch die Wise Guys:

"Man hält das Glück viel zu oft für unvergänglich,
und der Verstand ist für die Wahrheit nicht empfänglich:
Das Glück ist keineswegs normal, und selbstverständlich
ist alles Irdische letztendlich ziemlich endlich.
Doch wird mir erst später klar,
wie schön es vorher war,
dann kann ich mir doch nix mehr dafür kaufen!
Man muß sein Glück sofort erkennen
und es auch beim Namen nennen:
Bis jetzt ist alles tierisch gut gelaufen!"

 

Angelika

 

P.S Gedanken und Kommentare sind immer willkommen!


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Sa

02

Apr

2011

The Boxer

Ich schreibe spontan zwischen World Today und dem Film "The great debators", der gleich im Auditorium gezeigt wird. Noch immer bin ich ganz benommen von dem Vortrag des gründenden Rektors dieses Colleges im Rahmen der derzeitigen Youth-Leadership-Tage. Ein Mann, den man sich zweifelsohne als Vorbild nehmen sollte. Ein Pioneer in vieler Hinsicht, der "gerne das Risiko eingeht, neue Dinge anzustossen", nach Leitung 5 verschiedener IB-Schulen, u.a. UWC in Kanada und Norwegen sowie der internationalen Schule in Ottawa nun im Ruhestand. Brite, geboren im Westen Afrikas, sessig geworden in Kanada. Angenehme Stimme, einer, der während seines Vortrages auf und abgeht, der Dyamik ausstrahlt und gleichzeitig in sich zu ruhen scheint.

Er hat vor Schülern und vielen Lehrern eben über die Fragestellung, was für Qualitäten Führer der Zukunft haben sollten gesprochen und sich somit der Frage, worauf Bildungsinstitute heute hinarbeiten sollten angenommen. Eben drückte er mir die Notizen in die Hand, die er sich vorbereitend gemacht hatte und ich möchte gerne zitieren, wie er eine Rede Aga Khans (Oberhaupt der slamischen religiösen Gemeinschaft der nizaritischen Ismailiten) vor der IB Komission rekapitulierte:

 

"For much of human history leaders have been born into their roles, or have fought their way in - or have bought their way in. But today in this new century - a time of unusual danger and stirring promise - it is imperative that the aristocracies of class give way to the aristocracies of talent - or to use an even better term - to meritocracies.

Educating for leadership must imply something more than the mere development of sole skills. Training that develops skills, important as they may be, is a different thing from schooling in the art and science of thinking.

The temptation to circulate rather than educate is undoubtly strong among long frustrated populations. In an age of accelerating change, when even the most sophisticated skills are quickly outdated, the most important skill anyone can learn is the ability to go on learning.

Inevetably the keys to effective leadership are an agile and adaptive mind, a pragmatic and cooperative temperament and a strong ethical orientation.

It is also essential to add to this list a capacity for intellectual humility which keeps ones mind open constantly, open to a variety of viewpoints and much welcomes pluralistic exchanges."

 

In der Vergangenheit wurden Führer in ihre Rolle hinein geboren, oder haben sie sich erkämpft - oder sie haben sie sich gekauft. Aber heute in diesem neuen Jahrhundert - einer Zeit ungewöhnlicher Gefahren und mitreissender Versprechen - ist es unumgänglich, dass die  klassische Aristrokatie der Aristokratie der Talentierten - der "Verdienst-Aristokratie" - Platz macht.

Die Ausbildung von Führungskräfte  muss mehr beinhalten als die pure Vermittlung von Techniken. Training, das ein Handwerk vermittelt, so wichtig es auch sein mag, ist etwas anderes als die Ausbildung in der Kunst und Wissenschaft des Denkens.

Die Versuchung, zu erhalten eher als auszubilden ist zweifellos besonders in seit langem frustrierten Gesellschaften gross. Im Zeitalter immer schneller voranschreitender Veränderungen, when sogar die anspruchsvollsten Fähigkeiten schnell veraltet sind, ist die wichtigste Fähigkeit, die man lernen kann, niemals mit dem Lernen aufzuhören.

Der Schlüssel zu effektiven Führungsqualitäten ist ein agiler und anpassungsfähiger Geist, ein pragmatisches und kooperatives Temperament und eine starke ethische Ausrichtung. Ebenso wichtig ist kluge Bescheidenheit, die den Geist beständig offen hält, offen für unterschiedliche Ansichten und pluralistischen Austausch begrüssend.

 

Eine Führungskraft, so sagte er, dürfe auf keinen Fall für sich selbst arbeiten sondern muss ganz im Sinne der Gruppe handeln. Sie muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und das Risiko einzugehen, an den Leistungen eines Kollektivs gemessen zu werden. Wichtig war auch seine Bemerkung, dass nicht jeder führen muss. UWC hat die Tendenz vorzugeben, die nächste Generation von verantwortungsbewussten Fürhungskräften auszubilden. Nicht jeder hier möchte aber eines Tages ganz an der Spitze stehen. Warum auch? Erfolg misst man hier unter den Schülern schon lange nicht mehr anhand von Macht und Einfluss. Nicht jeder kann mit der Absicht nach Hause gehen, Staatsoberhaupt zu werden. Im Grunde genommen ist der "Mitmacher" in einem Team genau so wichtig wie der Führer. Kritische Mitarbeiter, Kreative, Bindeglieder. Ohne sie würde eine Fürhungskraft keinen Sinn haben. Und Anleiter einer Gruppe teilnahmsloser, gleichgültiger Menschen zu werden - das beeindruckt niemanden und wird mich bestimmt weniger zufrieden stellen als die Führungsposition einem anderen zu überlassen.

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Di

29

Mär

2011

Skandal...

a) Angelika trägt ihren Ring am falschen Finger und mancheiner glaubt, sie habe sich verlobt. Welcher Finger ist denn nun "der richtige"?

b) Der Geschichtslehrer fängt seinen Unterricht jetzt immer schon um 7:45 Uhr an. Panikreaktion oder sinnvolle Maßnahme?

c) Es hat schon wieder geschneit.

d) Ich sitze bei strahlendem Sonnenschein am Fjord und tanke Wärme. Es schneit trotzdem.

 

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Mi

23

Mär

2011

Can't Buy me Love

Das obige Bild ist einem Ordner auf der internen Internetseite des Colleges entnommen. Zwischen "Exam 2009" und "Exam 2010" versprüht der mit "Exam answers funny" betitelte Link einen Hauch Fröhlichkeit, ein wenig Leichtigkeit. Die Fähigkeit, mit derartiger Selbstironie Hürden wie Abiturprüfungen anzugehen habe ich mir auch im Laufe meiner UWC-Zeit noch nicht aneignen können. Derzeit komme ich mir wie eine ferngesteuerte Figur in einem Computerspiel vor, die permanent Hindernissen ausweichen muss, manchmal mit dem Kopf voran die Mauern im Labyrinth durchzubrechen versucht anstatt den langen aber weniger schmerzhaften Weg einzuschlagen. Wenn ich nicht langsam wieder anfange Leben zu sammeln, dann heißt es bald GAME OVER...

Ich sehne mich nach nichts mehr als einem Erfolgserlebnis. Heute Morgen hielt ich meinen korrigierten Englischaufsatz mit  ernüchternden Kommentaren vollgeschmiert in den Händen. Schon wieder lässt sie an mir kein gutes Haar. Kein Wort über Verbesserungen, Fortschritte. Dabei muss sich seit meiner überraschend miesen Leistung während der Probeexamen doch etwas getan haben... Ich zwinge mich dazu, positiv zu denken, die Kommentare dankbar in mich aufzunehmen - und frage mich gleichzeitig immer, wie viele Aufsätze ich (zugegeben was schulische Rückschläge angeht nicht die Abgehärteste unter der Sonne) noch planen und einreichen will.

Es wird Zeit für Frühling. Der Schnee liegt hier nun schon seit einem halben Jahr und es würde mich nicht überraschen zu hören, dass jeder der 200 Schüler sich in den vergangenen Monaten  mindestens ein Mal ganz plötzlich und unerwartet auf dem Hosenboden wiedergefunden hat. Vorgestern wurde ich ganze vier Mal von dem "Eisschleicher Syndrom" heimgesucht und trage nun mehr oder weniger stolz blaue Flecken zur Schau. In einer e-Mail an einen englischen Freund, dem ich immer wieder spannende deutsche Wörter beibringe, erläuterte ich gestern "Schmetterling", ein wie ich finde sehr frühlingshaftes Wort, jedoch nicht nur weil wir das Auftauchen von Schmetterlingen mit Frühling verbinden. Auch der Aufbau des Wortes, die Kombination des fast schon lautmalerischen , harten "Schmetter" mit dem lieblichen "ling", das man auch in Worten wie Liebling und traditionell in vielen germanischen Sprachen als verniedlichende Nachsilbe findet, macht "Schmetterling" ein Wort des Übergangs von Winter zu Sommer - ein Frühlingswort.

Heute sind die Austernfischer wieder am College angekommen. Es ist erstaunlich, wie die Kolonien von den Küsten Spaniens und Englands jedes Jahr auf eine Woche pünktlich zurückkehren, angetrieben von einem Gespür für die Länge des Tages. Hier wartet man auf die Austernfischer. Als heute morgen die ersten gesichtet wurden, hing promt ein Foto am Schwarzen Brett. Ja, wir sehnen uns nach langen Tagen, Licht, Grün. Meine Augen haben sich noch immer nicht an das Weiß gewöhnt und bei gutem Wetter stapfen hier viele halb blind durch den Schnee, der die Sonne unbarmherzig, großzügig reflektiert. Wenn man an einen Schöpfer glauben möchte, kann man sagen, dass er sich das gut ausgedacht hat, das, mit der Farbe des Schnees undden Lichtverhältnissen während der Jahreszeit, in der er am häufigsten auftritt. Das nenne ich effiziente Lichtnutzung!

 

(ein paar Tage später)

Ein Tagebucheintrag sollte sich eigentlich nicht über mehrere Tage ziehen, aber ich werde mit diesem einfach nicht schnell genug fertig. Zu viele Dinge geschehen hier gleichzeitig und ich blättere vorsichtshalber ein Paar Seiten meines Kalenders zurück um zu rekapitulieren:

Gestern und vorgestern fanden für uns Secondyears die letzten Projekttage statt. Während die Beteiligung am Planspiel UN für Firstyears obligatorisch ist, können sich Secondyears noch ein mal auf ganz unterschiedliche  Weise austoben. Ich habe Montag und Dienstag je 7 Stunden Tonskulpturen geformt. Es war so unwahrscheinlich befriedigend, die Hände tief in das Material zu stossen und unterschiedliche Techniken auszuprobieren. Jedem der acht Teilnehmer standen 6,5 kg grauer Ton zur Verfügung. Zunächst durfen wir unserer Phantasie freien Lauf lassen und einen Kopf wie er spontan vor unseren Augen auftauchte formen. Das Ergebnis könnt ihr in den Märzfotos bewundern. Die Büste ist in etwa 20 cm hoch und ich war überrascht, wie ich ein Auge für Proportionen zu haben scheine. Die letzte Erfahrung, die ich mit Ton hatte, war das Scheitern an einer Schildkrötenskulptur im Kunstunterricht der 9. Klasse. Nachdem alle  meine Schildkröten in sich zusammengefallen waren, retteten meine Freundinnen meine Kunstnote indem sie kollektiv und 10 Minuten vor Abgabeschluss "meine" Schildkröte formten. Eine den Kopf, die andere den Panzer und bei den Füssen konnte sogar ich, zu dem Zeitpunkt den Tränen nahe, noch helfen... Ich habe auch tatsächlich eine 2+ bekommen und das Kunstwerk noch lange auf meinem Schreibtisch stehen haben. Eines Tages ist sie leider herunter gefallen und zerbröckelt. Um immer daran erinnert zu werden, wie Freunde zusammenhalten sollten, habe ich sie darauf hin durch eine professionell gefertigte Tonschildkröte ersetzt. Wenn ich so darüber nachdenke bereue ich eigentlich, sie nicht mit nach Norwegen genommen zu haben.

Nun, die Projekttage haben einmal mehr bewiesen, dass der Mensch lernfähig ist. Während ich an dem Kopf arbeitete und immer deutlicher wurde, dass ich da gerade einen alten Mann formte wurde mir klar, wie meine Hände ganz automatisch Gesichtszüge meiner beiden Grossväter modellierten. Die Verschmelzung ihrer Gesichter kaschiert das vielleicht. Solch ein Arbeitsprozess, eng verwoben mit persönlichen Gedanken und Gefühlen, hat mich ihnen auf ganz neue Art und Weise näher gebracht. Ein weiteres überraschendes Phänomen, das ich im Umgang mit Mitschülern während und nach den Projekttagen beobachtet habe ist, dass das Modellieren eines Kopfes unter Anleitung  einer erfahrenen Künstlerin die Wahrnehmung von Gesichtern verändert. Während des Projektes haben wir auch die antike Skulpturkkunst kennengelernt und erfahre, dass Römer und Griechen die Gesichter ihrer Statuen aus dem Material geschlagen haben nicht aufbauend gearbeitet haben, wo mir persönlich letzteres mehr liegt. Köpfe haben deswegen auch mit Nase und Stirn eine charakteristische Ei-form. Nasenbei und Stirn folgen ganz klar der Wölbung eines einzigen Eies. Unser dritter Kopf war fast schon kubistisch. Die Gesichtszüge waren die Kombination verschiedener glatter Flächen, sog. Ebenen (planes). Ich begann langsam zu verstehen, wie Kieferknochen, Schläfen, Nasenbein etc. im Verhältnis zueinander stehen und bin gespannt, ob ich nach dieser Übung tatsächlich fähig sein werde, bessere Skizzen von Gesichtern zu zeichnen. Die letzte Übung, das Modellieren eines Kopfes anhand eines lebenden Modells , bildete den Abschluss des Projektes und hat mein Verständnis von Proportionen und  Ebenen weiter ausgebaut. Obwohl unsere Schule einen Brennofen hat, werden wir nicht alle Köpfe aushölen und brennen. Die erste Büste möchte ich aber gerne gut gepolstert und mit gekreuzten Fingern nach Hause schicken.

 

Ein weiterer kleinen Höhepunkt der verganenen Tage war das südostasiatische Frühlingsfest "Holi", das wir am Sonntag zelebriert haben. Es ist Tradition, sich mit buntem Farbpuder zu beschmeissen, was wir tatsächlich auch (im norwegischen Regen) gemacht haben. Einige Fotos findet ihr hier. Im Drang zu radikaler Veränderung und aus Solidarität zu meiner Firstyear, die ihre Haare eine  Krebsorganisation spendet, habe ich mir einen sehr kurzen Haarschnitt zugelegt und es während Holi sehr genossen, mir keine Sorgen über ungewollte und hartnäckige Haarfarben Sorgen machen zu müssen und nach 2 Minuten unter der Dusche wieder eine reguläre Hautfarbe aufzuweisen. Nicht allen bunt bepuderten Mitschülern ging es genau so...

 

Neben dem üblichen Programm aus regulären Trioproben, Hausaufgaben, Aufsätzen und World Today Organisation (und Amtsübergabe) ist noch zu bemerken, dass das Musicals "Little Shop of Horrors" nach lange Vorbereitungszeit vergangenen Samstag endlich aufgeführt wurde. Irina, meine nepalesische Mitbewohnerin übernahm die weibliche Hauptrolle und im Vorfeld konnten wir beobachten, wie ihr die Proben zusetzten. Sie muss nebenbei auch noch ihre Theaterprojekte "über die Bühne bringen", was eine Menge Zeit in Anspruch nimmt, und war nach ganzen Probenwochenenden für Little Shop of Horrors extrem "groggi". Ich hoffe sehr, dass die Begeisterung des Publikums Balsam für die Seele war. Meine Mathelehrer hat Fotos der Performance allen Schülern zugänglich gemacht - ich habe sie nur noch nicht auf der öffentlichen Festplatte auftreiben können, werde sie aber so zeitig wie möglich online stellen.

 

Und damit wären wir wieder beim Internet angelangt und einem der vielen Vorteile virtueller Kommunikation. Ich bin nicht grundsätzlich gegen diese Form des Kommunizierens - immerhin schreibe ich ja Tagebuch im Netz... - aber was mir wichtig ist, ist dass trotz aller Sinnesüberreizung durch das Internet jeder Nutzer noch Raum findet, als Individuum mit der ganz eigener Note, dem eigenen Konzept seine Gedanken zu verbreiten. Besonders als mehrere der jüngsten Mitglieder der Familie UWC-Deutschland mir vor einigen Tagen ihre "Auslandshomepages" vorstellten konnte ich nicht anders als zu bemerken, dass sie in ihrem Format mit "Tagebuch", über den selben Homepageanbieter und teilweise mit fast identischem Design doch äusserlich sehr der meinen glichen. An sich ist das ja nicht verboten, nicht überraschend und stellt mich in keiner Weise in Frage. Und doch frage ich mich, was man tun könnte um jedem "user" den Mut und die Phantasie zu erhalten, die er braucht um seiner realen Individualität auch im Netz gerecht zu werden. Kreative und mutige Antworten wie sie oben auf dem Foto zu sehen sind werden sonst purer Resignation und einer trostlosen Gleichheit weichen...

 

Mal schauen, ob und wie ich mich damit in Zukunft auseinandersetzten kann. Jetzt werde ich in den  Geschichtsunterricht eilen. Es ist halb zehn Uhr morgens, ich bin schon seit 6 Uhr auf den Beinen, bereits einen Kilometer geschwommen und habe die Ruhe beim frühen Frühstück genossen. Der Tag hat zweifelsohne Potential!

 

 

Angelika

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Sa

05

Mär

2011

Money Makes the World Go Round

Heisann!

 

Gestern ist es wieder spät geworden. Sehr spät. Noch bis nachts um halb 3 saß ich mit drei dänischen Mitschülern und Fannie in meinem Zimmer und habe das Wochenende mit einem langen lustigen Gespräch über Kindererziehungsphilosophien, Geld, Medienkonsum und Zukunftspläne eingeläutet. Wie so häufig habe ich mich in der Rolle des Zuhörers besonders wohl gefühlt und mit Interesse verfolgt, wie sich die Unterhaltung entwickelte. Hier am College kommen wir häufig auf fundamentale Ideologien und kulturelle Prägung zu sprechen. Es ist immer wieder interessant und häufig auch höchst amüsant zu beobachten, wie mancheiner tatsächlich die länderspezifischen Klischees erfüllt, unbewusst zwar und doch auch ein bisschen stolz. Die Dänen sind eben immer wieder die laxen, liberal lustigen Europäer, die, so auch gestern, Genuss und Lebensfreude vor Moral stellen oder alles moralisch vertreten können, so lange das Leben Spaß macht. Das macht sie jedoch keineswegs zu ignoranten und egozentrischen Zeitgenossen. Per und Oliver, zwei nachtaktive Firstyears wurden von ihren Eltern zu verantwortungsbewussten Menschen erzogen. Sie verdienen schon seit sie 13 sind eigenes Geld, sind mit dem 18. Lebensjahr finanziell von ihren Eltern unabhängig. Der Staat zahlt großzügig Taschengeld. Und doch: Per sagt, dass es seinen Vater beim Elternsprechtag kaum begeistern kann, wenn sein Sohn tolle schulische Leistungen bezollt bekommt. Aber es treibt ihn zur Weißglut wenn sich herausstellt, dass Per nicht immer pünktlich kommt. "Du wirst auch mit einem super Abiturzeugnis keine feste Anstellung finden, wenn du nicht pünktlich zur Arbeit erscheinst." Dieser pragmatische Ansatz macht sicherlich Sinn, besonders wenn man ein von sich aus intelligentes und lernfreudiges Kind hat. Fannie hat von zuhause andere, den meinen ähnliche Werte mitbekommen. Bildung ist das höchste Gut und darein zu investieren ist ungemein wichtig. Dafür sind Eltern bereit hart zu arbeiten und andere Dinge in den Hintergrund zu stellen. Natürlich wollen auch ihre Eltern ein lebenstüchtiges Kind in die Unabhängigkeit entlassen. Und doch: Finanziell abhängig zu sein ist bis zum Studienende kein Thema. Die erklärte Absicht der damals 15-jährigen Fannie, jetzt ihr eigenes Geld verdienen zu wollen wurde mit dem Argument abgewehrt, sie solle sich doch lieber auf Schule, Turnunterricht und ihre Freunde konzentrieren, den Luxus genießen, in einem finanziell stabilen Mileu aufzuwachsen und die Wochenenden mit der Familie anstatt an einer Supermarktskasse verbringen. 

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Mittelweg wie so häufig eine gute Lösung sein könnte. Die Wahrnehmung von Geld als etwas leistungsgebundenes aber auch das Erleben eines Lebensstils in dem Geld (weil vorhanden) nicht der Hauptgrund für Zeitgstaltung und Lebensweise ist, sind in ausgewogenem Maße erstrebenswert.

 

Hier am College prallen unterschiedliche Einstellungen zu Geld immer wieder aufeinander. Wir erleben das täglich im Umgang mit Essen, zum Beispiel. Wer aufisst, wer wieviel liegenlässt und wegschmeisst - jeder sieht hier alles und hat meistens auch eine Meinung dazu. Aber weil Geld an sich hier im Alltag keine Rolle spielt sondern ausserschulisches Engagement und schulische Leistungen die Wahrnehmung der Ausstrahlung des Gegenübers beeinflussen und Kleidung bzw. Stil (Zuhause immer wieder Indikator für finanziellen Hintergrund) vom international ausgerichteten Standpunkt aus kaum als Bewertungskriterium taugen, spricht man wenig darüber. Zu wenig? Ich habe immer wieder den Eindruck, dass der UWC Schüler manchmal zu vorschnell gegen alles ist, was nach Luxus, Macht und einer politisch konservativen Haltung ausschaut - und ich kann mich selbst von dieser Gruppe kaum ausschliessen. Geld und Reichtum werden immer wieder tabuisiert und auch wenn wir uns hier über die Möglichkeiten zu Veränderung, die mit einem dicken Portemonaie kommen, im Klaren sind, so wird die Priorisierung von Karriere gegenüber aufopferungsvollem Freiwilligendienst doch immer mit grosser Skepsis beäugt. Alles in mir sträubte sich als ein Mitschüler sagte, dass es sein Ziel sei, mit 25 Millionär zu sein. Das Beispiel ist extrem, zugegeben. Im Nachhinein bin ich zu dem Schluss gekommen, dass zumindest für mich nicht Geld an sich erstrebenswert ist, sondern Sicherheit die vielleicht mit Reichtum kommen mag, und das grosse Spektrum an Möglichkeiten, Einfluss auf die Aspekte meiner Umwelt zu haben, die ich gerne verändern möchte. Nicht zu vernachlässigen sei bei alledem aber auch das gute alte Sprichwort: Viele Wege führen nach Rom. Das Erreichen eines Ziels - laut dem bekannten Psychologen Maslow ist Selbstverwirklichung das ultimative Bedürfnis, das unseren Entscheidungen und Zielsetzungen zugrunde liegt - ist auf vielerlei Weisen möglich. 

 

Zielsetzung und Selbstverwirklichung aufeinander abzustimmen fällt wohl niemandem wirklich leicht, am wenigsten dem Teenager, der nicht weiss nach wem er sich richten soll, ob Idole zu haben richtig ist, und der am liebsten die Welt neu für sich erfinden würde. Oft gilt es, risikobereit zu sein. Für mich waren Zielsetzung und Selbstverwirklichung während der Bewerbung an britischen Universitäten prominente Themen. Noch immer bin ich mir natürlich nicht sicher, ob Oxford tatsächlich der richtige Platz für mich wäre. Und ganz ehrlich: wer sollte schon fähig dazu sein, mir in dem Findungsprozess beratend zur Seite zu stehen, hat doch niemand der mich kennt Psychologie in Oxford studiert? Ich komme gerade heute wieder auf dieses Thema zu sprechen, weil ich mir langsam Gedanken zu einer Alternative zu Oxford machen sollte. Es ist durchaus nicht gesagt, dass ich tatsächlich gehen kann und die nötige Anzahl an IB Punkten sammeln kann. Die Anforderungen an mich als Abiturienten sind sehr hoch. In der vergangenen Woche habe ich viele IB Prüfungen simuliert und in Englisch schon ein recht ernüchterndes Ergebnis zurück bekommen. Wer sagt, dass das alles einfach zu schaffen sei, hat sich noch nicht mit dem recht statischen IB auseinandergesetzt.

 

Neben dem üblichen Schulstoff nimmt derzeit auch die Fotografie Teile meiner Zeit in Anspruch. Ich habe diesen Zweig der schaffenden Kunst erst kürzlich für mich entdeckt und empfinde es als ungemein befriedigend, mich mit dem Einfangen einer Stimmung, eines Augenblicks ausseinanderzusezten. Mit dem Partner meiner Mentorin, Edmund, der selbst auf gutem Niveau und mit toller technischer Ausrüstung faszinierende Fotos macht, habe ich mich vor einigen Tagen über Fotografie unterhalten, und darüber, wie wir unser Wissen über Bildgestaltung auf andere Aspekte des Lebens übertragen können.

Natürlich spreche ich über das Sehen an sich. Ein Bild kann mit der Absicht aufgenommen werden, die Situation so wiederzuspiegeln, wie wir sie im Original wahrgenommen haben. Der Fotograf als Künstler wird aber den Anspruch an sein Foto haben, dass es seine eigene Interpretation der jeweiligen Situation im Bild mit einfängt. Was wir sehen ist also ein gezieltes Inszenesetzen. Was wir sehen bringt uns dem Künsler näher, das fotografierte Objekt verliert an Objektivität. Ist es so nicht mit allem, was wir betrachten? Wir können uns wohl kaum sicher sein, ob je zwei Menschen das selbe Motiv auf gleiche Art und Weise wahrnehmen werden. Jeder wird in dem was er sieht nie frei von dem Einfluss der eigenen Interpretation sein. Auch was wir in einem Mitmenschen sehen, was wir aufgrund seiner Stimmlage, Körperhaltung, Kleidung etc. über ihn denken, kann bis zu einem Punkt von ihm selbst beeinflusst werden. Die Kunst liegt darin, das eigene Erscheinungsbild so zu beeinflussen, dass das jeweilige Gegenüber mit hoher Wahrscheinlichkeit genau das interpretiert, was auszudrücken beabsichtigt wurde. Es ist wohl nicht schwer zu erraten, dass Edmund TOK-Lehrer ist...

 

Der Februar ist schon um. Die Zeit ist in den letzten Wochen rasend schnell vergangen. Heute musste ich feststellen, dass bis zu den Prüfungen gerade mal 8 Wochen bleiben. Die letzten Wochen waren ereignisreich und nicht alles lässt sich in einem Tagebucheintrag zusammenfassen. Ich habe zum Beispiel kleine Teile meiner unterrichtsfreien Study-Week in Bergen verbracht und dort eine Ausstellung zu Kunst und Design besucht, die zwar eine sehr zusammenhangslose Struktur hatte (wahrscheinlich war sie nicht für Leute wie mich ausgerichtet, die gerne mehrere Stunden in ganz unterschiedlichen Ausstellungsräumen verbringen) - ich sah chinesische Kunst der letzten 2000 Jahre, wie sich Möbel in den letzten 700 Jahren verändert haben, einen Raum voller Goldschmiedearbeiten und einen mit bizarr anmutenden, temporären Einrichtungsgegenständen in tollen Designs - mir aber sehr gut getan hat. Übernachtet habe ich in der Studentenbude einer ehemaligen Mitschülerin. Sie hatte mehrere UWC Schüler bei sich untergebracht und es wurde ein lustiger Abend ganz im Stile eines Studenten. Mit Matratzenlager auf dem Fussboden, lauter Musik und naja... dem Rest. Das Appartment ist in einem Haus, das, wie so viele in Bergen, am Berg klebt. Der Aufstieg mit Koffer war mühsam, aber die Aussicht auf das bei Nacht leuchtende Bergen war fantastisch und reichte als Entschädigung.

 

Die kommenden Wochen werden ebenfalls ereignisreich. Am Dienstag folgt den vielen lustigen Theaterproben im Rahmen des International Women's Day endlich die Aufführung von den "Vagina Monologues". Am Freitag gilt es für World Today einen Gastredner zu betreuen und am 18. März, als krönender Abschluss meiner Zeit als World Today Vorsitzende werden wir ein World Today zum Israel-Palästina Konflikt mit zwei Skype-Gastrednern haben. Die Vorbereitungen für dieses World Today laufen schon länger. In der kommenden Woche werden die Mitglieder der Gruppe in unterschiedlichen Klassen Minivorträge halten um die Schüler mit den grundliegenden Konzepten vertraut zu machen.

Es macht mir Freude, zu organisieren und zu koordinieren und stolz die World Todays des vergangenen Jahres revue passieren zu lassen. Eine neue Schülervertretung bestehend aus Firstyears ist bereits gewählt und im Amt. Jetzt gilt es auch die übrigen Verantwortungen zu übergeben. Es fällt mir nicht leicht, anzuerkennen, dass wir Secondyears uns jetzt wirklich und vollständig auf die Abschlussprüfungen konzentrieren müssen und die UWC Luft so dünn wird, dass sie gerade mal für das Lernen und nicht mehr für Projektarbeit reicht. Aber da muss wohl jeder eines Tages durch.

 

//Angelika

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Di

08

Feb

2011

Staying Alive

Unmittelbar nach dem Öffnen der Tagebuchfunktion dieser Homepage drängt sich mir das fettgedruckte Wort "Entwurf" auf. Nicht nur ein "Entwurf" sondern gleich drei tief schwarze, Unvollständigkeit speiende "Entwurf" - ich habe in den vergangenen Wochen häufig entworfen und genau so oft wieder verworfen. An manchen Tagen bin ich schon an der Überschrift - gescheitert, möchte ich fast sagen. Aller Anfang ist schwer. Wer weiß das nicht. Als besonders schwierig gestaltet sich alles Anfangen wenn die eigenen Erwartungen jede Inspiration schon im Keim ersticken weil sie "nicht gut genug" ist, nicht förderungswürdig, mit zu wenig Potential, nicht vielversprechend genug. Ich kann diese Einstellung immer wieder an mir selbst beobachten, aber sie scheint auch ein Phänomen zu sein, das tief in den Köpfen so vieler verankert ist, dass man es fast schon einen Teil der Gesellschaft nennen könnte.

 

Im Wikipedia wird Gesellschaft vom Standpunkt der Soziologen aus als "eine durch unterschiedliche Merkmale zusammengefasste und abgegrenzte Anzahl von Personen, die als soziale Akteure miteinander verknüpft leben und direkt oder indirekt interagieren" definiert.

 

Demnach bilden also auch Israelis und Palästinenser eine einzige Gesellschaft, zusammengefasst durch ihr Interesse an der selben Region, unvermeidbare Interaktion miteinander und Beziehungen zu den selben Nachbarstaaten, Arab-Israelis wie meinen Mitschüler Michael. Ganz offensichtlich trennen sie Sprache, ethnische Abstammung, Religion und Lebensumstände. Eine duale Gesellschaft. Auch in dieser Gesellschaft ist das Anfangen zum Problem geworden, und das in vielerlei Hinsicht. Die Vorbereitungen für einen Höhepunkt im World Today- Jahr, ein World Today zum Thema „Israel-Palestine Conflict today and tomorrow“ laufen.

 

Da ist die Frage "Wer war hier zuerst?", und da wir schon als Kinder lernen, dass der erste in der Reihe zuerst bedient wird (was ja bekannermaßen zu Wettläufen und gar Rangeleien führt - bei uns zuhause häufig, wenn es darum geht, wer auf dem Beifahrersitz fahren darf...) erwarten viele Konfliktbeteiligte immer noch, mit der Poleposition im "Heiligen Land" eine Aufenthaltsgenehmigung gleich dazu zu bekommen. 

 

Dann ist da die Frage "Wer hat angefangen?" Meine Eltern haben irgendwann aufgehört, sich dafür zu interessieren, wer den Streit angefangen hat, denn zu häufig gestaltet sich das Beantwoten dieser Fragestellung als sehr unbefriedigend und sogar kontraproduktiv. Mein Bruder und ich hatten die Diskussion mehr als nur ein Mal und kamen in den härtesten Fällen zu der Einsicht, dass schlichtweg die Geburt des Anderen der Ursprung allen Übels gewesen sei. Gut, dass wir mitlerweile wichtigere und inspirierendere Gesprächsthemen gefunden haben... :-) 

 

Schließlich fragt man sich: "Wie und wo mit dem Aufräumen anfangen?"Jeder kennt die Antwort, die so charmant im Sprichwort "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!" verpackt ist. Eine der für mich berührendsten und faszinierendsten Erlebnisse hier am College ist die Annäherung der Secondyears aus diesen beiden verfeindeten Gruppen. Aseel (Palästina) und Astar (Israel) hatten bis weit in das erste Schuljahr hinein Probleme, den Konflikt miteinander zu diskutieren. Astar, der ich persönlich als Freundin näher stehe als Aseel, meinte bei einem Teestündchen irgendwann einmal, dass sie und Aseel einfach nicht genug faktisches Wissen hätten, um wirklich effektiv argumentieren zu können. Mittlerweile haben die beiden die Israel-Palestine Activity gegründet und zeigen regelmäßig Filme oder organisieren Diskussionen und Informationsveranstaltungen zu "ihrem" Thema. Vorgestern haben wir einen israelischen Dokumentarfilm linker israelischer Aktivisten gesehen, der besonders für Araber gemacht ist und zeigt, dass es innerhalb Israels durchaus Bewegungen gibt, die gegen die Militärpflicht für jeden Israeli, die "Kolonialisierung" und Kontrolle palästinensischer Gebiete durch israelische Siedlungen sind. Als Deutsche bin ich die Unterstützung Israelischer "Verteidigungsmaßnahmen" seitens der Mainstreampolitik zuhause gewöhnt. Ich bin sehr dankbar für die anderen Meinungen und die neuen Blickwinkel, die ich hier am College immer wieder vorgesetzt bekomme. Es ist nicht die Absicht meiner beiden engagierten Coyears, eine Lösung für den Konflikt zu ersinnen. Astar kommt ohnehin aus einem sehr liberalen, politisch linkem Elternhaus und kann Aseel in vielen Gesichtspunkten nachvollziehen, vielleicht sogar zustimmen. Was für die beiden viel wichtiger ist, ist ein Austausch von Informationen, von Ideologien, Dogmen, die zuhause einfach so hingenommen und nicht weiter hinterfragt werden. Die Lage in ihrer Heimat ist so verkorkst, dass eine Lösung kaum denkbar ist, aber die Kommunikation, die die beiden mit der Rückkehr nach UWC daheim kultivieren könnten, ist ungemein wichtig und für die Lösung des Israel-Palestina Konflikts unverzichtbar!

 

Neben diesem Thema habe ich mich in den vergangenen Wochen, auch anlässlich des Holocaust Gedenktages, mit deutscher Geschichte befasst und den sehr ergreifenden, angreifenden Film „Schindlers Liste“ gesehen. Ich erinnere mich, vor gut einem Jahr in einem Tagebucheintrag auch über Holokaustfilme geschrieben zu haben, über die schauspielerische Darstellung von Nazismus und Hitlerdeutschland. Am College werde ich von Mitschülern immer wieder, nicht täglich aber doch wiederholt, mit diesem Thema konfrontiert, sei es durch Hitlerparodien oder Nazi-Witze. Die internationale Jugend sagt sich scheinbar zunehmend los von den psychologischen Effekten einer Massenvernichtung von vor 60 Jahren. Was wird das Kollektivgedächtnis also in 20 Jahren sein? Der Holocaust wird schlicht eine Zahl? 6 000 000. Ist das alles? Er wird komprimiert zu einem fast technischen Ablauf, einer puren Aneinanderreihung von Handlungsschritten? Zu gewissem Maße ist er es doch schon. Im Geschichtsunterricht lernen wir manches in Zeitstrahlformat. 1933 – 1939 – 1941 – 1945. Was kann man denn von einer Generation erwarten, die mit Genmanipulation groß wird und Facebook, also ein ganz neues Bild von Leben und menschlicher Interaktion gewinnt? Ich bin mir sicher, dass auch der Holocaust wie komprimierte Musikdateien an Tiefe verliert. Dass ich jedoch mit einer Jüdin einen Film über gemeinsame, nie selbst gelebte Vergangenheit sehen kann ist das, was Geschichte greifbar und wertvoll macht.

 

Der Geschichtsunterricht hält mich nach wie vor auf Trab. Massen an Arbeitsblättern gilt es zu lesen, viele Zusammenhänge müssen nicht nur wahrgenommen sondern auch verstanden und gespeichert werden. Stalins Russland 1924-1953, Deutsche Geschichte von 1917-1989, erster Weltkrieg mit seinen Ursachen und Folgen, zweiter Weltkrieg, kalter Krieg in Europa und Asien, das Entstehen von Einparteistaaten, Spanischer Bürgerkrieg, Mussolinis Italien. Noch Fragen? Mit Blick auf die Examen scheint es unmöglich, sich diesen Berg an Informationen „einzuverleiben“ und hier sehe ich mich immer wieder mit dem Problem des Anfangens konfrontiert. Gestern habe ich es endlich geschafft und mich für das Mindmap-Prinzip entschieden. Sobald die erste Din A3 Seite fertig ist, werde ich ein Foto davon ins Netz stellen.

 

Vor gut einer Woche war es für Secondyears wieder Zeit für Projekttage. Während die Firstyears sich mit den Grundlagen der ersten Hilfe vertraut machten, habe ich zusammen mit einem Iraner, einer Schwedin, eines Kosovaner, einem Gahnesen, einer Nepalesin und einer Amerikanerin eine Idee in die Tat umgesetzt, die schon lange in den Köpfen engagierter Lehrer und mehreren Schülergenerationen herumgeisterte. Die Spannbreite an Vorwissen, mit dem die Schüler an ein UWC kommen betrifft nicht nur ihr faktisches Unterrichtswissen sondern ganz besonders auch ihr methodisches Wissen, Wissen über Lernmethoden. An meinem ehemaligen Gymnasium in Bielefeld wurde der Methodikunterricht ganz gezielt in der Unter- und Mittelstufe eingeführt. Dort habe ich gelernt, dass ein Leistungsmaximum nach gut 45 Minuten konzentriertem Arbeit überschritten wird, wie man sich schrittweise auf Klausuren vorbereitet und dass jeder Mensch von unterschiedliche Sinne schwerpunktmäßig Gebrauch macht, wenn er sich etwas effektiv lernt. Viele meiner Mitschüler hier am College haben von solchen Dingen noch nie etwas gehört. Die Lehrmethoden der so unterschiedlichen Lehrer sind auch für mich immer wieder neu und für uns alle kommt hinzu, dass das Leben in einem Internat konzentriertes Arbeiten in vielen Situationen schwierig macht. Es ist also außgesprochen wichtig, sowohl Schüler als auch Mentoren und Lehrer Material an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie die Herausforderungen des UWC-IB-Alltags meistern können. Während des dreitägen Projekts Anfang letzter Woche haben wir eine vierzigseitige Broschüre zusammengestellt, die Informationen zu einer Vielfalt an Themen, zum Beispiel Perfektionismus, Leseverständnis, Stressbewältigung vor Prüfungen und das Vermeiden von Ablenkungen, beinhaltet. Ich habe mich auf unser Gedächtnis konzentriert und die Möglichkeit, mich intensiv und ausschließlich mit Psychologie und der praktischen Anwendung theoretischen Wissens über unser Gehirn zu befassen ausgesprochen genossen. Die eigenständige Arbeit im Wohnzimmer meiner Mentorin (Tee und Trockenobst inklusive) hat mir gut getan.

 

Das so unglaublich ungemütliche Wetter der letzten Wochen hat mir aufs Gemüt geschlagen und mich angesichts der aufkommenden Prüfungen und dem scheinbar selbstverständlich damit verbundenem Druck zwischenzeitlich sehr klein werden lassen. Hinzu kommt, dass eine kleine Zahl an Mitschülern die UWC-Atmosphäre durch Mobbing und Stehlen teilweise ganz schön strapazieren. Als verhältnismäßig idealistischer UWC-Schüler enttäuscht und erschüttert mich die Einstellung mancher Kameraden sehr. Dass man aufeinander Acht geben muss, dass es tabu ist, frisch gebackenen Kuchen aus dem Ofen zu klauen oder geladene Diskussionen über das e-Mailsystem zu haben ist doch irgendwo selbstverständlich, oder?

 

Manchmal scheint UWC also tatsächlich nicht mehr als eine gewöhnliche Oberstufe zu sein. Nein, hier wird nicht an Wände oder Tische geschmiert, aber dafür werden andere Dinge sinnlos kaputt gemacht. Ich bin der Überzeugung, dass jeder hier seinen ganz persönlichen Teil zum Projekt beitragen muss, und das jeden Tag aufs Neue. UWC ist nichts, dass es schon so als vollständiges Etwas gibt. Es muss jeden Tag neu erschaffen werden, bedarf unermütlicher und alltäglicher Neudefinition. „Deine 2 Jahre UWC sind das, was du aus ihnen machst!“ Dieser Satz, ausgesprochen von einem Secondyear während meines Einführungstreffens bevor ich überhaupt einen Fuß in ein UWC gesetzt hatte, ist mir noch sehr präsent. Aber ich muss ihn ergänzend etwas abwandeln. „UWC als solches definiert sich durch deinen Beitrag während der 2 Jahre und darüber hinaus.“ Liebe UWC Bewerber! Ich denke an euch, die ihr über diese Homepage UWC etwas näher gekommen seid und nun in ein paar Tagen eure entscheidenen Auswahlgespräche führen werdet. Seid euch darüber im Klaren, dass UWC in seinem Idealismus niemals vollständig sein wird, sondern, und das hat Idealismus so an sich, durch eure Ideen und euer Handeln definiert ist. Ein Ideal entspricht nicht der Wirklichkeit. Man kann sich einem Ideal annähern und auch wieder davon entfernen. Jeder UWC-Schüler hat eine Fernsteuerung in der Hand mit einer bestimmten Reichweite und kann die Annäherung an ein Ideal beeinflussen. Bitte diese Fernsteuerung regelmäßig aufladen, Ersatzbaterien dabei haben, immer schön Funkkontakt halten und Störgeräuschen wenn nicht vorbeugen dann sie auf jeden Fall ausschalten!

 

xx Angelika

 

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Sa

08

Jan

2011

Please Please Me

Sie sind endlich wieder da, die Schmetterlinge der Verliebten. Nach langer, schier endloser Durststrecke zittern meine Hände vor Aufregung und ich kann mich jedes Mal nur schwerlich von ihm trennen. Zu lange war es her, dass ich diesen Genuss spüren durfte, zu lange war es her, dass ich nicht ein Ende herbeisehnte sondern mich auf die vor mir liegende Zeit mit ihm freute, mich ihr entgegensehnte. Das Buch ist unglaublich! Ein Buch, wie ich es noch nie gelesen habe. Eines, dass mich fesselt, mich sowohl inhaltlich als auch sprachlich beeindruckt und begeistert. Steven Pinker: How The Mind Works, erschienen im Penguin Verlag. Selten habe ich mir Wissen auf eine derart heißhungrige Art und Weise angeeignet. Das liegt zweifelsohne an Pinkers Schreibstil und dem Aufbau des wissenschaftlichen und zugleich köstlich unterhaltsamen Werks. Anspruchsvoll und zugleich den Leser befriedigend schreibt er und das lässt sich sicherlich darauf zurückführen, dass der Autor sich intensiv mit dem Spracherwerb von Kindern auseinandergesetzt hat und die erworbenen Kenntnisse nun auf seinen Leser projiziert.

 

Wieder einmal ist dies ein Beispiel, das meine Hauptmotivation für ein Psychologiestudium in England stützt: Ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis des Gehirns macht eine teilweise Adaption unseres Verhaltens erst möglich. Effizientes Arbeiten, Lehren, Lernen etc. wird systematisch möglich, wenn man versteht, wie wir Informationen verarbeiten und warum. Psychologie ist keinesfalls eine schwammige Analyse unseres Verhaltens, kein Aufteilen in Vererbung und Umwelt; Psychologie basiert auf der Erkenntnis, dass unser Gehirn eine hochkomplexe Maschine ist, die Lernen und Kultur erst möglich macht. Pinker drückt es so aus: “It’s not that the claim that there is an interaction between innate structure and learning (…) is literall wrong. Rather, it falls into the category of ideas that are so bad they are not even wrong. (….) Yes, every part of human intelligence involves culture and learning. But learning is not a surrounding gas or foce field, and it does not happyn by magic. It is made possible by innate machinery designed to do the learning.” (Pinker, S.: How The Mind Works, Penguin Books Ltd., 1997, London, S.32,33)


Während ich diese Zeilen schreibe zieht an mir die dunkle Landschaft zwischen Essen und Frankfurt vorbei. Meine Gedanken wandern vom eigentlichen Inhalt des so enthusiastisch gepriesenen Lesestoffs meiner Reise zurück ans College zum Autor selbst, der Experimental Psychologie in den USA studiert hat. Und das ist nun zufällig auch genau mein Wunschstudienfach.  Ein paar Synapsen, ein paar Interaktionen von Neuronen später ist der Entschluss gefallen, dass ich ich euch Lesern etwas mitteilen möchte, was im Netz sicherlich schlecht aufgehoben ist, aber dennoch UWC in ein weiter nuanciertes Licht stellt, was immerhin die Absicht ist, die hinter meinem kontinuierlichen Bloggen steht:

 

Im Oktober habe ich mich an der Universität Oxford um einen Studienplatz für das Fach Experimental Psychology beworben. Im November folgte eine Einladung zum Vorstellungsgespräch während der Ferien (welche laute Schreianfälle, ein sinnloses Rumgehüpfe auslöste und das Gefühl, fett Glück auf der Stirn stehen zu haben). Die interessanten Interviews wurden abgelöst von gespanntem Warten, wenn nicht auf Nichts, dann wenigstens auf Wenig  basierenden Mutmaßungen und schließlich fast schon panischem e-Mailabrufen. E-Maillesen am 21.12.2010. Die Realisierung, das dort fast wörtlich stand: Congratulations, St. John’s College Oxford will make you an offer. Was so viel heißt wie: Ja, wir wollen dich! (Die Realisierung war wiederum gefolgt von einem unbeschreiblichen Drang, mich der Welt mitzuteilen. Aus Mangel an anwesenden Verwandten wurde rasch das Telefon geschnappt und das Adressbuch runtergescrollt, bis dass ich bei meiner Patentante ankam, nicht nur aber auch weil ihr Nachnahme mit B beginnt…) Die doch recht wage Aussage "Will be making you an offer" war dann erneut von ungeduldigem Warten auf konkretere Informationen gefolgt. Was für einen Abiturschnitt würde erwartet werden? 45 Punkte sind ziemlich unmöglich zu erhalten, aber wer konnte sich schon ausmalen, was in den Köpfen der Verantwortlichen in Oxford vor sich ging? Gestern, nach einem besorgten Anruf bei UCAS und der Anfrage, ob denn bei dem Internetdienst, über den ich die Bewerbung gesendet habe, noch keine weiteren Informationen eingegangen seien, kam dann die ersehnte Nachricht: Mit 40 Punkten im IB bist du dabei! Bei einer Maximalpunktzahl von 45 ist das machbar und ich bin zuversichtlich, dass ich ab Oktober tatsächlich nach Oxford ziehe. Vorausgesetzt das lässt sich finanzieren (Ideen was Sponsoren und Stipendien angeht immer gerne an meine e-Mailadresse! )

 

Ab Montag bin ich wieder mitten drin im UWC-Leben. Ein letztes Mal, das war Eltern und Geschwistern am Bahnhof heute Nachmittag sonnenklar, hieß es Abschied nehmen von der Schülerin und das für den längsten Zeitraum während meiner zwei Jahre Norwegen, denn die Osterferien werde ich 2011 nicht mit meinen Eltern in Bergen verbringen. Anstelle von Sonnenbrille und Ferienlächeln werde ich im kommenden Frühling die Scheuklappen der Prüfungsvorbereitung aufsetzen. Das offizielle Schreiben aus Oxford, das mich in meinem Postfach am College erwartet, werde ich mir ausdrucken und als Motivationshilfe über meinen Schreibtisch hängen. Ich bin gespannt, ob auch mit dem handfesten Beweis für mein Potential bei mir nochmal das von vielen Mitbewerbern online zum Ausdruck gebrachte „Hogwarts-Gefühl“ eintreten wird.

 

Ich habe die Zeit mit meiner Familie genossen und viel Zeit mit ihnen und als Teil ihres „Alltags“ verbracht. Es ist für mich, und ich denke hier auch für andere UWC-Schüler sprechen zu können, nicht unbedingt leicht, sich wieder in einen Familienalltag zu integrieren. Der Resonanz meinen Eltern zur Folge scheint mir das aber im Laufe meiner stetigen Rückkehrten immer besser gelungen zu sein. Besonders mit meinen Großeltern lebte das auf, als wir wieder in unsere gewohnte und geschätzte Vorlesetradition zurückfanden. Ich habe liebend gerne „Die Panne“ wohl mehr vorgetragen als vorgelesen und ihnen, wie sie so schön sagen „das Fenster in eine andere Welt geöffnet und ein wenig frischen Wind in die Gehirne gepustet“. Sie sind so unglaublich dankbare Zuhörer, die sich mitreißen lassen in diese Welten aus Worten. Neulich war es Dürrenmatt, heute Morgen Fontane und während ich so vorlese, dehnt sich mein Verständnis des Werks aus, kommen immer neue Facetten und Assoziationen hinzu. Es macht mir viel Freude, mit meiner Stimme zu spielen. Vorlesen schult wohl nicht nur das Vortragen sondern nebenbei auch die eigenen Fähigkeiten, zu formulieren. Wenn  sie wie so häufig ihre eigenen Gedanken zum Gehörten äußern, bereichert das unser aller Leseerfahrung immens.

 

Das einem Freund gegenüber geäußerte Statement, ich würde am liebsten immer nur ein Buch lesen, um mich ganz und gar seiner Welt hingeben zu können, muss ich jetzt widerrufen. So lange eines der Werke ein richtiges „Schmankerl“ ist, eines, das einen wie noch ganz früher, als der Anspruch vielleicht niedriger war und das Gemüt leichter zufrieden zu stellen, zum Bücherwurm werden lässt ist, ist auch Pflichtlektüre leichter zu genießen. Im Englischunterricht lesen wir derzeit Huxleys „Brave New World“ und jetzt, da ich mich bis zum fünften Kapitel durchgearbeitet habe und einen Überblick über die vom Autor erdachte Zukunft bekommen habe gelingt es mir, meine eigene Welt, meine Weltanschauungen mit Huxleys schöner, neuen Welt in Verbindung zu setzen und dem Ganzen einen Sinn zu geben, der über die pure Handlung hinaus geht. Das ist mein Anspruch an Literatur - ihre Relevanz für mich als Leser und ich denke, dass jeder Leser über das simple Genussstadium hinaus lesen sollte. Ich verspüre immer wieder den Drang, auch selbst zu schreiben. Oft bemerke ich, dass ich meine Gedanken nicht einfach nur formlos wahrnehme, und sie weniger in Bildern als in Worten visuell vor mir erstehen lasse. Die richtigen Formulierungen kommen nicht selten kurz vor dem Einschlafen, wie zum Beispiel gestern Nacht beim Planen eines Bewerbungsschreibens für einen Sommerjob. Auch heute wieder, im Vorfeld des Entstehens dieses Tagebucheintrags waren viele der Sätze schon so erdacht, wie sie jetzt niedergeschrieben sind. Ein bisschen eifre ich also Steven Pinker nach und ganz tief in mir drin wächst der Wunsch, eines Tages mit dem Psychologieprofessor in den Staaten zusammen zu arbeiten oder wahrscheinlich eher eine Weile für ihn zu arbeiten.

 

Noch genieße ich allerdings das so geschützte Umfeld eines United World Colleges, in dem es Raum für kontroverse und idealistische Meinungen gibt und das mich nicht nur akademisch immer wieder herausfordert und an Grenzen treibt. Flekke, die Vierte. Das letzte Halbjahr im hohen Norden, noch ein Vierteljahr Unterricht und dann... ja, was dann? Fortsetzung folgt.

 

Angelika

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Mo

27

Dez

2010

It Never Will Come Back

Liebe Homepagebesucher!

 

Zwischen den Jahren finde ich nun ein wenig Zeit, um im Rahmen der AskAngelikaAktion eine weitere Frage zu beantworten:

 

Was haben deine Eltern denn dazu gesagt, als du ihnen eröffnet hast, dass du die letzten zwei Jahre - die man normalerweise noch Zuhause lebt - in einem UWC College verbringen willst?

 

Es ist meiner Meinung nach ungeheuer wichtig, Eltern von Anfang an in diese Überlegungen einzuweihen und an dem eigenen Entscheidungsprozess teilhaben zu lassen. Sie sind mehr als nur Geldgeber sondern haben neben finanziellen Fragen bestimmt auch ein großes Interesse am Konzept der United World Colleges und werden sich leichter überzeugen lassen, wenn du als Bewerber gut verstanden hast, worum es sich bei den UWCs handelt und erklären kannst, warum du dich dafür begeistern kannst. Begeisterung ist sowohl was die Überzeugung der Eltern als auch das zu wünschende Bewerbungsgespräch angeht ganz wichtig!

 

Für mich war UWC eine Möglichkeit, mich schulisch weiter zu entwickeln und da meine Eltern besonders anhand meiner schulischen Leistungen aber auch durch meine eigenen Schilderungen des Unterrichtalltags sehen konnten, dass ein Abitur in Deutschland mich nicht an meine eigenen Grenzen treiben würde wie es eine Ausbildung im Ausland möglicherweise täte, haben sie den UWC Gedanken unterstützt. Es war immerhin auch meine Mutter, die mich auf UWC aufmerksam machte. Wichtig war besonders meinem Vater, dass ich ihn mit konkreten Zahlen und Fakten versorgen konnte. In Retrospektive würde ich ihn noch viel intensiver am Entstehungsprozess dieses Projektes und nicht nur während der Realisierungsphase einbeziehen.

 

Liebe Eltern: Natürlich ist die Vorstellung, einen Sechzehnjährigen ziehen zu lassen, und das mindestens zwei Jahre eher als geplant, zunächst einmal ungewohnt und vielleicht eher abschreckend. Machen wir uns nichts vor: mit dem Aufbruch in die UWC-Welt zieht man in den meisten Fällen langfristig aus. Damit geht die Sicherheit eines Zuhauses, der direkte Einfluss der Erziehungsberechtigen auf den Minderjährigen zu großen Teilen flöten. Und doch ist die Sorge, den Jugendlichen einer Welt ohne Halt und erwachsene Ansprechpartner auszusetzen, unbegründet. Ich habe regelmäßigen telefonischen Kontakt mit meinen Eltern und Probleme lassen sich immer auch mit Hausmentoren oder Betreuungslehrern besprechen. Am College in Norwegen stehen die Türen der meisten Lehrer immer offen. Zu meiner Mentorin kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen. Ich bin sicher, dass jeder Schüler eine erwachsene Vertrauenspeson findet, sollte ein lebenserfahrender Gesprächspartner nötig sein. Den Abstand, den man als Internatschüler zum Elternhaus über die zwei Jahre hin gewinnt, habe ich nicht unbedingt als negativ wahrgenommen, sondern immer wieder auch als bereichernd besonders im Hinblick auf Gesprächsthemen mit Eltern, Verständnis für einige der elterlichen Entscheidungen, die vorher eher unverständlich, rätselhaft und verstörend waren und auch was kritisches Überdenken der vermittelten Werte und das Bilden einer eigenen Meinung anbetrifft. UWC ist eine Herausforderung, an der Ihre Kinder wachsen werden und die Ihre Beziehung zu Ihren Kindern wahrscheinlich bereichern wird.

 

Meine Mutter schreibt im diesjährigen Jahresbrief, einem Kommentar zur derzeitigen Lebenssituation, den wir als Familienbrief an Freunde und Verwandte schicken, dass die Diskussionen mit mir herausfordernder und manchmal auch problematischer geworden sind. Die Perspektiven, von denen aus wir besonders internationale Themen wahrnehmen, haben sich voneinander entfernt. Ich berufe mich immer wieder auf Schilderungen von Klassenkameraden wohingegen meine Eltern besonders Fernsehnachrichten und Zeitungsberichte als Informationsquelle nutzen. Ich denke, dass all die Erfahrungen, die ich während der zwei UWC-Jahre sammeln darf, ungemein bereichern und einmalig sind. Sie machen Gespräche reichhaltiger, lassen mich emotional wachsen, lassen uns Schüler immer wieder Grenzen austesten und geben uns Mittel und Möglichkeiten, Problematiken von verschiedensten Perspektiven aus zu betrachten.

 

Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die ich sowohl finanziell als auch mental von meinen Eltern erfahren darf. Eine UWC-Erfahrung wird wohl erst dann vollständig, wenn man sich darauf verlassen kann, dass zuhause in Deutschland eine Gruppe Menschen vollständig hinter einem steht und einen so gut wie möglich auf dem Weg, den man geht begleitet.


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Di

14

Dez

2010

It's all in my head

Lieber Homepagebesucher!

 

Momentan befinde ich mich in England. Mission Zukunft. Mission Universitaet. Im Laufe der letzten drei Tage stand ich permanent unter Strom, habe mich konzentriert und versucht, Professoren von mir und meinen Qualitaeten als Wissenschaftler zu ueberzeugen. Jetzt scheint alles getan zu sein, die Anspannung sollte eigentlich nachlassen, aber die ueberwaeltigende Muedigkeit, die sich mir langsam aufdraengt laesst mich endlich die Nervositaet verspueren, die ich erfolgreich verdraengt hatte. Dieser Ort scheint einfach nur unwirklich. Umgeben von den vermeindlich klugsten Koepfen der Nation wird mir klar, wohin mich UWC bisher getragen hat. Wer haette geahnt, dass ich einmal eine Aspirantin fuer einen Studienplatz an einer Eliteuniversitaet sein wuerde? Mein Vater meint, er haette sich das ja schon seit laengerem vorstellen koennen. Stueck fuer Stueck wird mir klar, wie aufmerksam und mit so viel mehr Lebenserfahrung manche Menschen an meinem Leben teilhaben, wie manche Menschen so viel mehr ueber mich zu wissen scheinen als ich selbst. Eben bekam ich eine e-Mail des Stiftungsbueros UWC, weil man dort mein Halbjahreszeugnis bekommen hatte. Es ist nicht hauptsaechlich aber auch diese Anerkennung, die mich antreibt.

 

Gerade wuensche ich mir nichts mehr, als eine Woche in die Zukunft spulen zu koennen, nicht Ablenkung sondern Klarheit ueber den Fortgang meiner Ausbildung zu haben. Kaum ist die Vorstellung hier gelaufen, draengen sich schon andere Themen auf: Eine Deutschpruefung um Weihnachten. Fontanes "Irrungen Wirrungen" entspricht was den Titel angeht meinem Gemuetszustand, inhaltlich will ich mich aber gerade ueberhaupt nicht mit den Klassenkonflikten des 19. Jahrhunderts auseinander setzten, romantischen Verstrickungen, der Aussichtslosigkeit, der Perspektivenlosigkeit einer Beziehung. Auch Heine, Lenau oder Moericke und ihr poetisches Reflektieren einer Nation im Umbruch sind unbefriedigend.

 

Ironischer Weise ist es "Lord of the Flies" und Goldings brilliante Darstellung einer kranken, meuchelnden Gesellschaft in Isolation, die mir und meinen ruhelosen Gedanken temporaer Zuflucht bieten kann.

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Di

07

Dez

2010

These Are the Days of our Lives

Aus Belgien kam eine Frage, die auf den ersten Blick vielleicht trivial scheinen mag, vielen UWC-Neulinge aber bestimmt unter den Fingernägeln brennt.

 

Kannst du einen normalen Tag von dir schildern? Wann stehst du auf, wann früstückst du? Welche Fächer hast du, ...

 

Ein normaler UWC-Wochentag beginnt für mich um 7:35 Uhr mit dem Klingeln meines Weckers. Heute Morgen riss mich der neue Klingelton meiner Mitbewohnerin schon zwanzig Minuten eher aus dem Schlaf, aber die Erfahrung lehrt mich, dass das Gehirn nach einer Gewöhnungsphase an derartige neue Geräuscht zu filtern lernt und nur noch auf den eigenen Klingelton anspringt! Eine interessante Beobachtung, wie ich finde!

 

Frühstück gibt es am College in Norwegen von 7:00Uhr bis 8:00Uhr und die "Kantina-People" wie wir Köche und Gehilfen hier nennen (Kantina ist norwegisch und heißt natürlich Kantine)sehen Schüler auch nur ungern außerhalb dieser Zeiten im Speisesaal. Meistens wird das Frühstück für mich Spätaufsteher also eine ziemlich kurze Angelegenheit - Yoghurt (eigentlich eher etwas, was Kefir näher kommt), vielleicht Müsli, und wenn man Glück hat bekommt man sogar noch etwas Orangensaft ab. Das ist aber um 7:55Uhr eher selten der Fall.

 

Der Unterricht beginnt um 8:00Uhr. Jede Stunde ist 70 Minuten lang (mit Ausnahmen wenn man Grundkurse hat, oder Leistungskurse vor der Mittagspause. Alles in allem variiert die Stundenlänge von 50 bis 80 Minuten). Das Stundenplansystem hier am College ist anders als in Deutschland und gefällt mir sogar besser. Man hat 7 Fächer, aber nur 4 Fächer am Tag. Es gibt 7 unterschiedliche Unterrichtstage, Day 1,2,3,4,5,6,7. Weil wir nur 5 Tage die Woche Unterricht haben, habe ich nicht an jedem Montag die gleichen Fächer, denn nicht jeder Montag ist Day 1, mit Englisch, Bio, TOK und Norwegisch. Diese Rotation im Wochenplan macht es unwahrscheinlicher, dass immer die selben Fächer von Ausfällen wegen Collegemeetings oder anderen Besonderheiten betroffen sind. Außerdem ist der Alltag so einfach ein bisschen abwechslungsreicher.

 

Nach der ersten Stunde haben wir von 9:10Uhr bis 9:35Uhr die sog. Knekkebrödpause (Kneckebrotpause - Frühstückspause). Viele Schüler gehen in die Kantine und essen das dort zur Verfügung gestellte Kneckebrot mit dem typisch norwegischen Brunost (Braunkäse - ein karamelliger, brauner Käse)oder Marmelade, trinken Milch, Kaffee, Wasser oder Tee. Manche verziehen sich für die 25 Minuten in die Bibliothek, die direkt unterhalb der Kantine liegt, um zu lesen, Material für die kommenden Fächer einzupacken oder noch schnell die letzten Hausaufgaben zu erledigen.

 

Es folgen zwei weitere Unterrichtsstunden mit einer kurzen Pause zwischendrin, und um 12:00Uhr (+/- 15 Minuten - das hängt vom Lehrer und davon, ob du vorher einen Leistungskurs oder einen Grundkurs hast ab)gibt es Mittagessen. In Norwegen essen eigentlich alle Schüler in der Schule, obwohl die norwegischen Schulen meistens keine Kantinen haben. Deswegen ist das Mittagessen traditionell eher kalt. Aber unsere Kantine hat sich im Lauf der Zeit an die internationalen Gewohnheiten der Schülergemeinschaft angepasst und serviert mittlerweile auch warme Speisen - meist Aufgewärmtes vom Vortag.

 

Um 12:50 Uhr beginnt die letzte Unterrichtsstunde, die bis 14:00 Uhr andauert. Das hört sich nach einem ziemlich kurzen Schultag an, nicht wahr? Nur ist es eben so, dass im Internationalen Abitur nicht nur der schulische Unterricht Teil des Programms ist, sondern auch die außerschulischen Aktivitäten zählen. Deswegen ist von 14:00Uhr bis offiziell 17:30Uhr sog. EAC-Zeit. EACs sind Extra Academic Committments, also AGs.Jeder Schüler muss in der Woche mindestens 2 und höchstens 4 EACs belegen. Sie variieren in Anspruch und Länge, dauern aber alle ca. 1-1,5 Stunden. Im Schnitt haben wir also wirklich weniger Verpflichtungen als in Deutschland. Natürlich stehen nach der Schule auch viele Hausaufgaben und andere Projekte an, die nicht als EAC zählen. Meistens nimmt das den ganzen Nachmittag in Anspruch und langweilig wird dir unter keinen Umständen!

 

Abendessen gibt es von 17:30Uhr bis 19:00Uhr und danach verschwinde ich meistens wieder in die Bibliothek zum Lesen, Recherchieren, Hausaufgabenmachen, oder einfach weil die Internetverbindung dort besonders gut ist. Auf den Zimmern ist das Netz so überlastet, dass man für ein dreiminütiges Youtubevideo ungefähr eine Stunde zum Laden braucht... ;-) In den vergangenen Tagen habe ich mich ab und zu aufraffen können und ein bisschen Sport im Trainingskeller im Rehabilitationszentrum nebenan gemacht. Die sog. TSK ist von 19:30Uhr bis 21:00Uhr geöffnet und für viele Schüler ein regelmäßig besuchter Ort. Wir sitzen hier ehrlich gesagt ein bisschen viel. Sport zu machen regt die Denkfähigkeit ja bekanntlich an. Ich sollte mir die 45 Minuten etwas häufiger gönnen.

 

Um 21:30Uhr gibt es in den Tagesräumen, vorausgesetzt sie sind sauber genug (...) den sog. Evening Snack (meist Toast mit Käse, Dienstags und Freitags aber Obst). Seine Abende gestaltet jeder Schüler selbst. Ich lerne meistens und gehe gegen Mitternacht (das wird hier "früh" genannt) ins Bett.

 

Die Freitagabende sind besonders schön, denn um 19:00Uhr ist Word Today und danach wird ein Film gezeigt. Unser Schülercafé Snikkarbua öffnet um 21:00Uhr. Am Wochenende brunchen wir von 11:00Uhr bis 13:00Uhr (für die ganz hungrigen gibt es vorher auch schon die Möglichkeit, Müsli zu bekommen)und am Samstag um 13:00Uhr trifft sich die Schülervertretung. Samstagabend findet in unserer Eventhalle "Höegh" eine kleine Party statt - d.h. es gibt Musik und viele überlastete IB-Schüler, die sich die Seele aus dem Leib hüpfen/tanzen. Anhand der Besucherzahlen dieser Party kann man ganz gut eruieren, wie die Stimmung am College gerade ist, ob große Prüfungen anstehen, ob man es lieber gemütlich bei einem Film hat, ob die meisten gegen 22:00Uhr schon schlafen... Kommt alles vor! Der Sonntag ist ruhig. Wer will, geht zum "Christian Gathering", die meisten schlafen lange. Hier muss jeder seinen eigenen Lebensrythmus finden. Es gibt genügend Schnittstellen unsere aller Alltäge, an denen man sich trifft. Manche arbeiten lieber nachts, andere lieber in den frühen Morgenstunden.

 

Es ist eine der großen Herausforderungen des Internatlebens, sich zu organisieren, Verpflichtungen nachzukommen und gleichzeitig genug Zeit zum selber einteilen zu finden.

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Mi

01

Dez

2010

Hey, Soul Sister

Jeder, der sich an einem UWC bewirbt wird früher oder später auf die Frage nach dem persönlichen sozialen Engagement stoßen. Sich aktiv für andere einzusetzen ist ein Kernaspekt der UWC Philosophie.

Über "AskAngelikaAktion" kam nun die Frage nach meinem sozialen Engagement vor meiner Zeit in Norwegen.

 

Ich würde gerne mehr über dein soziales Engagement (Schülervertretung etc.) vor UWC lernen!

 

Ich war zwar noch nie Mitglied einer Schülervertretung, bin in meiner Schule aber über mehrere Jahre ehrenamtlich als Tutor für Englisch, Mathematik und Französisch aktiv gewesen und habe jüngere Schüler beim Hausaufgabenmachen betreut. Außerdem habe ich in der 8. Klasse eine Englisch-Theater AG geleitet und über mehrere Jahre im Brötchenverkauf und bei der Essensausgabe in der Mensa geholfen. - Es sind auch diese kleinen Dinge, die zählen! -
Schwerpunkt meines sozialen Engagements war allerdings die Arbeit als Jugendmitarbeiterin meiner Gemeinde. Nach dem Konfirmandenunterricht habe ich eine Ausbildung zum Jugendleiter gemacht und sowohl währenddessen als auch anschließend Jugendgottesdienste organisiert. Außerdem habe ich die Jugendlichen der Innenstadtgemeinden meiner Heimatstadt in einer Art Gremium vertreten.
Ich hatte immer Schwierigkeiten, was meine Freizeit anbetrifft Prioritäten zu setzen. Trotzdem sind die oben genannten Verpflichtungen nicht alle gleichzeitig und kontinuierlich Teil meines Nachmittagsprogramms gewesen. Ich habe auch viele Hobbys gehabt, die nichts mit sozialem Engagement zu tun hatten: ich habe getanzt, Musik und Sport gemacht und hatte nachmittags ein Jahr lang Russischunterricht.
Es ist mir wichtig, bei der Gestaltung meines Umfeldes aktiv mitzuwirken. Hier am College hat man natürlich permanent die Möglichkeit und auch irgendwo eine Art Verpflichtung, sich sozial zu engagieren. Bei mir beschränkt sich das auf die Schülergemeinde selbst, aber viele meiner Mitschüler engagieren sich im Laufe ihrer zwei UWC Jahre und womöglich auch darüber hinaus bei Amnesty oder DROP, oder besuchen alte Menschen der Gemeinde. Manche arbeiten auch in einem Asylheim in der Nähe. Ich bereue es manchmal, diese Möglichkeiten nicht zu dem Ausmaße wahrgenommen zu haben, wie es mir möglich wäre. Aber ich denke, dass ich durch meine Arbeit als Tutor und mit der Organisation eines Diskussionsforums meinen Teil beitrage!

 

Danke für diese Frage! Viele momentane Bewerber scheinen auf meine Homepage zu finden. Ich wünsche euch allen alles Gute für den Bewerbungsprozess!

 

Angelika

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Do

25

Nov

2010

Von drauß' vom Walde komm ich her...

So viele Dinge haben mich heute Abend in Hochstimmung versetzt. Irina zum Beispiel hat eben von ihrem "Secret Santa" (wir Wichteln am College) geschwärmt, der ja eine so schöne Karte und heute Mittag einen Tannenzweig mit einem Stück Christstollen auf ihrem Schreibtisch, anbei die Worte: Das ist das Beste, was man in meinem Land in der Vorweihnachtszeit finden kann", hinterlassen hat.

Wenn sie nur wüsste, dass ich ihr Wichel bin. Hohoho!

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Do

25

Nov

2010

Power of not knowing

Fragen einer Aspirantin an eine Secondyear

 

1. Was hat die bis jetzt am UWC am meisten fasziniert und an was musstest du dich zu erst gewöhnen?

 

Faszinierend an einem UWC allgemein finde ich den umfangreichen kollektiven Erfahrungsschatz, den die Schülergemeinschaft birgt. Meine Mitschüler kommen aus so unterschiedlichen Lebenssituationen ans College, und haben ganz unterschiedliche Biografien. Das birg natürlich ein riesiges Potential für Klassendiskussionen, Projektarbeit und auch eine Menge Sprengstoff für das Zusammenleben auf engstem Raum. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich hier am College Freundesgruppen bilden, wer mit wem gut klar kommt, wer wie kommuniziert. Dafür ein Gespür zu entwickeln ist sicherlich eine Herausforderung, die zu meistern mich ungemein weiterbringt. Wir sind zwar auf eine gewisse Art und Weise Repräsentanten unseres jeweiligen Landes aber dennoch hauptsächlich als Individuen ausgesucht worden. Dass politische Diskussionen trotzdem zu Stande kommen, zwischenmenschliche Beziehungen manchmal geopolitische Verhältnisse widerspiegeln und dabei konstruktiv und wertschätzend oder zumindest tolerierender Natur bleiben, das fasziniert mich immer wieder. Obwohl hier so viele unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen, habe ich auch gelernt zu verstehen, dass diese UWC Idee manchmal die Welt auf die Vernunft des Einzelnen zu reduzieren scheint und nicht unbedingt im größeren, globaleren Format realisierbar ist. Ich weiß gar nicht so genau, woran ich mich besonders gewöhnen musste... Der UWC Alltag scheint schon in mein Blut übergegangen zu sein. Aber ich weiß, dass Selbstdisziplin und Organisation immer wieder eine große Herausforderung sind. Viele Stunden für die Schule oder außerschulisches Programm zu arbeiten, ist sicherlich etwas, an das sich jeder UWC-/IB Schüler gewöhnen muss. Das ging bei mir aber relativ schnell, denn ich arbeite sehr gerne und auch gerne hart. Am schwierigsten war es für mich, mit vier anderen Mädchen in einem Zimmer zu leben und das anhaltende Chaos zu tolerieren.

 

2. Wie war es, plötzlich so weit weg von deinen Freunden und deiner Familie zu sein?

 

Die Distanz zu meiner Familie hat mir anfangs keine großen Schwierigkeiten bereitet, denn ich hatte schon als 14jährige drei Monate als Austauschschülerin in Frankreich verbracht. Im Laufe des ersten Halbjahres jedoch, als man sich an alles zu gewöhnen schien, hatte ich immer wieder Heimweh. Es fehlt doch die Nähe und Sicherheit des familiären Umfeldes. Über den Sommer habe ich dann jedoch auch gelernt, dass ich was meine Ideale und Gewohnheiten betrifft, mich irgendwo auch von dem Leben meiner Eltern entfernt hatte. Als Secondyear hier her zu kommen, hat mir sehr gut getan. Auch wenn ich immer gerne an meine Familie zuhause denke und besonders jetzt in der Weihnachtszeit gerne mehr Zeit mit ihnen verbringen würde weiß ich, dass mein Platz momentan hier an einem UWC ist. Mit mehreren guten Freunden aus Deutschland bin ich nachwievor im Kontakt.

 

3. Gab es auch mal einen Moment an dem du deine Entscheidung bereut hast?

 

Meine Entscheidung an ein UWC zu gehen habe ich nie bereut. Jeden Tag bin ich dankbar dafür, all diese Erfahrungen machen zu dürfen. Sie sind auf keinen Fall immer leicht, aber sie bringen mich mit Sicherheit weiter.

 

4. Wie ist der Unterricht im Vergleich zu dem in Deutschland?

 

Ich hatte noch nie Probleme in der Schule und kann mit etwas Stolz sagen, dass ich auch hier zu den besten Schülern meines Jahrganges gehöre. Aber ich muss mehr Zeit in Hausaufgaben investieren als vorher. Englisch scheint am Anfang noch eine Barriere zu sein, wird aber im Lauf der Zeit selbstverständlich. Toll ist, dass die internationale Schülergemeinde den Unterricht sehr exotisch machen kann. Natürlich wirst du von Lehrern aus der ganzen Welt unterrichtet. Die Klassengruppen sind viel kleiner als in Deutschland. Manche meiner Mitschüler beschweren sich über die Engstirnigkeit des IBs was Bewertungsschemata und Lehrpläne betrifft. Aber ich hatte nie das Gefühl, weniger zu lernen als zuhause. Im zweiten Jahr kannst du viele deiner thematischen Schwerpunkte selbst setzen. Und zu wissen, was im Exam erwartet wird, hat ja auch Vorteile, oder? Wir haben hier in Norwegen übrigens jeden Tag nur bis 2 Uhr Schule, weil das extra-akademische Programm theoretisch zumindest ebenbürtig mit dem Unterricht sein sollte. Aber wie gesagt muss man viele, viele Stunden jeden Tag für Aufsätze, Referate, Recherchearbeit, Lesen usw. aufbringen... Ein Nachteil ist vielleicht, dass das Kursangebot im Vergleich zu Deutschland recht beschränkt ist.

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Mi

24

Nov

2010

Touch a new day

Ich frage mich, warum ich noch nicht jubelnd durch den Schule renne. Wahrscheinlich aus Respekt vor denjenigen, die noch nicht ganz mit ihrer Arbeit fertig sind. Und wahrscheinlich auch, weil mich eine schlimme Erkältung momentan eher auf Sparflamme laufen lässt. Nichtsdestotrotz habe ich es dem IB in diesem Habjahr genügend gezeigt. Ich erinnere mich noch daran, wie mir der Gedanke an das erste Halbjahr des zweiten UWC Jahres ein wenig Angst eingejagt hat. Zurecht, denn ich hatte wirklich einen riesigen Berg an Arbeit zu beweltigen. Aber nun ist es erst einmal vorbei. 17.520 Worte wurden in diesem Schuljahr bisher von mir offiziell für mein Internationales Abitur eingereicht. Die Weihnachtsferien sind in greifbarer Nähe und beginnen offiziell am Nachmittag des 8.12. Bis dahin stehen noch so viele wunderschöne Dinge auf dem Programm, die ich in vollen Zügen gneießen werde. Weil in diesem Jahr ganze 6 Schüler Deutsch als "Quasi-Muttersprache" haben, habe ich ein recht umfangreiches Voweihnachtsprogram für uns initiiert: Heute haben wir die ersten Päckchen an einem gemeinschaftlichen Adventskalender geöffnet (Bilder von diesem lustigen Nachmittag werden später hochgeladen). Es ist so schön zu sehen, dass die anderen 5 sich auf so viele Dinge einlassen wollen, eigene Ideen haben und sie umsetzen und überhaupt eine so tolle Gruppenatmosphäre herstellen. Am Sonntag werden wir bei Maret, der Partnerin eines Mathelehrers, die selbst ehemalige deutsche Stipendiatin des Colleges ist, ein Knusperhäuschen backen. Ich habe heute schon ein Rezept für den Teig gefunden (es lebe das Internet!) und Schablonen gebastelt. Ich versuche, meine Zeit jetzt in derartige Dinge zu investieren, denn nichts zu tun fühlt sich einfach noch ziemlich falsch an. ;-)

Am zweiten Advent werden wir dann Kekse backen und basteln und dann den zahlreichen Deutschlernern des Colleges eine Nikolausüberraschung im Postfach hinterlassen. Meine Mutter hat mir ein Adventspacket auf den Weg geschickt, aber dummerweise wurde es vom Postbeamten falsch frankiert (man könnte meinen, ein Postbeamte müsse wissen, dass Norwegen NICHT in der EU ist...) und jetzt warte ich gespannt und auch ein bisschen wehmütig darauf, dass es seinen Weg nach Flekke trotzdem findet. Es ist so unbeschreiblich wichtig für mich, die Vorweihnachtsstimmung von Zuhause auch hier aufleben zu lassen. Ohne die richtigen Gerüche wie Tannennadeln und Keks mag das Weihnachtskribbeln nicht aufkommen. Zugegeben, es ist auch erst Ende November. Aber dennoch! Wenigstens der Schnee draußen, und die beißende Kälte (minus 10 schon seit Wochen) könnten ihren Teil beitragen, aber diese Bilderbuch-weihnachtlichen Elemente sind hier leider schon seit Mitte Oktober zum Alltag geworden sind.

 

World Today hatte übrigens letzten Freitag einen kleinen Tiefpunkt als eine Diskussion über China und Menschenrechte etwas in eine Konfrontation der Tibeten mit den Chinesen "ausartete". Ich hatte leider komplett die Zügel den Firstyearmitgliedern der Gruppe in die Hand gegeben und war das erste Mal gar nicht hingegangen. Fehler, wie sich im Nachhinein rausstellt. Fehler, die wohl jeder mal machen muss. Aber es hat mir gezeigt, dass ich intensiveres Moderationstraining für interessierte Firstyears geben muss wenn ich sicherstellen will, dass die nächste World Today Saison so erfolgreich wird, wie die diesjährige. Zum einen ist es natürlich ein befriedigendes Gefühl wenn man sieht, dass eine ganze Veranstaltungen auf meinen Schultern aufgebaut ist. Aber Erfolg kann wohl nur dann wirklich eintreten, wenn diese Verantwortung geschickt an andere weitergegeben wird und der Erfolg somit andauernd ist und mehrere Generation über anhält.

 

Jetzt freue ich mich auf ein gemütliches Teestündchen mit meinem italienischen Firstyear Marco!

 

Ciao

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Sa

13

Nov

2010

Hier und jetzt...

Sommer ist was in deinem Kopf passiert.

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Mi

10

Nov

2010

Who Says

Der Mann, der jeden Tag mit dem Pferd am Fenster des Geschichtsklassenzimmers vorbei geht heißt Odd. Wie heißt sein Pferd?

 

Yvonne aus Hong Kong wird in den Weihnachtsferien nach Finnland reisen und am Polarkreis den Weihnachtsmann besuchen.

 

Mein EE-Supervisor denkt, dass ich die Bestnote für meine Facharbeit kriege. Jetzt fehlen nur noch mein Lab Report und mein TOK Referat und dann landet meine ToDoListe im Mülleimer.

 

Gestern Nacht um halb drei glitzerte die Welt wie nie zuvor. Es ist so kalt, dass sich auf dem Schnee neue, große Eiskristalle bilden. Die Nacht war sternenklar.

 

Warum schlafen Firstyears in der Bibliothek ein?

 

Tangut hat Spaghetti in die Bibliothek gebracht. Es duftet.

 

21-25 millionen Amerikaner zählen als Analphabeten. Und wer zählt noch mal nach?

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Di

09

Nov

2010

I'd Rather Dance With You

Red Cross Nordic United World College ist nicht nur UWC, sondern auch eine IB Schule. Jetzt scheint es einen Augenblick lang so, als würde "IB" die Luft anhalten, in der Schwebe hängen, während "UWC" gemächlich seinen Weg weitergeht. Es sind Novemberferien. Ich habe mich in diesem Jahr für einen Aufenthalt auf dem Campus entschieden. Zugegeben: "IB" zu ignorieren, macht mir ein bisschen Angst und ich hoffe, während der unterrichtsfreien Phase unter anderem an meinem TOK Referat, einem Englisch Referat und einem Bio Lab report weiterarbeiten zu können. Gleichzeitig finde ich auch Zeit und Muße für gemütliche Stunden mit Freunden. Scheinbar hat sich das College temporär in ein Kino verwandelt. Ab 20:00 Uhr kann man quasi von Zimmer zu Zimmer wandern und sich dem Genuss des Hineintauchens in eine virtuelle Welt hingeben. Vorgestern wurde ein Disney-Movie-Marathon veranstaltet. Es ist lustig zu sehen, wie Disneyfilme in der ganzen Welt geschaut werden. Es hat mich fast ein bisschen überrascht, dass ich abgesehen von König der Löwen und Das Dschungelbuch keinerlei Disney - Zeichentrick Erfahrung habe... Kein "Tarzan", "Cinderella", "Die kleine Meerjungfrau", "Mulan", "Aladin" etc. Nun, ich würde nicht unbedingt sagen, dass nach Mulan 1 und Mulan 2 dieser Rückstand eingeholt wurde, aber das werde ich wohl verkraften können. Es ist interessant zu sehen, wie die Werte, die Disneyfilme vermitteln in die unterschiedlichsten Gesellschaften mit den unterschiedlichsten Wertekanones integriert werden können. Verwunderlich ist es weniger, denn die Themen, die ein Disneyfilm abhandelt sind häufig univesell, wie zum Beispiel Liebe, Familie und der Sieg von Gut über Böse. Natürlich orientieren sich verschiedene Disneyfilme auch an einer Reihe unterschiedlicher kultureller Zielgruppen.

Im Hinblick auf viele weniger universelle Werte sind wir weit entfernt von einem Konsensus. Mir persönlich wird das immer wieder während meiner Arbeit mit der World Today Gruppe klar. Vor einigen Wochen hatten wir ein World Today zu der Frage "Was ist der beste Weg in die Zukunft für West Sahara?" und anlässlich dieser recht groß angelegten Veranstaltung hatten wir Gastredner aus Marokko und aus West Sahara eingeladen. Ich kann kaum beschreiben, wie viel Zeit und Nerven es gekostet hat, das zu organisieren. Das größte Problem stellten die Marokkaner dar, die sich offenbar viel zu spät um ihre Visa gekümmert hatten und deswegen nicht kommen konnten (was uns ungefähr 24 Stunden vor dem eigentlichen Event endgültig mitgeteilt wurde). Wie leitet man ein Diskussionsforum, dass so gerne neutral sein möchte und ausgeglichene Diskussion fördern will, wenn nur eine Partei in einem Konflikt vertreten ist? In diesen Tagen standen mir häufig die Haare zu Berge. Es hat mich wütend und traurig gemacht, so deutlich zu sehen, dass wir hier in unserer Seifenblase leben, die zwangsläufig im Mai zerplatzt und uns unsanft auf den Boden der Tatsachen hinsichtlich Diplomatie und Völkerverständigung bringt.  Es hat mir aber auch gezeigt, dass wir bei den Kindern anfangen müssen, sie an einen Abendbrotstisch setzten müssen, wenn wir wollen, dass sie die wahre Absicht entwickeln, sich mit Konflikten auseinander zu setzen.

Zum Schluss hatten wir dennoch eine recht gute World Today Sitzung, während der wir das erste Mal in der RCN Geschichte (soweit ich weiß) einen Gastredner per Skype zugeschlaltet hatten. Inhaltlich verloren sich besonders die Gäste aus West Sahara  immer wieder in Diskussionen über "die Wahrheit" und kamen ganz unerhört stark von Thema ab, aber auch das zeigte uns Schülern deutlich, was Konfliktlösung erschwert: Der Fokus auf die Vergangenheit und nicht auf die Zukunft.

 

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Fr

15

Okt

2010

Colors

So viele schöne Dinge sind in den letzten Wochen passiert!

 

1. Ich habe den Polarstern am Flekkehimmel gefunden.

2. Ich habe Nordlichter gesehen!!! (Ja, das verdient drei Ausrufezeichen)

3. Ich habe Mails von den britischen Unis bekommen, die bestätigen, dass meine Bewerbungsunterlagen angekommen sind. Seltsames Gefühl!

4. Ich habe heimlich im Silenthouse Musik gehört - spät abends um 11 mit Frederik.

5. Ich bin (fast) mit meinem Geschichtsaufsatz fertig (und ich muss schon wieder zum Wortmeuchler werden! )

6. Heute bin ich um 16:45 Uhr in den 9 Grad kalten Fjord gesprungen.

7. Ich habe während meiner Projektwoche so viel getrommelt, dass ich blaue Flecken an den Fingern habe (das ist an sich vielleicht nicht gut, aber zeugt von intensivem Spaß).

8. Ich habe jeden Tag ausdauernd Klavier (Beethoven, op.1 no.1) geübt und es als herrlich entspannend erlebt.

9. Ich habe mehrere Stunden in der Oktobersonne auf "der Insel" verbracht und Literatur analysiert. Kein Ort ist magischer, unberührter und inspirierender.

10. Ich habe einen Brief geschrieben, der den Empfänger unglaublich glücklich gemacht hat.Yei!

 

Jetzt ist Samstag, die Projektwoche ist vorbei, es ist stockfinster draußen - von Sternen und den Mond mal abgesehen. Ich sehne mich nach Hause, denn es geht hier zeitweise ziemlich auf und ab, sowohl seelisch als auch körperlich. Die kalten Tage haben wieder angefangen und meine Füße gehen in ihren Winterschlaf, was bedeutet, dass sie ihre Temperatur runter fahren. Da helfen keine Wollsocken mehr und mein Wärmekissen scheint auch den Geist aufgegeben zu haben. Aber ich finde immer wieder wärmende Momente, Dinge die mich glücklich machen. Oft ist es Musik. Ich habe in den vergangenen Monaten hier in Norwegen so viele unterschiedliche Künstler kennen und schätzen gelernt, bin mitlerweile ein eifriger Spotifynutzer (funktioniert leider nicht in Deutschland)und regelmäßig erweitert sich mein Weihnachtswunschzettel um CD-Titel. Sonntag stelle ich mich das erste Mal selbst auf die Bühne und singe, was mich überraschenderweise einiges an Überwindung kostet. Jeden Tag schließe ich, keeper of the keys, die Garage auf, in der unserer Steinwayflügel steht und verschanze mich immer häufiger für mehrere Stunden in diesem Kabuff. Gerade komme ich von einer dieser Übungsstunden zurück. Es scheint, als habe ich endlich meinen Rückzugsort gefunden!!

Das Wetter war so gut in der letzten Woche, dass ich mich alles in allem in einem Hoch befinde. Meine Gedanken kreisen nicht mehr permanent und panisch um die Arbeit, die noch bevorsteht, sondern ich finde Zeit, mich gedanklich nebenbei mit anderen Dingen zu beschäftigen. Ich mag es, die Menschen um mich herum zu beobachten und es macht mich froh zu sehen, wie so viele der Secondyears einen Platz in unsere Mini-Gesellschaft gefunden haben. Die Aufgaben scheinen sich ganz natürlich verteilt zu haben. Tiffany aus Hong Kong leitete Musikprojekte, Katie insziniert ein Theaterstück, Motaz und Matthew haben sich um das Internet im K-Building gekümmert, Jezko weist die Firstyear DJs ein. Wir scheinen alle ein Stück weit angekommen zu sein.

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Mi

29

Sep

2010

Can't hold us down

Es ist Ende September. Ich habe dem Ende des Sommers skeptisch und fast schon ein bisschen panisch entgegen gesehen. Deadlines. Morgen gebe ich meine Unibewerbung ab. Ich bin so aufgeregt wenn ich daran denke. UCAS (Das System hab ich bestimmt an anderer Stelle schon erläutert?! Es geht um die Bewerbung an 5 britischen Unis.) will meine Zeugnisse, einen Aufsatz, ein Empfehlungsschreiben und alle persönlichen Daten  bis zum 15.Oktober, denn ich schiele da zu einem Studiengang an einer bestimmten, bekannten englischen Uni, die es sich vorbehält, die ersten Bewerbungen überhaupt zu bekommen. Die können sich das leisten. Das Universitäten-Büro der Schule erwartet meine Unterlagen 2 Wochen vor dem offiziellen Bewerbungsschluss, um genügend Zeit für eventuelle Rückfragen und Änderungen zu haben. Das hat man sich hier am UWC so angewöhnt: Man gibt den Schülern einen Abgabetermin vor, der weit vor dem offiziellen liegt, denn man hat mitlerweile gelernt, dass Schüler gerne trödeln und solche Pufferzeiten den"Kurz vor dem Lokus in die Hose"-Effekt verringern. Für mich ändert sich nichts. Ich liebe Deadlines. Ich liebe das Gefühl der Genugtuung, wenn ich rechtzeitig fertig bin. Wenn ich etwas abhaken kann. Heute habe ich zwei ganz entscheidene Häckchen setzen können! 1. Ich habe mein Theory of Knowledge (TOK) Essay planen können und das sog. Outline mit meinem Lehrer besprochen. Dieser Aufsatz ist Teil meines Abiturs und wird sich mit folgener Aufgabestellung beschäftigen: "Models are simplified representations of some aspect in the world. In what ways may models help or hinder the search for knowledge?" Hör sich einfach an? Nun ja. Nach einem Jahr TOK habe ich gelernt, und ich zitiere hier meinen Mathelehrer,"im Angesicht des Offensichtlichen ganz besonders vorsichtig zu sein."

2. Ich habe meine Unibewerbung abgeschlossen. Das läuft alles online und als ich in der Rubrik "Choice of University and Course" (Wahl der Universität und des Kurses) auf "Section completet" (abgeschlossen) geklickt habe und sofort ein kleines rotes Häckchen auf dem Bildschirm erschien, wurde ich schon etwas nervös.

Ich habe mich jetzt also entschieden, Psychologie zu studieren. Ob "Management und Psychologie", "Soziologie und Psychologie" oder einfach nur "Psychologie" ist noch offen. Die ersten Zwischenergebnisse, mögliche Einladungen zu Interviews, stehen im November an. Ob das das richtige für mich ist? Kommt Zeit, kommt Rat. Das Fach interessiert mich jedenfalls brennend. Aber natürlich bin ich mir unsicher, habe Zweifel und wage es kaum, zu hoffen, tatsächlich irgendwo angenommen zu werden. Aber im Lauf der letzten Monate ist mir klar geworden - und Gespräche mit meiner Freundin Josie aus England haben mich da um einiges weiter gebracht - dass es keinen Sinn hat, immer drei Schritte voraus zu planen, dass manche Dinge einfach auf einen zukommen, und man keinen Einfluss darauf hat. Es ist unglaublich ermüdend, immer nur für die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu arbeiten. Und macht auch nicht immer Sinn. Ich bin etwas gelassener geworden. Nicht etwa weniger ehrgeizig, aber weniger verbissen.

Ich bin gut gelaunt und spüre, dass nicht nur das Wetter ein Hoch hat. Till Eulenspiegel würde jetzt schon wieder an das nächste Tief denken. Solche Gedanken verdränge ich schnell. Was will ich denn mehr? Ich bin mit meinem Englischaufsatz fertig, der bis zum 10.10. eingereicht werden soll. Ich bin mit meinem TOK Outline fertig, dass bis zum 1.10. eingereicht werden muss. Ich bin mit meiner Bewerbung fertig, die bis zum 15.10. abgeschickt werden soll. Was will ich denn mehr?

Es bleibt Zeit für die Organisation von World Todays, Zeit zum Lesen (Focus, Bild der Wissenschaft, Zeit, gestern durch Zufall eine deutsche Cosmopolitan, "The Wars" von Timothy Findley), Zeit für einen langen Brief an meine kleine Schwester. Der Biotest heute ist gut gelaufen und ich konnte meine Lernphase im Biolabor gestern tatsächlich 20 Minuten für eine Folge "How I met your mother" (eine amerikanische Serie) unterbrechen. Ein Mitschüler hat sie auf großer Leinwand in einem der Naturwissenschaftsräume gezeigt und aus allen Löchern kamen mehr oder weniger müde, fleißige Schüler, die sich eine Pause gönnten und gemeinschaftlich die Komödie genießen wollten. Herrlich. Diese Woche ist ein guter Ausgleich für die ziemlich stringent geplanten letzten Wochen, während der ich sehr effektiv war. An meinem EE muss ich tatsächlich nur die Einleitung etwas verändern, die Sprache überarbeiten und einige Worte kürzen. Ich hatte mir das schwieriger vorgestellt. Meine Secondyears waren vor einem Jahr völlig gestresst und drohten, im Strom aus Deadlines zu ertrinken. So wie wir damals, machen sich meine Firstyears jetzt darüber lustig, dass wir Secondyears alles dramatisieren würden. Tun wir auf gewisse Art und Weise manchmal auch. Aber in jedem Mythos steckt auch ein bisschen Wahrheit: Das zweite Jahr UWC ist schulisch viel intensiver als das erste. Aber wenn man sich die Zeit gut einteilt, dann hat man sogar Zeit für Tagebucheinträge! :-)

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Mi

15

Sep

2010

Goodbye yellow brick road

Elton John und "Der Zauberer von Oz". Eine seltsame Kombination, aber geht nicht gibts nicht. In seinem Song "Goodbye yellow brick road" greift Elton John das Bild des gelbgepflasterten Wegs, den Dorothy und ihre Freunde auf der Suche nach dem Zauberer von Oz gehen, auf. Wir alle gehen diesen Weg und hoffen am Ende einen Zauber zu finden, dabei sagt ein vielzitiertes Sprichwort "Das Glück muss entlang des Weges gefunden werden, nicht am Ende der Straße." Ja, auch ich besitze eine dieser bunten Postkarten mit dem Sprüchlein. Letztes Jahr hing sie wie eine Ermahnung in meinem Bett, aber in diesem Jahr habe ich sie noch nicht wieder ausgepackt. Es ist wohl langsam an der Zeit, denn ich verbringe große Teile meiner Zeit damit, für ein größeres Ziel zu arbeiten, und das kostet viel Energie. Ich bin bereit diese Energie aufzubringen. Wäre ich es nicht, hätte ich mich nicht für ein UWC bewerben sollen.

 

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg in Richtung Abschluss ist jedenfalls heute Morgen getan worden: Ich habe die erste Version meiner Facharbeit eingereicht. Sie wird wohl noch gekürzt werden müssen und ich habe sie dem zuständigen Lehrer mit den Worten "Don't kill it, please!" überreicht. Ein gutes Gefühl. 18 saubere Seiten, noch ohne Korrekturen, Kaffeeflecken und Eselsohren. Ein griffiger Stapel Papier, voller (mehr oder minder) schlauer Worte.

 

Zeit zum Luftholen bleibt nicht. Heute wird für die Geschichtsarbeit gepaukt, ein Essay geplant, eine World Today Präsentation vorbereitet. Viva la vida!

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Fr

03

Sep

2010

Touch a new day

Die letzten Sommerferien - als kleines Mädchen bemitleidete ich die 12.Klässler, die sich am Ende des Schuljahres in ihre "letzten" richtigen Sommerferien verabschiedeten. Damit, so schien mir, schlossen sie eine Ära ab, eine Tür fiel unvermeidlich in ihr Schloss und verwehrte jedem den Zutritt zu der heilen Welt eines Schülers. Mit dem Beginn der letzten Sommerferien veränderte sich der Rhythmus eines Schuljahres. Es schien ins Leere zu laufen, trotz der Abschlusszeugnisse.

Heute geht es mir immer noch ähnlich, wenn ich mir vor Augen führe, dass auch ich in die letzten Sommerferien gegangen bin. Es werden Ferien folgen, ja, aber heißen sie dann "Semesterferien" oder "Urlaubstage", sie werden anders gefüllt sein und anders erlebt werden.

Ich blicke zurück auf 8 Wochen, die ich sehr eigenständig gestaltet habe. Diese erlebte Unabhängigkeit habe ich genossen, denn über das letzte Jahr habe ich einen eigenen Lebensrhythmus entwickelt und besonders bei der Entscheidungsfällung zunehmend weniger Abhängigkeit von Ratschlägen und Kommentaren verspürt.

Nun bin ich seit einigen Tagen wieder in Flekke, und das Gefühl von Eigenmächtigkeit kommt zurück. Ich bin jetzt ein Secondyear. Groß. Von den Firstyears geachtet. Ich denke, dieses Jahr kann ein ganz herrliches werden. In meinem Jahrgang sind viele sehr aktive Schüler, und auch die Firstyears scheinen begeisterungsfähig zu sein. Beim Mittagessen ließ ich eben den Blick über die Tische schweifen und stellte zufrieden fest, dass sich die Jahrgänge besser mischen als im vergangenen Jahr. In diesen Tagen kommen viele Erinnerungen wieder ans Tageslicht, die im Laufe des vergangenen Schuljahrs langsam aber sicher im Unterbewusstsein einstaubten. Das erste Collegemeeting. Die Graphik, die die Werte eines UWCs darstellt. Die Subject Fair, wo alle Fächer vorgestellt wurden. In diesem Jahr war ich besonders bei letzterem involviert und habe das Fach Nynorsk ab initio vorgestellt. Norwegisch für Anfänger sieht neben Spanisch ab initio immer ein bisschen blässlich aus. Ich entwickel ein richtiges Faible für die Sprache, von der keiner gehört hat und die nur so wenig Menschen schreiben. Sprechen tut jeder Norweger ohnehin wie ihm der Kopf gewachsen ist.

Dieser Tage denke ich viel darüber nach, ob und wie ich UWC im letzten Jahr gelebt und in die Tat umgesetzt habe. Es kommt das Gefühl auf, dass ich mich sehr auf mich selbst konzentriert habe. Dass bei allem, was ich gemacht und gedacht habe, doch der eigene Körper und die eigene Seele im Mittelpunkt standen. Diese Erkenntniss gruselt zunächst, denn wird in unserer Gesellschaft nicht die Selbstlosigkeit ganz besonders hoch gehandelt? Allerdings empfinde ich es als wenig beschämend, die eigene Rolle auf dieser Welt zu erforschen. Der Prozess kann ja durchaus Mitmenschen miteinbeziehen und zu ihrem Vorteil sein.  Dieses Schema "UWC Mission" - es hängt in unserem Zimmer aus - geht mir nicht aus dem Kopf. Alles dreht sich um die neun Kernwerte. Ich erspare mir eine Übersetzung ins Deutsche.

 

1.International and intercultural understanding

2. Exemplary, personal action

3. Personal Challenge

4. A sense of idealism

5. Heightened interaction with the environment

6. Compassion and service

7. Mutual responsibility and respect

8. Personal responsibility and integrity

9. The celebration of difference

 

Mein Lieblingswert? Personal Challenge, also die Herausforderung der eigenen Werte, Fähigkeiten, Gewohnheiten. Das habe ich im vergangenen Jahr permanent getan. Alleine schon, sich auf einen neuen Ort einzulassen, an einem neuen Maßstab zu messen, Verantwortung für eine ganze Gruppe zu übernehmen und die Angst des Versagens zu verdrängen ist ein anstrengender und doch so beflügelnder, beglückender und befriedigender Prozess! Mir ist es wichtig, voran zu kommen, nicht stehen zu bleiben. Welcher Fortschritt kommt ohne das Infragestellen von Normen und Regeln zustande? Wie oft habe ich schon davon geträumt, meinen eigenen Körper zu verlassen und mir einen Tag lang zusehen zu können. Der Mensch entwickelt Ideen, wenn er den geraden, bereits gepflasterten Weg verlässt, und entdeckt, dass sich hinter seinen Scheuklappen ganz neue Möglichkeiten verbergen. Blöd, dass die eigene Bequemlichkeit auch mir so oft im Wege steht.

 

Die vergangenen Tage waren in der Tat eine große Herausforderung und ein Ende ist keineswegs in Sicht. Es treibt mich zeitweise bis an den Rande der Verzweiflung zu wissen, wie viel schulische Arbeit ansteht, wie viel davon abhängt und wie hoch die Kosten sind. Hausaufgaben sind nebensächlich geworden, im Mittelpunkt stehen große Facharbeiten, Aufsätze, Unibewerbungen etc. Was kostet es mich, jeden Tag unzählige Stunden hochkonzentriert über Büchern und am Computer zu verbringen? Die Opportunitäskosten sind hoch, man kann sie auf vielerlei Art und Weise berechnen. Ich könnte so viel Zeit mit Freunden verbringen, könnte mich auf "celebration of difference" konzentrieren, mich mehr auf fremde Kulturen und Biografien einlassen. Darum geht es im UWC doch eigentlich. Und doch priorisiere ich es, möglichst schnell meinen Pflichten nachzukommen um dem Druck unerledigter Arbeit zu entfliehen. Es ist ein bisschen wie das Schwimmen gegen den Strom und oft frage ich mich, ob es das Wert ist. Ich möchte, dass das was ich mache gut ist, meinen Ansprüchen genügt, und die sind hoch. Es geht hierbei nicht nur um akademische Leistungen, sondern auch um meine Qualitäten als Leiter einer World Today Gruppe, als Organisator von Diskussionsforen, als Tutor für die Fächer Norwegisch, Englisch und Biologie, als Secondyear. Ich muss gestehen, dass es mir nicht leicht fällt, zu entspannen, die Füße hochzulegen und die Dinge laufen zu lassen. Aber ich entwickle Strategien, um mich zu entspannen, sei es bei einer Tasse Tee, an der frischen Luft, im Gespräch mit Klassenkameraden und Freunden oder bei einem German Gathering, wie wir es Mittwoch hatten. Ich übernehme gerne Verantwortung. Vielleicht ab und zu ein bisschen zu viel.

 

Und doch: Die harte Arbeit trägt Früchte. Die erste World Today Präsentation, die gerade gehalten wurde, war sehr erfolgreich, das von mir entwickelte neue Format hat ganz ausgezeichnet funktioniert und die Gruppe hat toll zusammengearbeitet. Gestern habe ich das erste Meeting mit den Firstyears geleitet und vorher eine Agenda ausgeklügelt, dank der wir wirklich voran gekommen sind. Dank effizienter Arbeit blieb viel Zeit für Fragen der Neuzugänge, die sogar schon konstruktive Themenvorschläge für zukünftige Präsentationen beitragen konnten. Diese Art und Weise der Organisation liegt mir sehr.

 

Am Wochenende kriegen wir Besuch von Vertreten englicher Universitäten aus London und einem Experten für Bewerbungen in England. Samstagabend steht die fabulöse Secondyearshow auf dem Program - ich spiele Klavier. Die Tage haben nur 24 Stunden und sind doch so vollgepackt mit Proben etc.

Gestern habe ich viel Geld für ein Konzert in Dale ausgegeben. Ein achtköpfiger Männer"chor" aus Russland war gekommen und hat sehr interessante (*räusper*) Musik gemacht. Der erste Teil des anderthalbstündigen Konzerts beinhaltete hauptsächlich russische Kirchenmusik. Barbara und ich saßen ganz vorne und wurden von der Lautstärke eher negativ überrascht. Was für ein Volumen... Die Intonation der Gruppe war ziemlich grauenhaft, aber wenn man sich in UWCmanier darauf einließ und das ganze als Kulturevent einordnete, war es sehr unterhaltend. Besonders der zweite Teil hat Spaß gemacht. Nun wurden Volkslieder aufgeführt. Das entsprach schon mehr dem Können der Sänger, die übrigens ganz groß von einer deutschen Firma rausgebracht werden sollen. Mir war eigentlich von Anfang an klar, dass künstlerisch nichts Großes zu erwarten war, denn wir befanden uns immerhin in Dale (...) aber ich habe dennoch 20 Euro ausgegeben um dem ewig gleichen Umfeld RCNUWC zu entfliehen und meinen Sinnen neues Futter zu geben. Mission erfolgreich, und mein Norwegischlehrer Kare, meine Klassenkameradin Barbara und ich hatten wirklich eine Menge Spaß.

 

Es ist Freitag und ich habe mir vor ziemlich genau einem Jahr geschworen, dass dies mein heiliger Abend sein sollte, an dem Arbeit Arbeit ist und ich ins Schülercafé Snikkarbua gehe. Ich habe dieses Versprechen seit vielen Monaten erst wegen der Firstyearprüfungen und nun im Angesicht der Menge an Arbeit gebrochen. Nun aber raffe ich mich auf, klaube meine 77 Sachen in der Bibliothek zusammen und mache mich auf den Weg in das andere Leben, das da draußen auf mich wartet. Hoffentlich wartet es.

 

Angelika

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Mo

30

Aug

2010

An alle wartenden Homepagebesucher:

Ihr lieben,

es tut mir leid, dass ich euch momentan zappeln lasse. Ein neuer Tagebucheintrag ist bereits in Arbeit. Allerdings lenken im Moment andere akademische und extra-akademische Ereignisse ab und mir bleibt nicht wirklich Zeit zum Schreiben. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Unibewerbungen, meiner Facharbeit (ich habe dem zuständigen Lehrer doch tatsächlich einen ersten vollständigen Entwurf bis zum 15. September versprochen...) und mit dem Einweisen der neuen Firstyears.

Als Secondyear haben sich natürlich auch mental einige Dinge für mich verändert, aber davon später ausführlich mehr. Flekke ist wie immer bewölkt und die Temperaturen lassen den nahenden Herbst erahnen. Ich habe mich schnell wieder daran gewöhnt.

Es ist nicht leicht, an so vielen Stellen den Kopf gleichzeitig zu haben. Ich bin ein Perfektionist und möchte, dass Projekte gut werden, und das möglichst pünktlich. Deswegen übernehme ich viel Verantwortung selbst. Vielleicht traue ich mir manchmal mehr als anderen.

Ich werde so bald wie möglich auch meinen Rückblick auf einige Aspekte des vergangenen Jahres und Beschreibungen der aktuellen Stimmung am College hier veröffentlichen. Danke, für eure Geduld!

Liebe Grüße aus Flekke,

Angelika

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So

11

Jul

2010

Sleeping in

Zum Schuljahr gehören neben dem wochenlangen Büffeln auch die Ferien. Ein Schuljahr ohne Ferien wäre wie lauwarmer Sprudel, mehlige Äpfel oder Klettverschluss, der vor lauter Fusseln nicht mehr haftet.

In meinen ersten - und letzten - UWC-Ferien nutze ich auch die Gelegenheit, Mitschüler mal ganz abseits vom Internatsleben kennen zu lernen. Nächste Woche fliege ich nach Kroatien und verbringe die folgenden Tage in dänischer und bosnischer Gesellschaft, aber zuvor stand noch ein ganz anderes UWC-Nachtreffen im Kalender: Der Besuch bei einem sehr guten Freund in Norddeutschland, der in Hong Kong das UWC besucht. Im College Jargon würde man ihn "Coyear" nennen, wer sich seinem aktuellen Umfeld anpasst übersetzt ganz frei: "Parallelklässler". Manche Menschen kennt man nicht lange und steht ihnen doch nahe, ein Phänomen, das in der viel gepriesenen UWC-Familie wohl häufiger auftritt.

Ich genoss es, so selbstverständlich bei ihm und seiner Mutter unterkommen zu können. Ich genoss die Unabhängigkeit, die mich durchströmte. Ich konnte quasi kommen und gehen wann mir danach der Sinn stand, wir hatten ein Auto zur Verfügung und nutzten es für Ausflüge an den Timmendorfer Strand und nach Lübeck, wir gingen spät schlafen und standen spät auf. Es war diese Ferienfaulheit, oder Ferienfäule, die von uns Besitz ergriff.

Der Höhepunkt unseres Programmes war der Tagestrip nach Lübeck, eine mir bis dato noch unbekannte Stadt, die mich sofort für sich gewinnen konnte. Schon die Fahrt raus aus Ratzeburg war schön, die Straßen führten an den typisch norddeutschen Kornfeldern vorbei, wir priesen die Klimaanlage und das Radio spielte, wie könnte es anders sein, Fußballlieder. Deutschland hatte Argentinien besiegt, das Halbfinale stand bevor und alles woran man in Deutschland zweifelte war die Authentizität des Kraken.

In Lübeck verbrachten wir einige Zeit im Holstentor und ließen uns auf eine recht aufwändig gestaltete und durchaus empfehlenswerte Ausstellung in dessen Räumen ein. Ein großes dreidimensionales Modell vom alten Lübeck war einer grobe Erstorientierung sehr zuträglich, besonders interessant war auch die alte Deutschlandkarte aus dem Hansezeitalter, als Lübeck Herzstück des deutschen Seehandels war. Am spektakulärsten waren natürlich die ausgestellten Folterinstrumente und ein Keuschheitsgürtel - trotz der Vertrautheit des Begriffes hatte ich eine derartige Vorrichtung noch nie gesehen. Das, was uns eigentlich abstößt war wieder einmal anziehend.

Lübeck selbst bezaubert bei gutem Wetter durch die Altstadt mit ihren vielen kleinen Hinterhöfen, Rosensträuchern und Kirchtürmen. Die Skyline von Lübeck - wir konnten sie schon vom Auto aus sehen und sind dann auch in eine der Kirchen rein gegangen. Sie war "ausrangiert" und umgestaltet worden. Die Heiligkeit, die der Raum ausstrahlte rührte wohl von der Weißheit der kahlen Wände und der Höhe des Gewölbes her. Der Raum war, abgesehen von einigen abstrakten Bildern, leer. An der Decke waren segelartig Tücher gespannt. Ich verbrachte einige Minuten in diesem Raum, staunte über die Ausstrahlung eines Ortes, der trotz Entweihung nicht seine Magie verliert. Vielleicht wurde sie durch die vorwurfsvolle Leere gar verstärkt?

Wir warfen später einen Blick in staubige Kisten auf einem Flohmarkt in einem dunklen und noch staubigerem Hinterhof (fanden ein Buch über die Kunst des Handlesens, kauften aber natürlich nicht - meine Karrierelinie ist nämlich nicht vorhanden und daran will ich nicht ganz glauben!) und standen noch einige Minuten auf dem Marktplatz, händeringend nach dem Wort "Zunft" suchend. Gilde, Gewerkschaft - uns war klar woran uns die Wappen an den Wänden der Häuser erinnerten, aber nach einem Jahr im Ausland ist "Es liegt mir auf der Zunge" wenn nicht alltäglich, dann doch häufiger geworden.

Auf der Suche nach der perfekten Gasse für ein Foto erkundeten wir die verwinkelte Altstadt weiter. Glücklicherweise ist mein Begleiter nicht orientierungslos wie ich und war auch schon häufiger in Lübeck, ich konnte also bedenkenlos rechts und links schauen ohne auch nur ansatzweise Gefahr zu laufen, nicht zum Auto zurück zu finden.

Abends, wieder zurück, verbrachten wir noch einige Zeit beim Griechen, der für seine Döner bekannt ist - so bekannt, dass er fast ausverkauft war und für mich alles was er an Salat noch hatte zusammenkratzte. Ich soll ihn weiterempfehlen. Holland schlug Uruguay und wir lümmelten uns mit Pepperoni und Schafskäse aufs Bett - herrlich, diese Ferien!

Und doch zog es mich nach einigen Tagen wieder nach Hause, denn das Halbfinale Deutschland- Spanien wollte ich daheim genießen, bei Fangesängen und in einer großen Gruppe. Haben die Spanier den Kraken gekauft? Wir haben ihm mit Cocktails zugeprostet.

Angelika

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Mo

21

Jun

2010

La Ballade Du Mois de Juin

Lieber treuer Homepagebesucher. Nur dass du es weißt: Ich liebe dich! Und ich war noch nie gut wenn es um sensible Liebeserklärungen geht. Glaub ich.

Ich bin wieder da. Zuhause? Nun, ich habe mitlerweile zwei Orte zu meinem Zuhause erkoren, wobei das eine momentan zwar schwerpunktmäßig mein Aufenthaltsort ist, aber langfristig im Leben der Angelika nicht als DAS Zuhause in die Geschichte eingehen wird. Jetzt bin ich jedenfalls in Bielefeld, sitze am Küchentisch und schlürfe ein Glas Edeka Orangensaft, das man hier in Tetra Paks aufbewahrt. Ich hatte die Existenz einer solchen Aufbewahrungsform für Orangensaft völlig ausgeblendet und musste nach einem Jahr UWC mehr oder minder mühsam die Synapse O-Saft - Sonntagsbrunch wieder auflösen.

Drei Wochen der Ferien sind schon um, aber mich überraschen mitleweile Tempowechsel der gefühlten Zeit nicht mehr.

Was macht also ein UWC-Schüler im Leerlauf? Ferien. Meine Mutter nennt das "Unterrichtsfreie Phase". Ich habe schon lange nicht mehr so viel geschlafen, kann mich endlich wieder zum Sporttreiben aufraffen, Male und komme auch vom Lernen nicht endgültig weg. Auch wenn mein interaktiver Kalender mich permanent daran erinnert, dass ich heute keine Termine habe, steht doch schon bald wieder das IB auf der Matte und bettelt um Zuwendung. Ich habe meine mündliche Deutschprüfung Mitte Juli plaziert, bis eben jedoch galt meine ganze Aufmerksamkeit dem EE, dem Extended Essay. 

Ein Monster? Als ich vor einem Jahr am Campus ankam, hatte es seine schleimigen Spuren an jedem Schreibtisch hinterlassen und je näher der November kam, desto größer wurde das Ungeheuer. Wachstumsfördernd war zweifelsohne die überzogene Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, und das Näherrücken einer immer wieder verdrängten Deadline. Sogar Firstyears wurden vom EE-Virus befallen und machten sich frühzeitig Gedanken zu Hypothesen und Themen ihrer Facharbeit.

 

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass auch mich das EE fasziniert hat. Angst habe ich davor nicht, denn es ist nicht die erste 4000 Wörter Facharbeit, die ich schreibe. 3.884 Wörter waren es damals in der 9. Klasse zum Thema Downsyndrom und ein Jahr später sogar 6.882 Wörter über den Israel-Palästina Konflikt. Wer mich kennt weiß, dass ich nicht gerne da stehen bleibe, wo ich vor drei Jahren schon war, sondern akademisch immer wieder eine Herausforderung suche.

Ich schreibe mein EE jetzt auf norwegisch. Es geht ja "nur" um Extrapunkte im Abitur und die sind wirklich nicht das allerwichtigste. Aber wenn ich schon aus Traditionsgründen so viel Wirbel um mein EE machen soll, dann muss das auch gut begründet sein. Zugegeben: Es ist ein ziemlich zähes Unterfangen, pausenlos Lexika zu benutzen. Das Angebot an Nynorsk-Deutsch/Deutsch-Nynorsk Wörterbüchern ist aber auch mehr als dürftig. Könnte man da eignetlich mal eine Anfrage bei Pons starten?!

 

Ein richtiger Höhepunkt meiner Ferien war das Treffen (fast) aller momentanen deutschen Stipendiaten in Fronhausen. Ich erinnere mich noch so gut daran, als Zero-year, also als noch-nicht-ganz-UWCler, die großen Firstyears (fast Secondyears) bestaunt zu haben. In diesem Jahr war ich selbst als großer UWC-Stipendiat dabei und konnte ein bisschen von meiner Erfahrung weiter geben. Dennoch, das Treffen war ein richtiges, ein beglückendes Geben und Nehmen. Der UWC-Spirit hat neue Baterien bekommen und leuchtet noch viel heller als vorher.

Ein lustiges Phänomen ist, dass die neue Stipendiatengeneration meinem Jahrgang so ähnlich sieht und man sich in vielen von ihnen wiedererkennt.

Das Schönste war jedoch, meine Coyears zu treffen und zu hören, was für unterschiedliche Erfahrungen sie im vergangenen Jahr gemacht haben. Die verschiedenen Colleges unterscheiden sich untereinander doch stark. Sie mögen alle auf der selben Idee und den selben Idealen basieren, aber wie gut man diese Ideen umsetzen kann ist stark vom Umfeld der Schulen, von Spendengeldern von der Zusammensetzung des Schülerkörpers abhängig.

 

Das angedachte UWC in China läuft sicherlich Gefahr die Ideale wie Demokratie und Meinungsfreiheit in den Hintergrund stellen zu müssen um von der Regierung anerkannt zu werden.

 

Aber über sowas mache ich mir heute keine Gedanken mehr. Heute habe ich die ersten Schnipsel meines EEs an meinen zuständigen Lehrer in Norwegen geschickt und anstatt sofort in "Irrungen Wirrungen" einzutauchen gönne ich mir lieber eine Erfrischung im Schwimmbad. Ein Fjord wäre mir noch lieber.

 

glg

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Mo

31

Mai

2010

I'm Yours

Vor jedem Tagebucheintrag denke ich ein bisschen über die Überschrift nach und frage mich, welcher Song wohl gerade jetzt meiner Stimmung am besten entspricht. Oder welches Lied ich die letzten Tage über rauf und runter gehört habe. Oder welcher Titel dem, wovon ich erzählen möchte, am nächsten kommt. Heute ist es also "I'm Yours", ein Liebeslied, aber darum geht es mir eigentlich nicht. Für mich ist es eher ein Sommersong, meine erste Erfahrung mit Jazon Mraz, ein Chill-out-zone-song.

 

"Ich glaube, was ich sagen will ist, dass es keinen besseren Grund gibt, sich von Eitelkeiten zu befreien und einfach mit den Jahreszeiten zu gehen."

 

Der Sommer ist hier. Es ist so warm draußen, dass ich wirklich bereue, nicht mehr T-shirts und keine kurzen Hosen mitgebracht zu haben. Während der Joggingrunde am vergangenen Donnerstag habe ich mir meinen ersten Sonnenbrand des Jahres geholt, die Rhododendren vor unserer Haustür explodieren ins Pink und manche meiner Mitschüler sind eine einzige wandelnde Sommersprosse.

Wie schön es wäre, jetzt guten Gewissens im Gras zu liegen, Musik zu hören und zu träumen - einfach mit den Jahreszeiten zu gehen.

 

Aber nein, das IB lauert in jedem Winkel und winkt mit Labreports, EE, IA, TOK, EAC, CAS, Leirskule, Mathsportfolio etc. Ganz schwindelig wird einem von diesen Abkürzungen, nicht wahr? Nun stellt euch vor, wie man sich fühlt wenn man weiß, was dahinter steckt und im Kalender schon wieder "Due date" auftaucht, aber keineswegs mit Bleistift sondern fett in rot und am besten mit einem Permanentmarker geschrieben, damit man gar nicht erst auf die Idee kommt, irgend etwas nach hinten zu verschieben.

 

Matti, ein finnischer Mitschüler hat mich heute darauf hingewiesen, dass im "Hitchhiker's Guide to the Galaxy" stünde, dass die Antwort auf die ultimative Frage 42 sei. Was für ein Zufall, dass die Höchstnote im IB 42 ist...

 

Glücklicherweise haben nicht alle Lehrer am Campus dieses Buch gelesen und gestalten ihre Stunden so abwechslungsreich wie möglich. Mitlerweile sind wir vom üblichen Stundenplan abgewichen und haben nur noch ein Fach pro Tag. Im Norwegischkurs waren wir heute wandern. Gleich nach dem Frühstück hieß es "No skal vi pa fjelltur" - Auf gehts auf die Bergwanderung. 3 Stunden kraxelten wir durch die norwegische Natur, die mir immer wieder den Atem raubt. Matthew hat einige wenige Fotos geschossen, die ich aber hoffentlich noch geschickt bekomme um sie dann hier online zu stellen. Es war schön, dieses "Spielend lernen". Manchmal überfordert mich die norwegische Sprache. Zum Beispiel hab ich versucht zu erklären, dass unser Flügel zuhause von irgend einer Uroma eines Tages vor einem Sprengkörper gerettet wurde, der während des Krieges ins Wohnzimmer gelangt war (Wie auch immer. Oder ist das nur ein Mythos?). An dem Wort "Bombe" scheiterte ich leider kläglich, und dass "Schaden" ganz einfach "skade" heißt, fiel mir auch nicht ein. Abgesehen von diesem komplizierten Kram geht es aber weiterhin mit meinen Norwegischkenntnissen bergauf (die Aussicht auf der Spitze des Berges war himmlisch...). Die Unterrichtsstunden sind leider ziemlich langweilig.

 

Morgen habe ich den ganzen Tag lang schulfrei. Diese geschenkten Stunden werden prompt in die Facharbeit für Mathe investiert. Ich bin eigentlich fertig, aber mein Lehrer meinte, ich könnte noch mehr von Technik wie Graphmatika (einem Programm für Funktionen) Gebrauch machen. Die beiden Labreports, die ich von Svanoy mitgebracht habe, müssen auch noch auf Hochglanz gebracht werden. Das Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt fertig zu sein, ist eine Entschädigung für die vielen Stunden, die ich in meine Arbeit investiere. Perfektionismus im IB ist anstrengend, und manchmal wünschte ich mir, alles etwas entspannter angehen zu können.

 

(Pause, vollgestopft mit Arbeit, Essen, Schlaf, Unterricht, Sonne, Regen, Dänisch am Abendbrotstisch, Packen)

 

Jetzt ist schon Mittwoch, dieser Artikel zieht sich also etwas in die Länge. Der Großteil meiner Sachen ist schon in der Abstellkammer verschwunden. Bei Tory sieht es ganz anders aus. Sie hat mitlerweile drei Corners und zwei Betten für ihr Zeug in Anspruch genommen, dabei reist sie schon am Freitag ab. Mariano muss sie schon immer scheuchen und ans Packen erinnern. Aber so wie ich sie kenne, kriegt sie am Ende doch alles unter Dach und Fach.

 

Beruhigend ist, dass es zwischen all diesem Stress und der Arbeit immer wieder lustig zugeht. Ein riesen Gau war zum Beispiel der Eurovision Song Contest, den wir auf einer großen Leinwand im Auditorium gesehen haben. Viele waren gekommen, und da es eine unserer ersten Nächte ohne Secondyears war, hat der Abend zum allgemeinen "Bonding" beigetragen. Einige der Jungs hatten sich im Vorfeld ausgiebig darüber informiert, welche der Kandidatinnen denn anfeuerungswürdig seien, und sich schließlich für Azerbaijan entschieden. Vordergründig ging es natürlich um Dekoltéegröße und Haarlänge, und auch unter den Mädchen wurde eifrig geschwärmt, die Geschmäcker waren allerdings verschieden.

Lustig war, dass auch viele gekommen waren, die nicht aus Europa stammen. Unsere Vietnamesin war alles in allem sogar der beste Fan, und zwar für alles und jeden. Wir haben selten so viel gelacht!

Richtig Stimmung machten natürlich die Franzosen und die Griechen, aber auch Serbien mit einer schrecklichen "Balkan Balkan"-Nummer trug zur allgemeinen Heiterkeit bei.

Es ist erstaunlich, wie der Eurovision Song Contest Stereotypen unterstreicht.

Ähnlich ist es in mancher Hinsicht hier am College. Irgendjemand hat einmal gesagt "I thought I would loose all my stereotypes over the two years, but no! They were rather reinforced." Nun, so ganz unrecht hat dieser Mensch nicht.

 

Dass Deutschland dann am Ende gewonnen hat, war überraschend und zwang mich zu einem Freudentanz auf die Bühne. Meine Facebookpinnwand quoll schon Minuten später von Glückwünschen über, und die Türken waren noch einigen Stunden sauer, dass "ich" "ihnen" den ersten Platz weg geschnappt hatte...

Lenas Sprachlosigkeit wurde viel kommentiert. Sie habe betrunken geklungen, dumm, sie sänge besser als sie reden würde. Wir haben hier schon ganz schön hohe Ansprüche an das Englisch anderer Menschen, wenn man bedenkt, dass viele kaum ein Wort sprachen als sie kamen. Hatte Stefan Raab seinen Schützling nicht auf das Gewinnen und die damit verbundenen Pressekonferenzen vorbereitet? Wenn nicht, dann ist das ein Ausdruck schwacher Zielsetzung.

Es ist schon wieder spät, und Tea überprüft meine Schlafgewohnheiten und meinen (nicht existierenden) Kaffeekonsum für ihr Matheprojekt. Ich sollte also den Rahmen nicht sprengen und mich zu Bette begeben! Schaut euch die Fotos von meiner Packaktion an, und dann kommen hoffentlich noch Wanderbilder dazu!

 

LG und bis bald!

Angelika

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Sa

22

Mai

2010

Geile Zeit

Es ist so extrem viel passiert, dass ich überhaupt nicht weiß, wo ich anfangen soll.

Heute ist der 22.5., ein Tag, der schon seit 9 Monaten rot im Kalender angestrichen ist. Es ist das Ende der UWC-Zeit für Secondyears, der Tag, auf den hier seit einigen Wochen hingelebt wurde. Alles schien sich auf diese Stunden am Samstag Nachmittag zu konzentrieren. Jetzt ist der erste Akt des Abschiednehmens gespielt. Meine Roomies sind endgültig abgereist, ihre Betten sehen nackt und die Schreibtische kahl aus. Beängstigend. Die Secondyearcorners starren mich herausfordernd an. Es ist ein Teil des Prozesses; diese Ohnmacht, zu wissen, dass es alles richtig, es immer so gewesen ist. Ganz plötzlich holt mich der Augenblick in die Gegenwart zurück. Wochenlang bin ich durch die Zeit getaumelt, hab geträumt, gebüffelt, nicht wirklich gefühlt, dass ich hier bin und jetzt eben jetzt ist. Und dann wurden auf einmal Reden gehalten, über die Vergangenheit und die Zukunft, über die tollen Tage, die wir hier gemeinsam hatten, die Herausforderungen, die wir gemeistert haben, die Freundschaften, die geschlossen wurden. Erwachsene tendieren dazu, schön zu reden, was vielleicht gar nicht so glänzend war. Oftmals fehlte in den vergangenen Monaten das Verantwortungsbewusstsein, das UWC vermitteln will unter den Schülern. Ich konnte einige der Redner heute Nachmittag in ihrer Lobpreisung des UWC-Jahres nicht wirklich verstehen. Und doch, wir hatten so viele Momente, die sich in mein Leben eingeprägt haben, diesen herausfordernden Ort mit Silberstaub überziehen, ihn ein bisschen surrealer, märchenhafter machen. Das ist es: UWC ist nicht nur die Ideologie sondern auch die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit macht das Ideal nicht falsch. 200 Menschen in einer Examphase. Dann ist dieser Ort eben mehr eine gewöhnliche IB-Schule als ein United World College.

Ich war in den vergangenen Wochen ziemlich un-united, habe viel gelernt und bin in mancher Hinsicht auch über mich hinaus gewachsen. Die Resultate der Firstyearexamen können sich sehen lassen, und das macht mich gerade für Mathe stolz. Ich habe im vergangenen Jahr gelernt, auf den Punkt fertig zu sein mit dem, was man von mir erwartet. Nie zuvor musste ich wirklich viel am Schreibtisch sitzen, jetzt kann ich zum richtigen Zeitpunkt das richtige Wissen abliefern, und das ist gut zu wissen. Im IB sind die Firstyearexamen dahingehend wichtig, dass sie einen ersten handfesten Eindruck auf die Lehrer machen. Da ich mich ja schon im kommenden Herbst an Universitäten bewerben möchte und dafür sog. Predicted (Vorausgesagte) Noten brauche, sind gute Resultate am Ende des ersten Jahres ein echter Trumpf.

Wer allerdings glaubt, nach den Examen sei bis zum Ferienbeginn ja nicht mehr groß etwas zu tun, der hat sich getäuscht. Am Freitag habe ich im Englischunterricht ein Referat über Nonviolent Communication nach Marshall B. Rosenberg gehalten. Im Matheunterricht arbeiten alle Grundkursler momentan an ihren Portfolios, wo es darum geht, die Entwicklung der Bevölkerungszahlen in China in einem Graph darzustellen. Morgen geht es mit den Biologie- und Environmental Systems-Schülern nach Svanoy auf eine Rentierfarm. Dort werden wir Sonntag und Montag Zeit an der Küste verbringen und Algen zählen. Den ganzen Dienstag verbringen wir dann in den Klassenräumen am College und werden das gesammelte Material nach allen Regeln der Kunst auf den Kopf stellen und analysieren. Seit ich hier her gekommen bin, ist Svanoy der Inbegriff der Trauerarbeit nach der Abreise der Secondyears. Viele grausige Geschichten wurden uns erzählt, von strömendem Regen und sinnlosem Klassifizieren der Lebewesen an der Küste. Auch wenn mir nicht wirklich nach einer Reise auf eine Insel ist, bin ich mir sicher, dass die zwei Tage interessant werden und uns Firstyears zusammenschweißen.

Bald sind wir also Secondyears. Die Großen. Diejenigen, die um Rat gefragt werden. Ich bezweifle, dass ich heute schon in der Lage bin, Neulinge über die Struktur von Geschichtsaufsätzen aufzuklären, so wie es meine Secondyears im September 2009 gemacht haben. Ich habe noch kein wirkliches Geschichtsessay schreiben müssen. Überhaupt fühle ich mich recht schlecht vorbereitet für diese Verantwortung, eine der Großen zu sein. Nichtsdestotrotz sind es ja auch noch drei Monate, bis es dann wirklich so weit ist. Um uns ein bisschen besser darüber klar zu werden, was wir anders, was wir besser als unsere Secondyears machen wollen, hatten wir neulich ein Firstyearmeeting. Alles in allem hatten wir tolle Secondyears, die uns herzlich hier willkommen geheißen haben. Die Situation in den meisten Zimmern war super, die Freundeskreise waren nicht exklusiv Firstyears oder exklusiv Secondyears. Aber weil wir UWC sind, werden wir natürlich unsere RCN-Welt im nächsten Jahr noch besser machen. Hoffentlich. Dabei geht es vorallem darum, Firstyears mehr in Entscheidungsprozesse einzubinden, weniger Stereotypen zu erschaffen und weniger zu polarisieren.

Jetzt jedenfalls ist die Grundlage für die Entstehung des gewöhnlichen "Meine Secondyears"-Mythos geschaffen. Sie sind weg, endgültig. Es ist schwer, zu beschreiben wir man sich fühlt wenn diejenigen, mit denen man 9 Monate zusammen gelebt hat, vielleicht für immer in den Weiten dieser Welt verschwinden. Das Wetter war typisch für Flekke, die Stimmung nicht. Ich habe selten so viele Menschen auf einmal weinen gesehen. Das ging schon gestern auf der Abschiedsparty los. Nachdem die Firstyears mit der Show, die sie für die zahlreich angereisten Eltern organisiert hatten, fertig waren, und auch die Secondyears begannen, ihr Dinner zu verdauen, hieß es für ein letztes Mal "Tonight is gonna be a good night". Dieser Song ist fast schon zur Hymne des Jahres RCN 2009-2010 geworden und wird wahrscheinlich auf ewig mit der Partyhütte in Flekke verschmolzen bleiben. Aufgrund einiger Zwischenfälle in der Vergangenheit haben wir schon lange keine sog. Cabinparties mehr gehabt.

Während des norwegischen Nationalfeiertags am 17. Mai war ich dann das erste Mal seit Monaten wieder in der Hütte in Flekke. Seltsam war es, all diese Norweger in ihren Nationalkostümen auf "unserer" Tanzfläche zu sehen, Reden zu hören, Volkslieder zu singen. Das hatte etwas paradoxes und war doch wunderschön. Alles in allem hat mich dieser Nationalstolz der Norweger angerührt, auch wenn ich ihn nicht wirklich verstehen konnte. Weil wir Schüler mehr als 50% der Gesamtbevölkerung Flekkes ausmachen, durfen wir sogar mit unseren eigenen Fahnen in der Parade mitlaufen. Flekke und Dale sind die einzigen Orte, an denen diese Internationalität erlaubt ist.

Wir Schüler sind also doch ein Teil der Kommune, auch wenn wir manchmal den Eindruck haben, in einer Seifenblase, der berühmten "Flekke bubble" zu leben.

Es ist jetzt halb neun. In einer Stunde wird auch der letzte Secondyear den Campus verlassen haben, glücklich in die Zukunft blickend und mit gemischten Gefühlen in die Vergangenheit. Oder anders herum? Hier beginnt es, das Abenteuer "Internationalität", und es lässt dich nie wieder loß!

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So

09

Mai

2010

The Man in You

Ich bin heute über einen Gedanken gestolpert. Beim Frühstück kommen sie mir manchmal, halb noch ein Traum, halb schon kaltes Wasser im Gesicht.

 

Neulich stand ich im Tagesraum und habe einen Kuchen für Joana zum Geburtstag gebacken. Taschi und seine Freundin Nantana waren auch da und haben irgend etwas asiatisches gekocht, und dabei die typische Riesenschweinerei veranstaltet. Ein großer Anteil des Geschirrberges in der Spüle ging auf ihre Kappe. Nantana hat sich also ganz selbstverständlich ans Becken gestellt und gewaschen. Taschi saß einfach nur da, den Teller mit Essen in der Hand, und hat abgewartet bis sie fertig war. Es stand überhaupt nicht zur Debatte, sich die Arbeit zu teilen. Einer wäscht, der andere trocknet, so wie das doch "normal" ist. Mir lag sofort ein Kommentar auf der Zunge, aber ich habe ihn runter geschluckt. Mit Rücksicht auf kulturelle Hintergründe. What the hell?! Ist das jetzt auch schon meine Ausrede geworden? Nur weil es üblich ist, dass die Frau nicht um Hilfe bittet und still vor sich hin spült, heißt das noch lange nicht, dass das so sein muss.

 

Wenn ich etwas gesagt hätte, hätte ich dann gleich wieder behauptet, das westliche Rollenspiel sei erstrebenswerter als das nepalesische? Wäre ich dann schon wieder die doofe Kolonialmacht gewesen, die ihre Werte und Ideologien indoktrinieren will?? Ich finde nicht, dass wir einfach etwas unkritisiert lassen sollten, nur weil in anderen Ländern andere Sitten herrschen. "So ist das dort eben!" - dieses Argument sei mit Vorsicht zu genießen! Ja, so ging mein Tag heute los. Der Kuchen war übrigens mit Vanillesoße gefüllt.

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Mo

03

Mai

2010

Live High

Liebe Leute!

Ich weiß, ihr seid bestimmt alle ganz enttäuscht, dass es hier schon seit einigen Tagen nix neues mehr von mir gibt. Auch wenn die Wettervorhersage richtig gut ist für die kommenden Tage, muss ich leider sagen, dass es von mir erst einmal keine guten (und keine schlechten) Nachrichten geben wird.

Ich habe nämlich geheiratet. Den Geschichtsklassenraum. Und mein Gehirn. Wir sind sehr produktiv. Aber der Scheidungstermin steht schon. 13.5.2010. Dann sind diese verdammten Prüfungen nämlich passé. Und um eure unendliche Empathie zu provozieren, poste ich gleich noch ein paar Fotos von meinem Reich. Dann könnt ihr mich auch gleich in dem neuen Collegesweater bewundern!

Die letzten Tage hatten ihre Höhen und Tiefen. Manchmal hätte ich einfach gerne mein Gehirn aus meinem Kopf genommen und in eines dieser fancy Gläser gestopft um es einige Stunden nicht hinter den Schläfen pochen zu spüren.

Dann gab es das Wochenende, an dem ich fast nonstop mit Amanda Spaß im Schwedischklassenzimmer hatte, Kaffee getrunken habe, Kaugummi gekaut , Logarithmen bearbeitet (ich weiß nicht wie man das buchstabiert, aber das Prinzip hab ich jetzt verstanden), Bismarck und Mendel auf den Kopf gestellt habe und zwischendurch immer wieder über Gott und die Welt diskutieren konnte. Draußen schien die Sonne. Ja, lacht nur! Wir hatten ganze acht Grad!! Und ich bin barfuß durch die Gegend gelaufen. Auf die Frage "Aren't you cold?" konnte ich nur "It's a political statement." antworten. Wenn jetzt nicht langsam Frühling wird, dann werde ich meine Füße dafür opfern (nicht!).

Heute nachmittag ging das Lernen nur schwer. In Bio müssen einige Konzepte aufgefrischt werden, und in Geschichte will ich einfach nicht auf Lücke lernen. Auch wenn alle darauf schwören.

Jetzt sitze ich immer noch hier, aber die Stimmung ist besser. Billy Joel schmettert "Easy money" und Amantia sitzt mir gegenüber. Zwischendurch haben wir uns von Jeszko erschrecken lassen, der in seinem neuen roten Pulli gegen die Scheibe gelaufen ist.

Überhaupt fühle ich mich sehr UWC. Am Mittagstisch habe ich über Sozialismus diskutiert, ich bereite ein World Today zum Thema Holokaust vor, und wenn ich ehrlich bin, habe ich langsam ein gutes Gefühl wegen der Prüfungen. Mehr als das, was ich jetzt mache, kann ich nicht geben. Na gut, wenn ihr Tagebucheinträge wollt, dann bin ich bereit, diese paar Minuten aufzugeben. Daran wird es schon nicht scheitern. Jetzt zurück zu Enzymen.

Erfreut euch an den Fotos!

Ciao ciao!

Angelika

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Di

27

Apr

2010

Sueño Mamá

Guten Morgen Welt! Die Nacht war lang, wenn auch nicht wirklich erholsam. Ja, das Gehirn verarbeitet Gedanken auch im Schlaf, aber die Gedankenzufuhr gestern Nacht überstieg die Verarbeitungskapazität. Und ich bin glücklich dabei. Jetzt ist es mitten am Vormittag und ich genieße es, für einige Minuten weder Bismarck noch Logarithmen vor meinen Augen tanzen zu sehen. Vielmehr möchte ich mit euch einige Gedanken zum sog. Bloggen teilen, die gestern im Englischunterricht während eines Referates aufgekommen sind.

 

Laut Universal McCann gab es im Jahr 2008 bereits 184 Millionen Blogger weltweit, also 184 000 000 Menschen, die sich auf virtuellen Tagebüchern einer noch größeren Leserschaft öffnen. Der Einfluss, den diese neue Informationsplattform auf andere Medien und somit auf Meinungsbildung hat, ist schwer zu erfassen. Eben weil die thematische Bandbreite von politischem bis zu Lifestyle reicht. Anders als in Printmedien, Hörfunk oder Fernsehen, wo zumindest größtenteils der Schwerpunk auf Informationsvermittlung liegt (oder liegen sollte), beabsichtigen viele Blogger nicht, gezielt ihre Meinung anzupreisen oder über etwas von öffentlichem Interesse zu berichten. Es geht ihnen viel mehr darum, sich einen Platz in dem unüberschaubaren Netzwerk "Internet" zu sichern. Es ist das altbekannte Sehen und Gesehenwerden- Spiel, das in allen Gesellschaften zum vertrauten Bild gehört. Die virtuelle Gesellschaft ist davon offenbar nicht ausgeschlossen. Inwieweit diese beiden Systeme coexistieren können, bis zu welchem Grad Menschen in beiden Welten auf Dauer bestehen werden, bleibt abzuwarten.

 

Ob beabsichtigt oder nicht, Blogs geben ein Bild von unserer Gesellschaft und besonders unserer Einstellung zu uns selbst wider, "posten" wir doch nur das, was wir zeigen wollen. Einen besonderen Wert gewinnt diese Art des Sich- Mitteilens, wenn sie einen Bezug zu Nachrichten hat, die uns auf seriöserem Weg erreichen. Blogger posten unabhängig von Richtig und Falsch und beleuchten Ereignisse so von einer Seite, über die wir Zeitungsleser uns vielleicht noch gar nicht im Klaren waren. Ein Beispiel sind die Blogs von Soldaten, die aus dem Irak wiederkamen und von dem berichteten, das sie gesehen und erfahren hatten. Diese individuelle Berichterstattung mag erst einmal wenig mit Kriegsstrategien oder politischen Konsequenzen zu tun haben, aber sie gibt uns die Möglichkeit, Stimmen zu hören, die im Gesamtbild vielleicht zu Unrecht irrelevant sind.

Außerdem bloggen mitlerweile viele Künstler und die meisten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und geben uns so eine weitere Quelle, die ihre Arbeit zugänglicher macht.

 

So viel zum aktuellen kritischen Denken.

 

Recht unkritisch nähere ich mich dem Mathebuch. In weniger als zwei Wochen sind die Examen und wer mich kennt, der weiß, dass ich keine von denen bin, die sich eine Aufgabe anschaut und die Lösung gleich ausspuckt. Als ich vorhin in der Mathestunde gefragt habe, ob wir eines dieser verflixten kleinen Details behalten müssten, hat mein Lehrer das Linial fallen lassen und den Mund kaum noch zu gekriegt. Auswendig? Nein, nein! Ihr müsst die Prinzipien verstehen. Schon wieder geht es um Prinzipien. Für mich ist Mathe aber eben Arbeit. Büffeln. Üben, Üben, Üben. Nicht weil ich den Lösungsansatz nicht verstehe, sondern weil er für mich nicht so offensichtlich ist, dass ich ihn gleich verinnerliche. Deswegen habe ich in den letzten Tagen und Nächten bestimmt 15 Stunden Mathe gelernt. Und wenn es nur für das Gefühl ist, gut vorbereitet zu sein.

 

Gestern hat unser IB-Koordinator den Prüfungsstundenplan veröffentlicht und ich bin erleichtert, gut davon gekommen zu sein. Weil ich meine Deutschprüfung im Sommer zuhause machen kann, bleiben mir nur 5 Fächer. Norwegisch und Englisch sind gleich am kommenden Freitag dran und darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Das Wochenende ist natürlich frei von Prüfungssituationen, Montag Abend schreibe ich Mathe. Ich bin froh, diese Klausur schnell hinter mir zu haben. Dienstag ist ebenfalls frei, Mittwoch kommen noch Geschichte und Bio. Das sind die Fächer, in denen man, wie Papa sagen würde "Dickes haben muss".

 

Wenn ich mir das durchlese, dann frage ich mich, was ihr wohl für ein Bild von meinem UWC-Leben bekommt. Neutral ist es natürlich nicht. Wie auch. Aber ich kann sagen, dass kritisches Denken und unkritisches Denken momentan schon ganz oben auf meiner Liste stehen. Hinzu kommt noch Leirskule, aber davon berichte ich an anderer Stelle. Jetzt ist es Zeit für ein Mittagessen. Anschließend habe ich ein Advisormeeting (das letzte mit den Secondyears, denn die sind in einem Monat tatsächlich schon abgereist. NOOIIINN) und später am Nachmittag Peertutoring. Das ist eine meiner neuen AGs, in der es darum geht, eine Art Nachhilfedienst für Mitschüler auf die Beine zu stellen. Jeder Schüler kann ab jetzt für Fragen in Biologie, Norwegisch oder Englisch zu mir kommen (wenn es wirklich sein muss auch Mathe. Langsam werde ich gut ;-). Das ist wirklich ein sehr hilfreiches System, das auch ich schon in Anspuch genommen habe. Es ist gut, in einer Schule zu leben, wo niemand die Augenbrauen zusammen zieht wenn Angelika eine Frage hat (meinen Mathelehrer Kip ausgenommen...).

 

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Do

22

Apr

2010

Eit fly ligger i aftenvind

Okay, es scheint, dass sich doch nicht großes anbahnt. Annas Haare sind wieder in sich zusammengefallen. Und Kåres Heiligenscheint leuchtet matter. Die Königin hat abgesagt! Das erste Mal in ihrer 15 jährigen Besuchsgeschichte. Und Island ist Schuld. Hoffentlich fliegen die Flugzeuge wieder, wenn wir alle in ca. einem Monat nach Hause reisen wollen.

Yours frustriert,

Angelika

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Mi

21

Apr

2010

Poissons d'or

Großes bahnt sich an, Anna kann kaum noch stillsitzen. Ihre weißen Haare stehen in alle Richtungen und sie weiß noch immer nicht was sie morgen anziehen wird. Die Arme! Sie nimmt erschöpft die schmale Brille von der schmalen Nase und wischt sich mit dem Handrücken über die faltige Stirn, hinter der es heute zu kochen scheint.

Draußen schwirrt die Luft, und das nicht weil es ausnahmsweise klar und sonnig ist. 

Großes bahnt sich an, wirft schon seit Wochen Schatten voraus und ist nun fast da: Die Königin. In meinem Kopf ist sie "die Queen". Ein Eignname ist das geworden, ein Synonym für Sonja, Her Majesty. Anna sagt immer Her Majesty. Aber sobald ich ihr Büro wieder verlasse ist sie "die Queen".

Wir verbiegen uns, putzen uns heraus, legen fest wer wann was sagen wird. Es wird noch einmal bestätigt, dass sie um 10:42 Uhr in das bereitstehende Auto am Flughafen Förde steigen wird. Einige rollen mit den Augen. Wozu der Trubel? Wozu überhaupt Monarchie?? Wieder einmal hat jemand eine Grundsatzdiskussion vom Zaun gebrochen. So geht das immer los.

"Okay guys, listen now. Let's be efficient, so we don't have to stay here til eternity." Pete übernimmt die Leitung der Queenshow-Generalprobe. Gut so, denn Kare, der Musiklehrer mit den feinen, langen, graublonden Haaren, die immer um ihn herum wehen als habe er einen Heiligenschein, ist zwar ein guter Dirigent, aber kein guter Koordinator. Jedem das seine. Das Auditorium ist gefüllt mit Instant-Künstlern. Jetzt oder nie, hol alles aus dir heraus! Und wenn das heißt, dass die Hakatänzer halbnackt der Queen die Zunge herausstrecken werden (und das im ersten Akt), dann hat das auch seine Berechtigung! Denn das ist Kultur. Und Kultur muss man tolerieren. Amen.

 

Ist es richtig, dass wir einer einzelnen Person soviel Zeit und Arbeit zuzugestehen? Ich finde, dass wir gut daran tun, unseren Campus aufzuräumen, ein Best-Of darbieten. Das Beste hier am UWC sind nun mal die Diskussionen über Kultur und Politik. Das Beste sind auch die Nationalkostüme und gutes Essen. Ich würde für jeden Gast zuhause doch auch etwas Gutes kochen und mich hübsch anziehen. Zugegeben, ich würde keine Statisten engagieren oder Gesprächsthemen planen. Aber ich bin mir sicher, dass es bei manchen Menschen vorkommt, dass der beste Freund gebeten wird, für einen Abend den Liebhaber zu spielen um lästige Verehrer abzuwimmeln.

Viel wichtiger ist jedoch, sich einzugestehen, dass es hier nicht nur um eine Person geht, sondern um ein Prinzip. Damit wären wir also wieder bei den Grundsatzthemen. Es geht um Geld, Werbung und Politik. Norwegen ist eben eine Monarchie, und eine gut funktionierende noch dazu. Und wenn die Queen UWC ihr "Herzenskind" nennt, dann hat das einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Geldgeber und Auswahlkommittees. Hauptsächlich auf Geldgeber.

Es ist eben eine Frage von Ethik. Wie bei so vielen Grundsatzdiskussionen. Wie viel bin ich bereit aufzugeben, um an ein Ziel zu gelangen? Bin ich willig, die Schattenseiten für ein paar Stunden unter dem Teppich verschwinden zu lassen und in den höchsten Tönen zu sprechen? Ist es richtig, Generalproben während der sogenannten Protected Time nach 21:00 Uhr abzuhalten?

Für einen Tag werden wir jeder in sein Nationalkostüm gesteckt. Wer keines hat, dem wird bildlich gesehen eines übergestülpt, eine Rolle zugeteilt.

Sie rollen mit den Augen, sagen sie blieben dann lieber den ganzen Tag im Bett und vergessen, dass sie doch im Grunde ihres Herzens die Show nicht für eine Königin veranstalten sondern für Mitschüler und Freunde. Für sich selbst. Um den Glauben an das Gute nicht zu verlieren.

Es ist eben Examszeit. Hin und hergerissen zwischen IB und UWC kann es passieren, dass man sich nicht mehr ganz sicher ist ob man hier richtig ist.

 

Xiaohang bleibt cool. Die Wirtschaftslehrerin ist immer cool. Kalt gelegentlich, cool immer. Die Secondyears hatten heute ihre allerletzte Wirtschaftsstunde. Ich saß draußen vor der Kantine, schwamm in Matheaufgaben und raufte mir die Haare. Sie hatte ihr Fenster offen und hat die Musik lauf aufgedreht. Die Secondyears waren das schon. Pete hatte Eis und Haribo in seiner Englischklasse verteilt. Und nun drehten sie sich weiter zu etwas, das nur bruchstückweise zu mir herüber geweht wurde.

Edmund kam vorbei geschlendert und rekapitulierte kurz den TOK Vortrag über Archivarbeit im US National Archive, den wir heute Vormittag gehalten bekommen hatten.

Die Referentin war Lee Ann Potter, und wenn man sie googlet kommt man fast direkt auf ihre Webpage, auf der sie sich als "director of education and volunteer programs at the U.S. National Archives in Washington, DC" vorstellt. Typisch Amerikanisch? Blond, Akzent, lächelt viel. Aber nicht zu viel. Sie war gut. Ich fand sie gut. Das ist nicht das Selbe.

Man sieht: Das Theory Of Knowledge Programm (Theorie des Wissens Programm) hat auch Einfluss auf mich. Aber woher wissen wir, dass wir im Nachhinein wirklich kritischer denken als vorher? Wenn man herausfindet, dass man sich nie über etwas sicher sein kann, dann weiß man, dass man es zu weit mit TOK getrieben hat.

Überkritisierer bringen es nicht weit, denn es kommt der Zeitpunkt, da gehen sie allen auf die Nerven. Doch halt! Kritik hat zwar eine negative Konnotation, kann aber sowohl negativ als auch positiv sein. Jedoch gilt noch immer, dass ein unaufhörliches Hinterfragen der Dinge sperriges Verhalten ist. A fine line, auf der wir da wandern!

 

Und so ist das hier immer. Immer.

Angelika

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Sa

17

Apr

2010

Rhapsody in Blue

Wir haben einen Steinway bekommen. Hehe, ein toller Flügel! Ich sollte wirklich mehr spielen. Meine Trompete steht ehrlich gesagt auch schon seit einigen Tagen im Bootshaus, einsam und staubig. Wieder einmal geht es im Leben um Prioritätensetzung.

Jedenfalls haben wir jetzt einen Flügel, der sogar eine eigene Garage gebaut bekommen hat, damit er sich im Luftzug nicht verstimmt. Craig hat den Schlüssel. Gerade komme ich von einem fantastischen Einweihungskonzert.

Zwei Schüler am College, die schon spielen seit sie denken können, und schließlich noch eine junge Pianistin aus Finnland und ihr Ehemann bescherten einem großen Publikum einen unterhaltsamen Abend von Bach bis Gershwin. Ich liebe Klaviermusik. Nichts eignet sich besser zum Träumen, Einschlafen, Lernen, Schlechte Laune Vertreiben oder zum Weinen. Manchmal kann ich einfach nichts mit  überfrachteten Radiogedudel anfangen, das neben Schuhmann so klingt, wie ich mir Weltraummüll vorstelle. Klaviermusik ist mehr als nur wohlgeformte Schallwellen. Es ist eine einzige Bewegung, blumiges schwarz und weiß. Es ist wunderbar, einem guten Pianisten zuzusehen. Wie Craig sich 30 Seiten Rhapsody in Blue merken kann ist mir schleierhaft.

Ein Abend, der einen Tagebucheintrag verdient hat. Nun geht es irgendwo in ein Klassenzimmer - ohne i-Pod, denn der hat komplett seinen Geist aufgegeben - zurück zu den Büchern. Es ist Samstag. Am Anfang des Jahres habe ich mit den Augen gerollt, wenn jemand am Wochenende spät abends lernt. Jetzt bin auch ich ein Nerd geworden. Was solls. ;-)

 

P.S.: Gestern hat es geschneit. Ich glaub, ich spinne! Heute bin ich alleine durch die Berge gewandert (in Turnschuhen durch den Morast. Iiieeh!!) und habe mich wie Ronja Räubertochter gefühlt. Die hat soweit ich weiß nicht Genetik gepaukt.

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Di

13

Apr

2010

4 minutes

Okay, Zeit für einen neuen Tagebucheintrag, n'est-ce pas?

Mir bleiben blos 13 Minuten, dann sollte ich mich auf den Weg in den Geschichtsunterricht machen.

Der Frühling ist da, zumindest fast. Jens-Martin meint, dies sei norwegischer Frühling. Er muss es ja wissen. Der Schnee ist fast weg. Also eigentlich ist er weg, es hört sich nur eben spektakulärer an, zu sagen, dass noch welcher liegt. Aber diese von Splitt überhäuften Eishaufen am Wegesrand kann man nicht ernsthaft Schnee nennen. Heute Morgen war es so nebelig wie schon lange nicht mehr, mitlerweile hängen nur noch dünne Schleier zwischen den nackten Baumkronen. Ein Schwanenpaar ist angeschwommen gekommen und hat Mathew doch tatsächlich dazu veralasst, seine Kamera zu holen und während der Matheklausur Fotos zu schießen. So hat man mir jedenfalls erzählt.

Tangut war ganz begeistert von den großen weißen Vögeln, die sie erst als Enten eingestuft hatte. Ob sie denn noch nie Schwäne gesehen habe, habe ich gefragt. "Nur im Fernsehen".

Ist das jetzt UWC? Die so unterschiedliche Wahrnehmung und Interpretation einiger Ereignisse zu verfolgen, ist spannend. Abgesehen von diesen Kleinigkeiten ist UWC-Spirit im Moment eher unangesagt. Viele Aktivitäten schlafen ein, alle sind in der Vorbereitungsphase von Klausuren, oder so "fed up with this place",  dass die Teilnahme an World Today, Political EAC und Co niedrig wie noch nie in diesem Jahr ist. Mich frustriert das, weil ich sehe, dass ich eine derjenigen bin, die UWC leben möchte, anerkennt was für ein Paradies dies sein könnte, wenn alle an einem Strang zögen! Joana, meine Secondyear aus Deutschland, hat schon am Anfang gesagt, dass diese zwei Jahre das sind, was du selbst daraus machst. Und das lebe ich so. Wer nicht will, der hat schon? Ich kann ja niemanden zwingen, die Möglichkeiten und Angebote wahrzunehmen.

Seit letzter Woche habe ich die Leitung des World Today EACs übernommen. Die Rückmeldung, die wir von Mitschülern bekommen haben, war fast durchweg negativ, dabei haben wir viel Mühe in unsere Arbeit gesteckt. Vielleicht ist es einfach Zeit für eine Umstrukturierung? Manche Lehrer sagen, das sei nur eine Phase. Aber ich glaube, dass gewisse "Dauer UWCler" das ganze durch eine rosa Brille sehen, nicht wirklich drin stecken. In sechs Wochen packen die Secondyears ihre Sachen und verlassen diesen Ort - für immer (?!). Dann liegt es an uns Firstyears groß zu werden und diesem Ort etwas von dem zurück zu geben, was er für uns zu Beginn des Jahres ausgestrahlt hat!

 

Heute beginnt übrigens Leirskule und ich werde versuchen die Kontrolle über 30 Kids im Pool zu bewahren. Das wird spannend....

Ende der Woche haben wir ein Global Concern über Bildung.

Nächste Woche kommt die norwegische Königin!

Und dann sind bald schon Prüfungen.

Jetzt ist es 10:13h, ich sollte mich auf den Weg machen!

Bald gibt es mehr!

Angelika

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Do

01

Apr

2010

An Other One Bites The Dust

Salut tout le monde!

Es sind Ferien - endlich! Schulisch bin ich während dieser freien Woche gut ausgelastet, aber auch abgesehen von Englisch Essays, Bio Lab reports und Mathe steht einiges auf dem Programm.

Pünktlich zum April scheint auch das Wetter besser zu werden. Heute konnten wir ganze frühlingshafte 7 Grad genießen. Einige haben das tatsächlich zum Anlass genommen, draußen zu essen. Wie auch schon während der vergangenen Tage habe ich eigentlich die meiste Zeit entweder im Bett oder am Schreibtisch verbracht. Im Bett kann man einfach wunderbar Essays schreiben, denn hinter zugezogenen Vorhängen kommt das Gefühl von Ungestörtheit auf. Mit Decken und Kissen im Rücken, einem Heizkissen auf dem Bauch, einer Flasche Wasser, Tee und Trockenfrüchten und lauter Musik auf den Ohren lässt es sich leben.

Gegen 4 Uhr heute Nachmittag war ich dann mit dem Aufsatz über Moral panics auch wirklich soweit fortgeschritten, dass ich mir eine lange Pause gegönnt habe, Björnars Fahrrad geliehen habe und eine Stunde durch die norwegische Landschaft getourt bin. Es war erstaunlich mild draußen, ich konnte direkt am Fjord fahren und bin einfach blind drauf los geradelt. Es ist schade, dass ich mich nicht oft dazu aufraffen kann, die Umgebung zu erkunden. Das wird nach diesem ewig dauernden Winter aber hoffentlich besser. Vor einigen Tagen war ich endlich mal wieder laufen. Ich bin ganz schön außer Form, aber es hat überraschend gut getan. Gestehen wir es uns doch einfach mal ein: Wir wissen alle, dass Sport glücklich macht, aber sich für dieses Glück aufzuraffen, scheint nicht für viele einfach zu sein. Als ich wieder kam, durchflutete mich dieses Gefühl von Zufriedenheit, ich war ausgelastet und konnte mich danach problemlos zurück in die Arbeit stürzen.

Ähnlich ging es mir nach der Stunde auf dem Rad. Das Gelände hier ist ziemlich uneben und eignet sich nicht für diejenigen, die einfach nur unbekümmert geradeaus fahren wollen, aber mir hat es gut getan. Wieder zurück am Campus habe ich Craig, meinen besten Freund aus Canada, im Swedenhouse Dayroom getroffen. Er war mal wieder am Kochen und ich habe ihm kurzerhand unter die Arme gegriffen. Nicht, dass das nötig war, denn er ist exzellent, aber es macht einfach Spaß! Sarah aus Pakistan wird heute 18 und ihre engsten Freunde veranstalten eine kleine Feier. Dafür haben wir mit unseren knapp bemessenen Ressourcen Pizza gebacken.

Im Hintergrund lief ein Queensalbum, das ich jetzt schon wieder über meinen Computer höre!

Gestern saß ich zu viel am Schreibtisch. Mein Experimentprotokoll zu Mendels Gesetzen nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch und außerdem sind es nur noch fünf Wochen bis zu den sehr wichtigen Firstyearexamen. Zum Glück bin ich gegen elf dann doch noch bei Craig gewesen. Jetzt, da er an einer Universität angenommen ist , macht er sich nicht mehr so viel Stress mit der Schule und geht nicht mehr schon um halb elf ins Bett. Zum Glück, denn die Stunden mit ihm waren der Höhepunkt des Tages. Wir haben viel über das Musikvideo, das ich in "Anschauen" hochgeladen habe gelacht.

http://www15.jimdo.com/app/s461582f295d54803/p1b4060e8ba456359/

Außerdem reden wir ja Französisch miteinander (er kommt zwar aus dem englischsprachigen Kanada, hat aber auf Französisch Unterricht gehabt). Mit meiner Roommate Dieynab mache ich das nicht so häufig, denn meistens sind ja auch Leute in unserem Zimmer, die kein Französisch verstehen. Ich wünschte, Julia würde mir ein bisschen Schwedisch beibringen, da ich es ja ernsthaft in Erwägung ziehe, in Schweden zu studieren.

Bezüglich dieses Themas hatten wir letztes Wochenende einen kurzen Vortrag von Thirdyears, die in Skandinavien ihre Ausbildung fortgesetzt haben. Schweden scheint sehr gute Universitäten zu haben und kümmert sich offenbar sehr gut auch um ausländische Studenten. Ich habe ja schon lange über Lynd und Uppsala nachgedacht, aber erst als ein Isländer erzählt hat, dass es mit seinen Dänischgrundkenntnissen recht leicht war, auf Schwedisch zu studieren, traue auch ich mir Psychologie in einer skandinavischen Sprache zu.

Viele mögen sagen, dass es mit Universitäten doch wirklich noch Zeit hat, aber in einem halben Jahr werde ich bereits Bewerbungen in die ganze Welt schicken und die Secondyears, die sich an Universitäten wie Yale und Haward beworben haben, haben heute ihre Zu- oder Absagen bekommen. Nach Amerika will ich aber nicht. Zu weit, zu Mainstream, zu hohe Reisekosten, zu viele gute Alternativen in Europa, n’est-ce pas?

Am Samstag geht es für mich in die echten Ferien, hoffentlich ohne Gedanken an Lapreport oder Englisch Essay weil ich die bis dahin abgeschlossen habe….Hoffentlich!

Ich werde meine Eltern in Bergen treffen, wo wir einige Tage verbringen und dann werde ich mit ihnen ins ferne Flekke fahren um ihnen zu zeigen, wie es sich hier so lebt! Ich freue mich schon so!

 

Gleich treffe ich mich noch mit Josie zum Filmschauen. Vorher werde ich Moral panics aber komplett abschließen und einem Muttersprachler zum Durchlesen schicken....

Angelika

 

P.S.: Nach zwei Stunden Französisch ist mein Deutsch gerade mehr als eingerostet. Sorry! Désolé! Entschuldigung!  :-)

 

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Sa

20

Mär

2010

Me in You

Liebe Freunde!

So viel ist in letzter Zeit geschehen, dass ich gar nicht richtig filtern kann. Vorhin saß ich wieder auf Julias Bettkante (Secondyearbetten sind so viel besser als Firstyearbetten, weil sie nämlich auf Fußbodenebene sind...), habe ihre Feigen aufgegessen und sie hat wissen wollen, was das beste an meinem Tag gewesen sei. Ich habe ernsthaft nachdenken müssen. Nicht, weil ich mich nicht entscheiden konnte sondern weil ich schon gar nicht mehr parat hatte, was eigentlich in den vergangenen 24 Stunden passiert war. So geht mir das an vielen Tagen. Model United Nations, Youthleadership workshop, heute Morgen ein Listening workshop... Müsste ich euphorisch durch die Gegend hüpfen? Ehrlich gesagt ist mir nicht so danach, ich bin eher im Bann dieser ganzen Angebote. Ein bisschen ist es wohl auch die Angst, etwas zu verpassen sollte ich einmal nicht hingehen (ja, ihr könnt mir gerne alle sagen, dass das eine bescheuerte Einstellung ist :D) aber hauptsächlich sauge ich alle diese Dinge auf wie ein Schwamm. "Und sie bewegte sie (die Worte) in ihrem Herzen" steht ja schon in der Bibel. Ich glaube, ich bewege manchmal ein bisschen viel  :-)

Julia konnte ich jedenfalls heute Nachmitag ehrlich antworten, dass der Listening workshop das Ereignis meines Tages war, das mich am glücklichsten gemacht hat. Ich habe so viel von meinen Mitschülern gehört, das mir das Gefühl gibt, doch nicht so seltsam zu sein wie mir das manchmal vorkommt. Das erste jedoch, was mich heute Morgen zum Lächeln gebracht hat war, dass nun endlich das Eis auf dem Fjord verschwunden ist. Die mystisch dunkle Wasseroberfläche hatte zur Folge, dass das Licht verändert war. Die Welt scheint weniger grau oder weiß zu sein. Außerdem kann man jetzt endlich wieder den Regen auf die Wasseroberfläche klatschen hören, ein Geräusch, das ich lieb gewonnen habe. Es gießt schon seit Tagen ohne Unterbrechung. Am ersten Tag ohne Schnee (aber mit Regen) ist Dieynab lachend durchs Zimmer gehüpft weil sie hoffte, es würde nun endlich tauen. Sie sollte Recht behalten. Schade nur, dass unser Lechzen nach Sonne den Schnee nicht schneller zum schmelzen bringt. Mitlerweile beginnt das Flekke-Wetter uns schon wieder auf die Nerven zu gehen. Meine Gummistiefel sind nicht dicht und meine Socken regelmäßig nass, aber man gewöhnt sich an alles und ich habe mir schon zig mal vorgenommen, Plastiktüten in die Stiefel zu tun, aber es immer wieder verdrängt. Deswegen werde ich mich nicht über aufgeweichte Zehen beschweren. Wenn man sich beklagt aber nichts gegen das Problem unternimmt, dann ist man selber Schuld, finde ich.

Der Höhepunkt der vergangenen Woche, und auch darüber habe ich mit Julia geredet, war MUN (Model United Nations), eine Simulierung der UNO, ein Planspiel wenn man so will. Jeder Firstyear ist Abgeordneter eines Landes und wird einem Komittee zugeordnet. Ich vertrat Indien im Sicherheitsrat. Einige Secondyears waren die Vorsitzenden dieser Komittees und haben schon Monate vorher Themen vorbereitet, die diskutiert werden sollten. Im Sicherheitsrat ging es um Extremismus in Pakistan und die UN-Peacekeeping forces und jüngstes Fehlverhalten einiger Blauhelme. Anlässlich des MUN hatten wir Besuch von Schülern aus Dänemark, Estland, Lettland und Litauen. "Frisches Blut" am College hat dieses Event definitv bereichert. Ich wurde gefragt, ob so etwas überhaupt Sinn macht, denn die Resolutionen die wir verabschieded haben, sind völlig irrelevant und basieren auf recht oberflächlichem Wissen. Es geht jedoch mehr darum, Diplomatie besser kennen zu lernen, sein eigenes Verhalten in einer Gruppe einschätzen zu lernen, zu recherchieren und zu kooperieren.

Etwas, was ich jetzt sicher sagen kann ist, dass ich keine Diplomatin werde. Jedenfalls nicht auf internationaler Ebene. Viel lieber bin ich Beobachter des Geschehens und mache mir unabhängig ein Bild von der Situation. Deswegen werde ich im nächsten Jahr auch eher dem Media-Team beitreten als ein Komittee zu leiten. Die Presse ist ebenso wichtig!

 

In einer Woche beginnt ein neuer EAC term. Ich steige aus International Dance aus und wahrscheinlich muss auch mein Bastel EAC daran glauben, denn es kommen neue Verpflichtungen auf! Die Leirskule (Schullandheim) - saison beginnt bald und alle Firstyears tragen zum Entertainment der 11-15jährigen norwegischen Kids bei. Ich beaufsichtige den Pool. Wir werden sehen, wie ich mich da durchsetzen kann. Außerdem werde ich im nächsten Jahr Tutor für Englisch, Biologie und Norwegisch sein, möglicherweise die World Today Gruppe leiten und außerdem organisiere ich einen Workshop zum Thema "Bildungssysteme" für den nächsten Global Concern im April zum Thema "Education". Des weiteren hat die Extended Essay Saison begonnen und ich bin ehrgeizig genug, meinen 4000 Wörter Aufsatz auf Norwegisch zu schreiben um meine Sprachkenntnisse zu erweitern. Deswegen lese ich gerade "Tonje Glimmerdal", die norwegische Version von Pipi Langstrumpf, bloß 60 Jahre jünger.

Im Mai stehen die Firstyearexamen an (sehr wichtig, denn damit bewirbt man sich bei den Unis...). Ich fühle mich trotz der vielen Arbeit sehr wohl an diesem Ort. Alles zu seiner Zeit. Jetzt werde ich erst einmal schlafen gehen - das ist schon mal ein Anfang!

Gute Nacht!

 

 

 

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Fr

12

Mär

2010

Goethes Erben - Zwischenzeit

Und schon wieder sind einige Wochen seit meinem letzten Tagebucheintrag ins Land gegangen. Mitlerweile ist es März und man könnte meinen, langsam sollte es wohl Frühling werden. Meine innere Uhr besteht darauf, dass die Sonne scheint, Vögel zwitschern und grün die dominierende Farbe ist. Zuminest die Vögel scheinen meiner Theorie zuzustimmen und geben sich alle Mühe, den Schnee wegzusingen - bisher mit eher mäßigem Erfolg. Am Dienstag hat Schnee den wieder aufkommenden Regen abgelöst und uns zusammen mit der ganzen Umgebung in weiße Farbe getaucht. "Wir haben genug von dieser Farbkur. Weißer als weiß wird's nicht mehr, also geben Sie sich keine Mühe, Herr Winter." - oder Frau Winter eben. Wer weiß das schon?! Alles schreit nach Frühling, lechzt nach Sonne.

Als diese heute Morgen tatsächlich gegen acht Uhr hinter ihrem Schleier hervorplinste war es mir, als seien die Sonnenstrahlen wie Schnüre an meinen Fußgelenken festgemacht und zögen mich mit wachsender Intensität fast magisch aus dem Bett. Schon einige Tage lang hatte mich die Wolken-Depression in ihrem Netz aus Regen und Nebel gefangen, aber heute geht es mir viel besser. Ich habe mir alle Mühe gegeben, das Glücksgefühl bis in die Zehenspitzen zu schicken um es in jedem Winkel meines Körpers irgendwie zu konservieren.

Die Idee, Glücksmomente in ein Marmeladenglas zu stecken, das man bei Bedarf öffnet um am Inhalt zu riechen kommt glaube ich aus der Kinderbuchreihe "Die Wilden Hühner".  Wenn es doch bloß so einfach wäre.

Vorgestern habe ich lange mit meinem Bruder telefoniert, und es war eines dieser Telefonate, das man so schnell nicht vergisst. Meine Familie ist immer wieder ein Dreh- und Angelpunkt (ich musste mich erst einmal via Google rückversichern, ob man das wirklich so sagt...), wenn ich mal meine Koordinaten prüfen muss um sicherzugehen, in die richtige Richtung zu leben. Als dann gestern der gelbe Umschlag in meinem Postfach lag, an dem ich den Brief meines Bruders erkannte, war der Tag schon viel mehr Wert. 

Manchmal habe ich das Gefühl, stecken zu bleiben. Manchmal geht es mir zu langsam, oder immer im gleichen Takt. Seit Monaten so scheint mir, reden wir im Geschichtsunterricht von der Russischen Revolution. Es wird so viel Zeit mit "Good morning folks, anything important you want to share?" oder "It's International Women's Day. So, what is your opinion on gender equality?" verbracht. Ich zögere, es "Zeit verschwenden" zu nennen, denn sicherlich ist es nötig, sich mit Dingen außerhalb des Lehrplans auseinander zu setzen. Muss dafür jedoch die Unterrichtsstunde für hinhalten? Es kommt der Zeitpunkt, da muss das abgeliefert werden, was das IB verlangt und ich habe keine große Lust auf Stress.

Stress habe ich mir schon länger keinen mehr gemacht, dabei steht so viel an. Besonders das kommende Wochenende ist vollgepackt mir allerlei Veranstaltungen. Heute Abend kommen Gäste aus dem College in Walse, Schüler aus dem Baltikum und aus Dänemark. Sie alle werden an MUN (Model United Nations) von Sonntag bis Dienstag teilnehmen. MUN ist ein Programm, dass viele Internationale Schulen auf der ganzen Welt veranstalten. Einem Schauspiel in mancher Hinsicht nicht unähnlich, wird praktisch UN gespielt. Jeder Firstyear ist Abgeordneter eines Landes und einem UN - Gremium zugeordnet. Ich beisielsweise vertrete Indien im Security Council. Jedes Gremium wird von zwei Secondyears geleitet, die sich schon lange darauf vorbereitet haben und Themen ausgesucht haben, die von internationalem Interesse sind und diskutiert werden sollen. In meinem Fall wird es um Extremismus in Pakistan gehen und darum, wie die Internaitonale Gemeinschaft damit umgehen sollte. Des weiteren werden wir uns mit dem wiederholten Fehlverhalten einiger UN Peacekeepingforces auseinandersetzen. MUN bedarf einer Menge Vorbereitungen. Jeder Abgeordnete muss natürlich im Sinne seines Landes handeln und sollte deswegen mit den Gegebenheiten im jeweiligen Staat vertraut sein. So habe ich mich in den letzten Tagen intensiv mit dem Indien - Pakistankonflikt beschäftigt, weiß nun einiges mehr über Atomwaffenpolitik und die Indische Kultur und Politik. Ziel ist es, in der Generalversammlung zum Ende Resolutionen präsentieren zu können, über die abgestimmt wird. Alles ist sehr formell gehalten. Wir müssen von uns in der dritten Person reden, haben viele Verhaltensregeln zu befolgen und werden uns mit Presse und Security (von Secondyears gespielt) rumschlagen müssen. Ich bin gespannt, ob es wirklich zu kontruktiver Arbeit kommt, oder ob wir uns in "The Delegate of the Peoples's Republic of India would like to ask for permission to go to the restroom" verlieren.

 

Einige der Märzfotos zeigen die Arbeit an einem Spaghetti- Dodekaeder. Die Aufnahmen habe ich während des "Sciendays" letzte Woche gemacht. Die Secondyears hatten Prüfungen, und wir Firstyears haben uns einen Tag (8 - 16 Uhr) lang mit der Kontruktion tragfähiger Spaghetti-Gerüste beschäftigt. Einige Gruppen sind zu wesentlich faszinierenderen, höheren und schöneren Ergebnissen gekommen als ich, aber immerhin konnte unsere Figur eine Menge tragen. Der Sinn dieses Tages war es, unsere Teamfähigkeit genauer unter die Lupe zu  nehmen. Anstatt einen Dodekaeder zu bauen, hätten wir vielleicht mehr Spaß an einer Brücke gehabt, aber die Arbeit in einer Kleingruppe hat ganz gut funktioniert. 

Wer besonders viel Spaß oder Interesse an Teamwork hat, hat morgen während der Youthleadership workshops die Möglichkeit, genauer ins Detail zu gehen. Jedes Jahr werden diese recht professionellen Workshops für sowohl First- als auch Secondyears veranstaltet. Mein Samstag wird ganz im Zeichen von Kommunikation und Menagement stehen.

Ich hätte ein ruhiges Wochenende wirklich gebrauchen können. Den letzten Sonntag habe ich fast vollständig verschlafen. Ich bin zum Frühstück aufgestanden, habe mich dann wieder ins Bett gelegt und bin mit einer grässlichen Laune wieder aufgewacht. Dann bin ich einfach liegen geblieben, wieder eingeschlafen und habe an diesem Tag eigentlich nur eine sinnvolle Sache getan: Trompete üben. Immerhin.

Dazu werde ich dieses Wochenende über keine Zeit haben. Am Samstag Abend findet in Dale ein Musikwettbewerb statt, an dem viele Schüler vom College teilnehmen. Katie hat selbst einen Song geschrieben und begleitet Irina auf der Gitarre, Ingunn kann toll singen und wird sicherlich die Möglichkeit aufzutreten nicht vorbeiziehen lassen usw. Ich werde mir das sicher anhören.

Mein EE (extended Essay = wichtiger Aufsatz fürs Diplom) nimmt langsam Form an. Ich werde es auf Norwegisch über zwei norwegische Kinderbücher schreiben und analysieren, wie die Kinder-Erwachsenen Beziehung dargestellt wird. Es gibt also wieder viel zu lesen. Eben habe ich meine Bücher sortiert und mal aufgelistet. Es sind viele! Neben "Schachnovelle", einem meiner World Literature Bücher, lese ich jetzt noch "Leben wär' eine prima Alternative" von Maxie Wander.

Und anstatt jetzt vorm Computer zu sitzen, werde ich diese Philosophie befolgen und ein bisschen leben!

Bis bald!

Angelika

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So

28

Feb

2010

Peacetime Resistance

Mein gemütliches Glücklichsein-Bett
Mein gemütliches Glücklichsein-Bett

Buh!

Amanda veröffentlicht im Sommer ihr Buch. Wir haben uns darüber gestern auf dem Flur, Icelandhouse, zweiter Stock zwischen Raum 204 und 203, Treppenabsatz, unterhalten.

Josie: "It's quite nice to talk here. It is so unconventional.

Ich: "True, nobody does it. Is that why we are doing it? Propably."

Amanda: "It's because nobody cares when we are talking here. They just don't suspect it might be something important we are discussing."

 

Ich war eigentlich mehr spontan in das Gespräch der beiden  getaucht. Mit meinem prall gefüllten Vokablkasten voller spannender norwegischer Wörter in der Hand kam ich aus Raum 204, wo ich Denniss besucht hatte. Er kommt aus Lettland und hatte einige Monate Deutschunterricht. Gestern haben wir mit etwas begonnen, was hoffentlich eine Fortsetzung findet: Deutschunterricht und seinerseits eine Auffrischung meiner doch sehr eingerosteten Russischkenntnisse. Weil ich mich an diesem Wochenende recht ehrgeizig schulischen Angelegenheiten widmen wollte, war ich also gleich nach der Deutschstunde auf dem Weg zu Bjornar. Der hat dann auch tatsächlich in Multitaskingmanier gleichzeitig "Zopf - flette" und "Sehenswürdigkeit - severdighet" in mein Gedächtnis gerufen, mit Diego und Jesper die Gründung eines "Gentlemanclubs" besprochen und sich anschließend in der Universität Bergen eingeschrieben. Wir beide hatten eine Menge Spaß daran, darüber zu rätseln, ob er lieber Middleeast-studies oder Psychologie oder Religionswissenschaften wählen sollte. Ich finde, er macht es genau richtig: Nach dem IB im Mai wird er mit seinem besten Freund Marius Länder bereisen, in die er nie wieder kommt, wenn er nicht jetzt die Initiative ergreift (Kasastan, Tadschikistan, Russland usw.). Dann hat er ein halbes Jahr zuhause in Bergen, bevor es dann nach West-Sahara geht. Dort steht ein halbes Jahr Freiwilligendienst an, der von der Schule aus organisiert wird. "Was", hat er sich gefragt, "mache ich während des halben Jahres in Bergen?". Die Antwort ist ebenso simpel wie intelligent: "etwas studieren, das mich interessiert, ich aber langfristig nicht als einen ernsthaften Studiengang in Erwägung ziehe." Und weil er weiß, dass er Architektur studieren will, wahrscheinlich im Ausland, hat er sich jetzt für die drei oben genannten Fächer beworben und wird hoffentlich seine Erstwahl machen können.

 

Mir tun diese Unterhaltungen sehr gut. Es gibt so viele Wege in die Zukunft. Oft erlauben Universitäten an denen man angenommen wurde, vor dem Beginn des Studiums ein Jahr Auszeit zu nehmen. Ich könnte in dem Jahr zum Beispiel in einer norwegischen Universität etwas Abstruses studieren, was mich interessiert. Rhetorik beispielsweise. Mein Norwegisch würde sehr gut werden und eine Menge Lebenserfahrung sammelt man bestimmt auch. Träume. Einige mögen sich fragen, was sie schon sind, abgesehen von rosarotem Schaum. Ich finde, dass dieser Schaum auf der Realität ebenso unverzichtbar ist, wie der gut duftende Badeschaum in der Badewanne.

 

Wo war ich? Amandas Buch, richtig! Amanda ist hier eine meiner besten Freundinnen. Eine seltsame Frau oder ein seltsames Mädchen. So genau weiß ich das nicht mehr. Genau kann und will ich auf ihre Seltsamkeit nicht eingehen. Das wäre zu persönlich. Jedenfalls hat sie gerade ihr Buch fertig geschrieben. Ein Buch über die Menschen, die sie erlebt. Ihre Welt aus Perfektion und Stress. Sie ist in mancher Hinsicht wie ich. Aber vielleicht krasser. Im Sommer fahren wir zusammen nach Kroatien. Heute noch werden die Tickets gebucht. Eine achtzehnjährige, die Richtung Psychologie und Journalismus strebt. Erkennt hier jemand Parallelen?! Und nun ist ihr Buch fertig. Naja, sie zweifelt daran. Aber wann ist ein Werk über das eigene Leben schon fertig?! Ich sehe dieses Geschreibe ja recht kritisch und bin gespannt, ob es wirklich zur Fertigstellung kommt. Es wäre toll! Schade, dass ich kein Dänisch kann. Vielleicht sollte ich es mal versuchen.

Die Menschen hier sind fantastisch. Nicht fantastischer als sonst wo auf der Welt. Ich bin mir bloß mehr als sonst über das im Klaren, was ich erlebe.

 

Ein besonderes Erlebnis war die Skiweek vom 21.2. bis zum 26.2. 2010. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel frische Luft. Die zwei Tage Langlauf waren ehrlich gesagt ein ziemliches Desaster, weil ich mich andauernd auf die Nase gelegt habe, aber Abfahrt kannte ich ja schon und dementsprechend konnte ich die Tage auf der Piste genießen. Mit meiner besten UWC-Freundin Tea steckte ich 10 Minuten lang im Lift fest. Es war einer dieser Lifte, der einem im Stehen den Berg hochzieht und wir stoppten ausgerechnet an der steilsten Stelle, den Abhang im Nacken sitzend. Die zahlreichen zehnminütigen Liftfahrten, die Tea und ich an dem Tag unternommen haben, haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Es tut gut, eine Freundin zu haben mit der man Geheimnisse teilen kann und die sich einem ebenfalls anvertraut. Trotz der Intensität, mit der man seine Mitmenschen hier erlebt, fehlt es manchmal an Tiefgang.

Gezeigt zu bekommen, dass man jemandem etwas bedeutet, ist Balsam für die Seele. Mein Geburtstag wurde so zu einer Balsamorgie. Ich habe so viel Post aus Deutschland bekommen! Euch allen tausend Dank dafür. Meine Roomies hatten sich um Mitternacht, irgendwo zwischen dem 18. und 19. Februar auch etwas Tolles ausgedacht und mich im Tagesraum mit Kuchen, Geschenken und vielen Freunden überrascht. Ich saß noch bis zwei Uhr nachts wach und habe Briefe gelesen, ausgepackt, dem Obstteller, den sie vorbereitet hatten den Garaus gemacht und mich pudelwohl gefühlt. Am nächsten Morgen stand dann auch gleich der Geschichtstest an, auf den ich mich glücklicherweise gut vorbereitet hatte und der dementsprechend glatt lief. In der Kantine wurde aus Versehen zwei Mal für mich gesungen und ansonsten war der Tag ganz normal. Ich habe mir Zeit für mich genommen, gelesen, geschlafen, geträumt. Beim Abendessen überraschte mich dann noch sehr liebe Post aus Hong Kong von einem Coyear, der mir original Essstäbchen schickte und ein Päckchen von meiner besten Freundin Wiebke, die mir durch ihre Teebotschaft einige Abende versüßt. Siebzehn Jahre alt zu sein fühlt sich gut an. Es ist ein Alter, in dem man irgendwie schwebt. Nicht erwachsen, nicht Kind ist. Ich mag das.

 

Heute war es besonders das Gespräch mit Wiebke, das mich glücklich gemacht hat. Im K-Building saß ich lange am Panoramafenster und habe die frühlingswarme Sonne in meinem Gesicht genossen, die Logarithmen irgendwie glamouröser scheinen ließ. Jetzt höre ich Johanns Abschieds CD und werde gleich meine Eltern anrufen. In der kommenden Woche schreiben die Secondyears ihre Probeexamen und die ganzen lernenden Gestalten wecken erneut meinen akademischen Ehrgeiz, der sich in der kalten Winterluft Norwegens manchmal ein bisschen verflüchtigt.  Der Brief an meinen Bruder muss unbedingt abgeschickt werden und ich sollte meinen Englischlehrer mal um die Rückgabe meines Englischaufsatzes bitten.

Alles eine Frage der Eigeninitiative?! Es kann ganz schön anstrengend sein, selbstständig zu sein.  :)

 

Angelika

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Mi

17

Feb

2010

Tell her about it

Ihr lieben!

Wieder ist eine Woche um, eine Woche voller Ereignisse, die kaum geschehen auch schon wieder von etwas neuem verdrängt werden. Neben einem Biologie- und einem Norwegischtest und der angemessenen Vorbereitung stand u. a. der Valentinstag auf dem Programm. Offensichtlich wird der Tag der Liebe besonders in afrikanischen Ländern groß gefeiert, während er in den Westeuropäischen Ländern konsumtechnisch mit Weihnachten und Muttertag zweifellos mithalten kann und so zu einer rein geschäftlichen Sache verkümmert. „There are fights on the streets. Men fighting for a woman, women showing their jealous and nasty side – it’s always a big event” (Nyima, Gambia) - da klingt etwas aufregend exotisches mit. Das ist UWC eben auch.

Und weil wir UWCler eben gerne feiern, wurde die traditionelle Valentinesshow wie jedes Jahr in der Hoegh veranstaltet. Damit einher ging ein Blinddate, für das man sich schon Wochen vorher eintragen konnte. Ich habe die Open Mic, eine richtige Stand-up Veranstaltung genossen. Es gab Kuchen, Kakao und Kerzenschein und mittendrin viele Küsse. Ein bisschen verloren habe ich mich da schon gefühlt ;-)

Ganz nebenbei ist der 14. Februar auch Neujahr in vielen asiatischen Ländern wie China und Sri Lanka. Als ich nachmittags irgendwann auf dem Weg zu Josies Zimmer war um mit ihr einen Film zu sehen, kamen hinter einer ungewohnt prächtig geschmückten Tür am Ende eines der Schülerflure verdächtige Geräusche herübergeweht. Nicht wissend was sich hinter der Tür verbarg, habe ich sie einfach mal geöffnet und stand recht ahnungslos dreinblickend auf einmal in den chinesischen Feierlichkeiten einer der Lehrerinnen. Ich hatte keine Ahnung, dass sie im Icelandhouse in einem kleinen Apartment unmittelbar neben den Schülern lebt. So kam es also, dass ich in einige chinesische Essgewohnheiten eingeführt wurde. Einige Coyears waren auch da und haben auf einem Tischofen interessantes Essen geschmurgelt. Auf einer großen Leinwand liefen chinesische Neujahrsansprachen.

Den Film mit Josie habe ich dann aber doch noch gesehen. Zumindest haben wir „Becomming Jane“ angefangen, denn hier hat man nur selten genug Zeit für einen kompletten Film. Wir saßen auf einer Decke im Badezimmer, lehnten uns an die abgeschlossene Tür. Der Computer stand auf dem Mülleimer vor uns und somit wurde der Blick  von dem Klopapiervorrat an der gegenüberliegenden Wand auf Anne Hathaway und Co gelenkt. Wir wollten Josie Roommates nicht vom Lernen ablenken und in den Tagesräumen herrschte entweder grausiges Chaos oder geschäftiges Treiben. Bathroomparties (meistens mit nicht regelkonformem Verhalten gepaart) sind recht häufig geworden in den letzten Wochen, wir zwei hatten unsere private – ganz ohne zweifelhafte Nebenbeschäftigungen.

Ein anderes interessantes Ereignis dieser Woche waren die „Firstaidscenarios“. Das serbische Ersthelferteam, das bei den Weltmeisterschaften im Verarzten antreten wird ist seit einigen Tagen in Flekke und wird hier auf dem Schulgelände auf den Wettkampf vorbereitet. Schon seit einigen Jahren kommen immer wieder neue Mannschaften und seit Beginn dieser Ära sind die Serben immer Weltmeister geworden. Wir Schüler mimen mit großer Begeisterung (besonders bei den Theaterschülern) die Verletzten und werden dafür spektakulär herausgeputzt. Die Schminke, die wir uns gegenseitig aufkleistern ist fabelhaft und sehr langlebig, wie ich nach drei Duschen und einem Poolbesuch immer noch sehen konnte. Einmal war ich in einen Autounfall verwickelt und hatte ein Schleudertrauma mit Wirbelsäulenverletzung. Das andere Mal haben wir einer Freundin, die Norwegerin Alexandra, mit einer wachsähnlichen Masse ein Loch in der Brust präpariert. Ein Skistock hatte ihre Lunge durchbohrt. Ich, in Panik und um Hilfe rufend (auf Deutsch, das hat die Ersthelfer aber nicht aus der Ruhe gebracht) fiel während des Szenarios dann eine schneebedeckte Mauer herunter und landete recht unsanft im Tiefschnee. Mein Knöchel war reichlich blau und kalt war es, denn ich war ja vollkommen durchnässt. Brr. Gut, dass das serbische Team Decken und anderes Material mit dabei hatte.

Es hat unglaublich viel Spaß gebracht.

Die kommende Woche wird sicherlich ähnlich kalt und nass, denn am Sonntag fährt die gesamte Jahrgangsstufe in die Berge und fährt Ski. Wir werden permanent beschwört, auch ja die lange Unterwäsche einzupacken und viele Wollsocken mitzunehmen. Die meisten von uns werden in einem Hotel bleiben, aber ich schlüpfe in die Rolle eines Survivors und werde in einer nahegelegenen Hütte bleiben, in der es keine Elektrizität gibt. Wenn schon, denn schon!

An zwei Tagen werden wir Langlaufausflüge machen, an den anderen Tagen in Slalommanier die Berge runter sausen. Es ist jedoch klar, dass bei weitem nicht jeder hier schon je auf Skiern gestanden hat. Bei den Langlaufskiern zähle ich dazu. Aber wir werden gut angeleitet werden und die Secondyears schwärmen in einer Tour von diesen Tagen, die nun bevorstehen. Ich freue mich schon darauf!

Das waren wieder einige Highlights des UWC-Lebens. Ja, es gäbe noch so vieles mehr zu berichten. Und es ist nicht alles rosig. Schüler tendieren dazu, gegen Regeln zu verstoßen und so manche Privilegien zu riskieren. Und an einigen Tagen fühle ich mich auch einfach nur nicht verstanden und will den ganzen Tag über alleine sein. Dennoch ist es sehr bereichernd, hier zu sein. Es ist eine fabelhafte Erfahrung mit Höhen und Tiefen. Leben eben. 

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Fr

12

Feb

2010

Les mots

Alles ist gut: Das Internet spinnt, ich bekomme eine leere e-Mail, die Leute leiden unter Neophobie und wir diskutieren Foreign Aid. Freitag ist der beste Tag: Snikkarbua, World Today, Schlafen. Aufstehen war die letzte Woche über schwer. Alltag. Briefe schreiben, Arbeiten schreiben, e-Mails schreiben. Reden schreiben. Schülerzeitungsartikel.

Ich vermisse euch.

Schreibt mir!

IB Paper
IB Paper
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Do

04

Feb

2010

Wenn jetzt Sommer wär

Hallo!

Der gestrige Tag war wohl ein bisschen viel. Heute liege ich mit einer dicken Erkältung im Bett (irgendwo schon wieder auf dem Weg der Besserung). Was ist passiert? Nun, am Dienstagabend wurde mit ernster Miene angekündigt, dass der Herr Direktor zu einer extraordinären Vollversammlung um acht Uhr am Mittwochmorgen einlud. Die Gerüchte über den Inhalt dieser sehr ernst klingenden Aufforderung machten schnell ihre Runde. Hier am Campus können die Wände hören und nicht einmal die kleinste und harmloseste Spekulation entgeht den 389"Nachbarohren". Vielerorts wurde gemunkelt, man würde nun endlich etwas über die Öl-Situation am College erfahren. Wie schon an anderer Stelle berichtet, sind noch immer zwei der drei Schulgebäude wegen gesundheitsschädigenden Gerüchen geschlossen. Diese resultieren aus einem Leck in der Heizanlage des Rehabilitationszentrums, aus dem mehrere Tonnen Öl in den Fjord und in den Boden geflossen sind.

An anderer Stelle erzählte man sich tatsächlich, dass der Unterricht über einen längeren Zeitraum ausfallen würde und Schüler deswegen nach Hause müssen. Gepackt wurde angeblich auch schon, aber wer glaubt schon solchen Geschichten?!

Die Spekulanten hatten Unrecht, denn wie sich gestern Morgen herausstellte, hatte die Vollversammlung nichts mit derartigen Umständen zu tun. Der Anlass war sogar alles andere als unerfreulich: Die Schülervertretung hatte nun nach etlichen Jahren Überzeugungsarbeit endlich durchgesetzt, sog. "Überraschungstage" einzuführen und dadurch den Schulalltag aufzupeppen. Die Freude im Auditorium war groß, als Rektor John das Wort nach einigen beschwichtigenden Sätzen an Daniek und Marius weitergab und sie verkünden ließ, dass heute "Snowday" sei und der Unterricht zugunsten von Aktivitäten im Freien ausfallen würde.

Hintergrund dieser Strategie ist, dass Schüler zu Bewegung und dem Schnappen nach frischer Luft motiviert werden, weil sie in die Plänen nur sehr kurzfristig eingeweiht werden und so kaum Zeit dazu bleibt, sich wieder im Bett zu verkriechen und den Tag mit zusätzlichem Lernen zu verbringen. Deswegen jedenfalls wurde die Sitzung um acht Uhr einberufen. So war man wach und konnte aus dem freien Tag etwas Sinnvolles machen! Wahrhaftig hat es sich gelohnt. Wir pilgerten alle warm eingepackt zum Schlittschuhsee, der zwischen Flekke und dem College liegt, und als dann 200 Schüler quer Feld ein gestapft waren, war der zunächst kniehohe Schnee soweit planiert worden, dass sich der Abhang ganz vorzüglich zum Rodeln und Skifahren eignete. Ich hatte lange keinen solchen Spaß im Schnee gehabt. Die Temperaturen (minus 20 Grad) hatten zur Folge, dass Wimpern und Haarstränen, die sich unter den Mützen hervor schoben bald von einer Raureifschicht überdeckt waren. An einigen Stellen wurden kleine Holzfeuer gemacht und auf ihnen heiße Schokolade gekocht. Die Skandinavier genossen es sichtlich, auf Langlaufskiern die Wiesen runter zu fahren oder über Schanzen zu springen. Ich hatte viel Spaß daran, mit Craig auf Plastiktüten den Eiskanal in Rodelmanier unsicher zu machen. Um die Mittagszeit waren dann alle müde und durchgefroren und machten sich zurück auf den Weg zur Kantine. Gegen zwölf Uhr zieht es uns alle mittlerweile instinktiv in diese eine Richtung. Nach der Stärkung machten die Hartgesottenen weiter, ich begnügte mich mit Auftauen und Schlafen. Frische Luft macht müde.

So weit, so gut. Der eigentliche Stress begann am Nachmittag und zog sich bis in den späten Abend. Erst habe ich mich mit einem SAT (Stupid American Test)-Buch hingesetzt und mal geschaut, was die amerikanischen Universitäten denn eigentlich verlangen. Jeder, der sich an einer amerikanischen Universität bewirbt, muss SAT 1 und SAT 2 ablegen. Ein bestandener SAT 1  bescheinigt Grundkenntnisse in Mathe und Englisch, SAT 2 erweitertes Grundwissen in zwei weiteren Fächern. Ich bin mal den Französischtest durchgegangen, und habe glücklich festgestellt, dass ich nicht einmal wirklich dafür lernen müsste.

Recht hektisch habe ich mich dann auf den Weg ins Auditorium gemacht. Fast hätte ich doch tatsächlich die zweite Nordic Studies Sitzung verpasst, in der es dieses Mal um die Geschichte Skandinaviens ging. Von drei Secondyears wurde das an sich eher staubige Thema unter der Überschrift „From Vikinghelmets to tight pants“ sehr lebhaft und unterhaltsam präsentiert. Direkt im Anschluss an diese Stunde habe ich mich in die Bibliothek gesetzt und Bio gelernt (der nächste Test steht in naher Zukunft an). Dann gab es auch schon Abendessen und direkt danach eine Einführung in „Firstaid“. Nachdem meine Coyears und ich nach zwölf Stunden intensiven Trainings nun Ersthelfer sind, bietet sich die Möglichkeit, schon bald Teil des Firstaidteams zu sein und ein Mal in der Woche drei Stunden lang weitergebildet zu werden. Da bei mir das grundsätzliche Interesse an so einem Programm besteht, bin ich zu diesem erläuternden Treffen gegangen. Anschließend habe ich aber für mich beschlossen, nicht auch noch diese sehr zeitintensive Aufgabe übernehmen zu wollen.

Mit dem Ende jenes Treffens begann auch schon das nächste: Im kommenden April findet wieder ein Global Concern statt und in diesem Halbjahr bin ich Teil des Organisationsteams. Es galt bei diesem ersten Treffen, drei Themen zu ernennen, die der Schülerschaft zur Wahl gestellt werden sollten. In Kleingruppen wurden zunächst jeweils drei Themen gefunden. Die gut 20 Themen wurden dann schließlich in sehr große Bereiche zusammengefasst:

Culture and Subculture

Globalisation and Responsibility

Education

Technology

Art and Media

Am Ende haben wir uns dafür entschieden, Globalisation and Responsibility, Education und Art and Media als mögliche Global Concern Themen mit ins nächste Collegemeeting zu nehmen.

Eigentlich sollte ich nach diesem Treffen noch eine Chorprobe haben. Aber ich habe dem Lehrer kurzerhand eine entschuldigende Mail mit einer Absage geschickt. Ich bin sehr erkältet und obwohl unser Auftritt bei der Europeanshow am kommenden Samstag ist, befand ich es für sinnvoller mich ins Bett zu legen. Das war ungefähr um halb neun. Seit drei Uhr nachmittags war ich nicht mehr in meinem Zimmer gewesen. Ich bin recht schnell eingeschlafen, musste allerdings um zehn Uhr wieder aufstehen, denn eine Hürde galt es an diesem Abend noch zu nehmen: Die Probe der Blechbläser. Ebenfalls für die Europeanshow hat sich eine sechsköpfige Gruppe von Blechbläsern zusammengefunden, die nun die Europafanfare einübt. Nach einer mehr oder weniger desaströsen ersten Probe am Dienstag, war mein Erscheinen gestern Abend wichtig. Ich bin die einzige Trompete und es macht mir viel Freude, mein liebes Instrument endlich einmal wieder aus seinem Koffer zu lassen.

Heute Morgen bin ich dann mit Kopfschmerzen und Halskratzen aufgewacht. Eigentlich wäre ich gerne zum Bio- und Englischunterricht gegangen. Im Nachhinein hat sich allerdings herausgestellt, dass wir im Englischunterricht nicht wirklich vorwärts gekommen sind. In Geschichte wurde ein Film gesehen und in Bio war ich eh schon weiter als der Rest. Von daher wird es wohl nicht problematisch, aufzuholen was ich verpasst habe.

Heute Abend stehen die ersten Wahlen für die Schülervertretung auf dem Programm. Mehrere Mitschüler stellen sich für das Amt des Communication Representatives und des Board Representatives zur Wahl. Ich bin gespannt, ob wir heute schon zu einem Ergebnis kommen, oder ob eine zweite Runde nötig werden wird. An meiner Rede muss ich auch noch weiterschreiben. Allerdings werden die Aspectworker erst am 10. Februar gewählt.

Wie ihr sicherlich gesehen habt, gibt es nun endlich wieder Fotos auf dieser Homepage. Ich bin auch fleißig am Lesen, deswegen wird sich sicherlich auch die Rubrik „Lesen“ bald wieder neuen Inhalts erfreuen. Ich freue mich immer wieder, dass ich so viele Rückmeldungen zu dieser Seite bekomme!

Bis bald!

Angelika

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Do

21

Jan

2010

Tag 4

Ergebnisse Donnerstag, Tag 4

 

Heute hatte ich es nicht immer leicht. Am Ende des Tages ist trotz allem wirklich alles gemacht, und im Zeitramen bin ich auch geblieben. Jedoch hat es mich das Arbeiten heute manchmal ein bisschen Überwindung gekostet. Es ist einfach körperlich anstrengend, täglich mindestens 4 Stunden zu lernen. Außerdem hatte ich ja auch noch ein anderthalbstündiges World Today meeting, anderthalb Stunden Mittagspause und ein einstündiges Treffen mit ein paar Leute, mit denen ich an einem Projekt arbeite, das ich hier jetzt nicht länger erläutern werde. Aber das kommt noch ;-)

Von den 9 Stunden, während denen ich lernen könnte, sind also bereits 4 Stunden anderweitig verplant. Es bleiben noch 5 Stunden, und die sind sicherlich gut ausgefüllt!

In der World Literature Stunde habe ich heute mit dem kritischen Lesen von "Irrungen Wirrungen" begonnen. Wieder waren viele Klebezettel im Einsatz. Die World lit. Stunde macht mir immer Spaß, weil Lesen ja im Grunde Freizeit ist. Nachdem ich dann bis um 15:45 Norwegische Texte gelesen und Hausaufgaben gemacht hatte und zudem noch mit einem freieren Text begonnen hatte, habe ich noch an meiner Rede "herumgedacht", die ich für die Wahl der Schülervertretung vorbereite. Im Zusammenhang mit diesem Ereignis, in das ich ebenfalls viel Energie stecke, lese ich ein Buch über Rhetorik. Lange habe ich es allerdings nicht mit mehreren Tassen Suppe und einem Buch in meinem Bett ausgehalten. Um zehn nach vier habe ich eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben das erlebt, was man "Powernapping" nennt. Mein World Today Meeting begann um halb fünf, ich hatte knapp zehn Minuten zum Ausruhen. Es fühlt sich fantastisch an. Zu merken, wie man immer schwerer und müder wird, dann ein paar Minuten zu dösen. Diese Schwebe zwischen Schlaf und Wachheit hat mir einen Energieschub gegeben, den ich dann in das Treffen (ich musste mich überwinden, wirklich hinzugehen) mitgenommen habe.

Nach Essen und Projektarbeit habe ich bis eben an Biologie, Geschichte und Mathe gesessen. Für den Englischblock habe ich heute im Unterricht Futter bekommen und konnte nun einige Zeit dafür verwenden, über sprachliche Mittel im Journalismus zu lesen. Das Internet ist eine Quelle, die vieles so viel einfacher macht!!

Tory meint, ich sollte mal was anderes machen. Aber das hier bringt mich weiter und macht mir auch noch Spaß. Ich lerne gerade viel darüber, was ich kann und was nicht. Offenbar ist es mehr, als ich in Deutschland je gemacht habe. Und die Mitternachtregel sowie das strikte Einhalten der Essenspausen hält das Projekt im Rahmen. Wirklich viel Zeit zum Freundetreffen habe ich allerdings nicht. Am Wochenede werden dann Mails geschrieben, vielleicht auch ein Brief. Und ich muss an meiner Rede schreiben, Freitag einen World Today Vortrag über "Nacktscanner" halten und außerdem habe ich International Dance. Get a life!!

Cheers!

Angelika

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Mi

20

Jan

2010

Tag 3

Ergebnisse von Mittwoch, Tag 3

 

Mein Experiment trägt erste Früchte! Der überraschende Mathetest hat mich in keiner Art und Weise aus dem Konzept gebracht. Die volle Punktzahl, welche erreicht wurde, ist eine Bestätigung dafür, wie sinnvoll mein Experiment ist. Fragen, die während meiner Wiederholungen gestern aufgekommen waren, konnten heute im Unterricht geklärt werden. Das macht den Lernprozess flüssig, denn es herrscht kontinuierliche Entwicklung und nicht mehr das Frage-Antwort -Spiel, das mit täglicher Unterbrechung üblicherweise von Lehrern und Schülern gespielt wird.

Ich habe heute direkt nach dem Unterricht angefangen, meinem Stundenplan zu folgen. Wieder einmal hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, eher schneller zu arbeiten und in einer Stunde auch wirklich zwei Fächer abzuarbeiten. Die World-Today Gruppe hatte nämlich abends um halb neun eine anderthalbstündige Sitzung, die die aufkommende World Today Sitzung am Freitag betraf. Das hat mich allerdings aufgrund weiser Voraussicht nicht von meinem Arbeiten abgehalten. Eben so wenig Einfluss hatte die unvorhergesehende "Nordic Studies" Sitzung im Auditorium (eine weiter Stunde). Sie hat mir blos meine Pause geklaut, aber im Grunde war es sehr entspannend, etwas über die nordischen Länder zu erfahren!

Nach dem Abendessen habe ich in der Bibliothek - Raumwechsel steigern die Leistungsfähigkeit - Bio gelernt. Es hat sich herausgestellt, dass ich mitlerweile weiter als mein Kurs bin. Was macht man in so einer Situation? Sich bremsen um Langeweile während des Unterrichts vorzubeugen oder eher dem persönlichen Interesse den Vortritt lassen und Schemata zeichnen, unter Zeitdruck alte Klausuren machen?! Ich habe mich für letzteres entschieden. Im Unterricht wird mein Wissen dann ergänzt und ich kann Fragen stellen, die während der Eigenarbeit aufgekommen sind.

Im Geschichteblock, der durch das World Today meeting leicht nach hinten verschoben wurde, habe ich mich dieses Mal wirklich mit Aufarbeitung und Wiederholung beschäftigt und einen Zeitstrahl erstellt, der immerhin schon von der Gründung des Zollvereins 1834 bis hin zum Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 reicht.

Im Norwegischblock ist nicht groß etwas neues passiert.

Weil ich gestern weit vor Mitternacht im Bett war, bin ich heute gut ausgeschlafen gewesen und konnte sehr enthusiastisch die Anforderungen bewältigen. Es hat gut getan, etwas zu tun. Trotzdem hat dieses Gebundensein auch seine Nachteile. Eine Einladung zum Tee von Joana musste ich aufs Wochenende verschieben, das übrigens weitaus weniger voll ist als die Nachmittage und Abende unter der Woche.

Gute Nacht!

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Di

19

Jan

2010

Tag 2

Ergebnisse Tag 2, 23:30h

Ich hatte vorher selten einen so ausgefüllten Tag. Direkt nach dem Collegemeeting stand von 14 Uhr bis 16:00 Uhr mein Bastel-EAC auf dem Programm. Mein sozio-psychologisches Experiment konnte also erst um kurz nach vier wiederaufgenommen werden. Die ursprünglich eingeplante Pause zwischen EAC und Arbeitsbeginn habe ich ausgelassen, was mir erlaubte, im Verlaufe des Abends noch eine Pause zu machen. Im Matheblock konnte ich einen Sachverhalt nachvollziehen, der vorher noch nicht klar war. Ähnlich verhielt es sich im Zeitfenster für Biologie, das wegen ausführlicher Recherche und verstärktem Interest für Genetik auf eine Stunde ausgeweitet wurde.

Der Weltliteraturblock ist bisher besser ausgefüllt als der Englischblock. Es ist sehr nützlich, sich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde für dieses Fach frei zu halten. Immerhin basiert es auf eigenständigem Erarbeiten von Literatur in der eigenen Muttersprache.  "Von Mäusen und Menschen" von John Steinbeck ist nach einer sehr entspannenden Leseeinheit um einige Klebezettel und anregende Notizen reicher...

im Englischzeitraum habe ich begonnen, mich mit meinem sog. "Written Task" beschäftigt. Im Laufe der zwei Jahre am RCN müssen zwei 1500-wörter Werke verfasst werden, die sich auf kreative Art und Weise einmal mit Literatur und das andere Mal mit Massenkomunikation/ Medien befassen. Sich etwas originelles einfallen zu lassen, was vorher noch nicht zig mal dagewesen ist (am liebsten sind mir unvoreingenommene Lehrer) bedarf einiger Zeit und Planung.

Meine halbe Stunde mit Norwegisch habe ich im Tagesraum verbracht und Vokabeln gelernt. Das regelmäßige Üben trägt im Unterricht Früchte. Ich werde versuchen, bald einen eigenen ausführlicheren Text zu verfassen.

Den Geschichtsblock habe ich mit Hausaufgaben verbracht.

 

Das Experiment gestaltet sich als sehr ausfüllend. Das unglaubliche Wetter, stabiler Sonnenschein und glitzender Schnee beflügeln mich. Musikalische Untermalung meiner zahlreichen Stunden am Schreibtisch machen es einfacher, sich aufzuraffen und wirklich konsequent zu arbeiten. Ich habe mir vorgenommen, auf jeden Fall um Mitternacht im Bett zu sein. Das trägt mindestens so viel zum akademischen Erfolg bei, wie regelmäßige Lerneinheiten.

Ahoi!

 

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Mo

18

Jan

2010

Ich will jetzt gleich König sein.

Hallihallo! Wenn jetzt jemand ins Zimmer kommen würde, böte sich dem Besucher ein lustiger Anblick: Ich sitze an meinem Schreibtisch, die Kopfhörer in meinen Ohren und groove zu "Ich will jetzt gleich König sein" aus König der Löwen. Meine Füße liegen auf dem Schreibtisch, der Laptop steht auf meinen Knien. Zudem bin ich ziemlich bunt angezogen (Teresa, du weißt was ich meine, oder?). Mir gehts gerade gut. Eigentlich habe ich montags um diese Uhrzeit Poolaufsicht, aber wir sind zu dritt und es werden nur zwei gebraucht. Letzte Woche war Alex zu beschäftigt, also nehme dieses Mal ich die Auszeit.

Heute ist ganz offiziell Tag 1 meines Lernexperiments: Pro Tag eine halbe Stunde für jedes Fach. Ich werde versuchen, täglich einen kleinen Bericht über die Fortschritte, Ergebnisse und Konsequenzen schreiben.

Der Versuchsaufbau:

Ein Zeitfenster von 60 Minuten für die Fächer, die ich am nächsten Tag als Unterrichtsfach habe. Ein Zeitfenster von 30 Minuten für die Fächer, die ich nicht am nächsten Tag habe.

Ablauf:

Jedem Fach werden am Nachmittag mindestens dreißig Minuten (in größeren Zeitfenstern auch mehr) meiner Freizeit geopfert, in denen ich wiederhole, Aufgaben mache und zuletzt Gelerntes in den Kontext des gesamten Faches einordne.

Ergebnis Tag 1, 17:50h

Der 60 min Geschichtsblock war gut ausgefüllt. Das erfordete Essay wurde geschrieben und zusammenfassend Notitzen zum Thema "White forces in the russian Civil War 1918-1923" gemacht. Eine Wiederholung größerer Zusammenhänge war zeitlich nicht möglich.

Die geplanten 30 Minuten Mathe haben nicht gereicht. Das wurde durch die 30 Minuten Pause, die als Puffer eingeplant waren, abgedämpft. Ich musste trotzdem recht abrupt abbrechen, weil das Zeitfenster um war. Die Sinusfunktion und Vektoren bedarfen mehr Zeit.

30 World Literature war ebenfalls gut mit dem Lesen von "Von Mäusen und Menschen" gefüllt. Nebenbei konnten nützliche Notitzen gemacht werden, die sicherlich einen positiven Einfluss auf spätere Klausurvorbereitung haben. Trotzdem wurde das Zeitfenster überschritten.

Die verbliebenen 20 Minuten Englisch haben für eine schriftliche Stellungnahme zur Frage "Is it right for a newspaper to reveal private sexual interest?" gereicht.

Um sieben Uhr habe ich 60 Minuten für Biologie - ich nehme die Unterlagen gleich mit in die Kantine, dann kann ich nach dem Essen in der Bibliothek lernen.

Um neun Uhr folgt dann noch eine Stunde für Norwegisch: Extraaufsatz schreiben und Vokabeln wiederholen.

Fazit des Tages:

Es bleiben im Zeitraum von 14:30 bis 23:00h 2 Stunden zum Freundetreffen, dösen etc. Außerdem bleiben anderthalb Stunden Zeit zum Essen, das Verfassen dieses Artikels inklusive. Bisher hat das Experiment noch nicht ergeben, dass wirkliche Wiederholung länger zurückliegender Themen möglich ist. Es bleibt allerdings abzuwarten wie sich das Experiment dahingehend entwickelt. Gefühlsmäßig war mein Nachmittag sehr ausgefüllt. Das Arbeiten an so strenge Zeitvorschriften ist nützlich, die Produktivität steigt bereits merklich. Trotzdem ist es ermüdend.

 

Und nun zurück zu den Erlebnissen der vergangenen Tage!

Gestern Abend hat Tea ein Treffen für alle die organisiert, die Deutsch als Fremdsprache hatten. Ich war natürlich auch eingeladen und saß dann abends mit Christoffer (Dänemark), Tea (Bosnien), Woyitech (Polen/Schweden), Katie (Wales), Adrian (Ungarn) und Riccardo (Italien) im Tagesraum bei der obligatorischen Tasse Tee. Wir haben natürlich konsequent Deutsch gesprochen, uns über Erfahrungen im Deutschunterricht unterhalten und ich konnte dabei feststellen, wie unterschiedlich effektiv der Unterricht in den verschiedenen Ländern ist. Riccardo hatte zwar nur drei Jahre Unterricht, scheint sprachlich aber begabt zu sein und hatte zudem noch Unterricht mit Schülern, die schon stofflich viel weiter waren. Seine Grammatik ist toll und seine Aussprache auch. Wortschatztechnisch scheint Katie am weitesten hinten zu sein. Sie hatte schon länger keinen Unterricht mehr und hat das meiste vergessen, weil es ihr damals keinen Spaß gemacht hat. Christoffer kann viel aus Liedtexten und durch seinen deutschen Freund in Dänemark, mit dem er sich viel über die Weltkriege unterhält. Der Wortschatz ist dementsprechend geprägt. Tea hatte neun Jahr lang Unterricht und spricht wirklich gut. Ich mag, wie sie die Worte ausspricht. Ausländer Deutsch sprechen zu hören, macht Deutsch irgendwie schöner. Viele nehmen Deutsch als eine Sprache mit vielen harten Lauten war und finden sie entweder hässlich oder besonders cool. Da scheiden sich die Geister. Ähnlich dem Lateinunterricht liegt der unterrichtliche Schwerpunkt offenbar eher auf Grammatik als auf Wortschatzübungen. Das ist schade und verdirbt einigen Lerntypen sicherlich den Spaß an der Sprache.

 

Ein anderes Highlight meines Wochenendes war mein Besuch bei Fred und seiner deutschen Freundin Maret, die zusammen in Teachers' Hill leben. Maret und ich verstehen uns sehr gut und hatten wieder eine Menge Spaß. Wir habe uns über Literatur unterhalten, über unsere Ferien geplaudert und Mandarinen gegessen. Es war wieder einmal schön!

Am selben Abend noch hatte ich ein Advisormeeting bei Angie. Der Kamin war an, draußen war alles weiß. Es war einfach kooselig, wie die Norweger sagen würden - gemütlich. 

Samstag war Party in der Hoegh. Fiesta Latina war das Motto, und so waren auch alle angezogen. Ja, ich auch. Trotzdem hatte ich dann nach einigen Minuten keine Lust mehr. Warum weiß ich auch nicht. Ich habe dann seit längerem mal wieder Jens-Martin besucht. Der hatte am nächsten Morgen seine mündliche Prüfung für Norwegisch und war sich auch nicht sicher, ob er gehen wolle. Deswegen haben wir dann einfach in seinem Bett gesessen, die Vorhänge zu gemacht und einen sehr komischen Film gesehen. Ich erinnere mich gar nicht mehr an den Titel.

Pujan kommt gerade rein, ich gehe jetzt was essen. Bis später!!

Hilsen

Angelika

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Mi

13

Jan

2010

Hakuna Matata

Gute Musik im Ohr, Honigbalsam auf den Lippen und einen heißen Früchtetee in meiner Lieblingstasse. Leben, frei nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts? Nein, das würde ja miteinbeziehen, dass man für gewöhnlich mit Glücksgefühlen geizt. Wie unmenschlich!

Alles ist gut. Ich habe mir vorgenommen, als erste Erungenschaft des Tages das Lächeln gleich nach dem Weckerklingeln um halb acht zu sehen. Immerhin ist dieses Geräusch ja der Auslöser für all die täglichen Erfahrungen, die wir sammeln, oder? Warum den Tag also nicht grundsätzlich mit einem Lächeln beginnen?! Und wenn ich dann so in meiner Koje liege, die mitlerweile übrigens dank eines organgenen Betthimmels noch viel gemütlicher geworden ist, meine Mundwinkel in konzentrierter Anstrengung nach oben bewege und darüber nachdenke, wie lustig das aussehen muss, dann erheitert mich mein eigenes Lächeln und es wird zu einem authentischen. (Herzlich wilkommen in der Welt der Schachtelsätze!)

Es war wirklich gut, wieder hier nach Flekke zu kommen. Glücklicherweise bagab ich mich in die Hände einer skandinavischen Landschaft, die mit ihrer winterlichen Schönheit alle Sorgen zunichte machte. Winter in Skandinavien - minus 20 Grad (auch wenn der Wetterbericht was anderes sagt. Alles eine Frage der Interpretation...). Diejenigen, die das nicht gewohnt sind, konnten zu Beginn nicht tief einatmen, dabei fühlt sich die kalte Luft so gut an. Alles ist weiß. Das schönste sind die schneebedeckten Fjorde. Quadratkilometer große, unberührte Schneefelder. Auf dem Weg mit dem Bus vom Bootsanleger zum College kamen wir durch Wälder, deren Bäume wie riesige Eisskulpturen fast anmutig den Blick auf die "Straße" versperrten - von meinem Sitzplatz aus jedenfalls. Ich hatte den Eindruck, dass der Busfahrer genug gesehen hat. Viel schöner noch waren die unglaublichen Eiszapfen und gefrorenen Wasserfälle, die an den Felswände zu kleben schienen. Manchmal war das Wasser sogar auf dem Schnee auf dem Boden gefroren und gab ihm so eine Art Glasur. 

Es ist schön, wieder Unterricht zu haben. Ich habe ein wahnsinng gutes Feedback für meinen Englischaufsatz bekommen, und offenbar einen perfekten Labreport wiedergekriegt. Was Glücksgefühle verursacht ist doch immer wieder spannend zu sehen. Mit meinen Roomies Dieynab und Julia verstehe ich mich immer besser, weil wir uns einfach immer mehr zu sagen haben. Mit Josy und Ingilin verbringe ich einige Zeit, mein bester Freund Craig aus Kanada war einer der ersten, die mich in meiner Corner besucht haben. Trotzdem ist ganz klar, und nach den Ferien vielleicht noch mehr als sonst, dass man nicht mit allen auf einer Wellenlänge ist. Manchmal scheint es, als könne man mit einigen Mitschülern gar nicht tiefsinnige Gespräche führen. Aber danach strebe ich auch nicht.

Gestern hatte ich meine erste ToK Stunde (Theory of Knowledge - ihr gewöhnt euch besser schnell an diese Abkürzung. Ich überlege ernsthaft, eine Art Nachschlagewerk für all die College - Abkürzungen zu erstellen. Es gibt zig!). Es ist ein bisschen hinderlich, den Direktor als Lehrer in diesem Fach zu haben, weil der einfach viel zu häufig unterwegs auf UWC-Mission ist. So hat dann die erste Stunde auch gleich Edmund (der Mann meiner Advisor Angie, ehemaliger buddhistischer Mönch) übernommen. Ein wunderbarer Mann, mit dem ich mich sehr gut verstehe.

Was ist TOK? Nun, die erste Stunde verbrachten wir tatsächlich mit einer Erläuterung diesen Begriffes. Entstandne ist ToK mit der Studentenbewegung in den 60s. Besonders in Amerika setzte sich zu der Zeit der Gedanke durch, dass eine derart frühe Spezialisierung auf ein Sachgebiet, wie sie im amerikanischen Schulsystem vorgesehen war, keinen Sinn machen würde. Deswegen begann man, das IB zu schöpfen. Ein bisschen hier von, ein bisschen davon. Künste, Geisteswissenschaften, Sprachen und Naturwissenschaften für alle!

Und doch schien den Machern dieses guten Systems noch ein Puzzleteil zu fehlen, als sie die 6 Fachbereiche eingeführt hatten. Was rechtfertigte dieses System? Was hielt alles zusammen?

Die Grundidee von TOK ist, dass das, was uns als wissenswert angeboten wird, gerechtfertigt werden muss. Das simple Annehmen von Fakten ist sicherlich bequem, schließt aber aus, dass Schüler eine tiefere Einsicht in die Techniken des "Wissens" bekommen. Es geht darum, kritisch zu hinterfragen und Dingen einen Sinn zu geben. Es geht darum, unterscheiden zu lernen zwischen dem, was wir wirklich tiefgründig wissen, und dem, was wir übernommen haben.

Kernfragen sind hier: "How is knowledge 'made'?"

                                  "How do we know something?"

                                  "What do we know?"

                                  "What can be known?"

Eine weitere Neuheit in diesem Halbjahr ist "Nordic Studies". Gerade eben hatten wir unsere erste Sitzung. Eine norwegische Journalistin, die u.a. in Asien und Afrika aufgewachsen ist, hat uns ihr Buch vorgestellt, in dem sie Geschichten der Menschen aus "Sogn og Fjordane" (die Region in der Flekke sich befindet) erzählt. Mir persönlich hat das sehr gut gefallen. Es ging nämlich u.a. auch um Identitätsfindung, und dass wir uns nicht nur mit dem Ort identifizieren können, in dem wir aufgewachsen sind, sondern auch über globale Einflüsse ganz unbewusst ein Stück weit interkulturell geprägt sind. Das überrascht in der Welt des Internets, im Zeitalter von iTunes natürlich wenig.

 

Vielleicht ist dieser Blog ja auch für euch so eine Art internationaler Einfluss. Wer weiß?!

Jetzt mailt mir Tea, dass wir zusammen essen gehen sollten. Recht hat sie!

Bis bald also.

 

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Mo

11

Jan

2010

Winterwonderland

Hiermit schicke ich ein kleines "Hallo" in die Welt, das bestätigt, dass ich endlich angekommen bin im super verschneiten Flekke. Die Reise ans College hat alles in allem nun doch fast zwei Tage in Anspruch genommen. Grund dafür war natürlich die Wetterlage, die es erstens erforderte frühstmöglich aus Bielefeld abzureisen um beim erwarteten Schneechaos einen ordentlichen Zeitpuffer gutzuhaben, und zweitens eine folgenschwere Verzögerung im Flugverkehr mit sich brachte.

Als ich am Sonntag Morgen, um fünf Uhr hatte der Wecker geklingelt, am Hannoveraner Flughafen ankam, war noch alles einigermaßen normal. Am Terminal stellte sich dann aber heraus, dass mein Flug verlegt wurde. Das Enteisen der Tragflächen und Freischaufeln der Startbahn dauerte, und so kamen wir erst mit viel Verspätung los. Das hatte zur Folge, dass ich meinen Anschlussflug nach Bergen in Frankfurt knapp verpasste. Der nächste Flieger sollte erst gegen neun Uhr abends gehen. Was tun? Nach vielen Telefonaten war klar, dass der Bus, der die Schüler um 10 Uhr abends vom Bergener Flughafen zum College bringen sollte, nicht auf mich warten könnte. Die letzte Fähre geht um ein Uhr nachts. Ich verbrachte den Tag bei Vewandten in Frankfurt und organisierte von dort aus ein Hotel in Bergen. Nach weiteren Verzögerungen während des zweiten Fluges kam ich erst nach Mitternacht in Bergen an, fuhr mit dem Taxi in ein Hotel in der Innenstadt, das zwar seinen stolzen Preis hatte, aber auch sehr komfortabel war (morgen stelle ich Fotos online). Außerdem war es nah am Bootsanleger, von dem aus um acht Uhr mein Boot Richtung Flekke abfuhr.

Nach einem Frühstück heute morgen ging es also mit dem Trolli durch den tiefen Schnee zum Anleger. Mein Norwegisch zahlt sich aus :D

Die Fahrt war angenehm, irgendwann musste ich aussteigen um den Bus nach Flekke zu nehmen. In der Kälte wartete ich lange auf ihn, und lernte währenddessen meine deutsche Thirdyear kennen, die zufälligerweise dem College gerade einen Besuch abstattet. Lustiger Zufall.

In Flekke kam ich dann gegen halb zwölf Uhr mittags an, wanderte dann einige Meter den Berg hinauf mit meinen Koffer. Zum Glück näherte sich schon bald ein Auto, dass uns mitnahm. Gut, dass es nur eine einzige Straße zum College geht. Da ist man sich sicher, dass der Autofahrer das selbe Ziel wie man selbst hat.

Es war toll, alle wiederzusehen und natürlich gab es wegen meiner Verspätung ein großes Hallo.

Flekke ist wunderbar verschneit, aber romantische Ausführungen gibt es erst morgen, denn jetzt werde ich schlafen. Ich habe schon viel wieder für die Schule getan. Der zweite Term wird sicherlich herausfordernd!

So, Akku ist alle!

Bis bald, Eure Angelika

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Sa

09

Jan

2010

Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus!

 

Heisann!

Tiefdruckgebiet Daisy versetzte in den vergangenen Tagen ganz Deutschland in Alarmstimmung. Es sollte massive Schneefälle geben, ja, sogar über Zustände wie im Katastrophenwinter 1978 wurde in den Medien spekuliert. Da ist es also nicht verwunderlich, dass meine Mutter und ich meine Rückreise nach Flekke terminlich etwas umstrukturieren mussten. Mein Flieger geht zwar nach wie vor erst am Sonntag Morgen, aber um nicht irgendwo auf dem Weg zum Flughafen einzuschneien, haben wir uns schon gestern auf den Weg gemacht und verbringen nun noch einen Tag bei meinem Großvater.

 

Ich blicke auf sehr schöne Weihnachtsferien zurück. Ich hatte die Möglichkeit, viele Freunde und auch Familie zu treffen, habe idyllisch und sehr entspannt Weihnachten gefeiert und sogar Besuch von einem Schulkameraden aus Lesotho gehabt. Es hat auch meinen Eltern sehr gut gefallen, auf diese Art und Weise einen noch lebhafteren Eindruck von meinen UWC-Erlebnissen zu bekommen. Vergangene Woche war dann auch noch Vincent da, der seit Sommer auf das UWC in Hongkong geht – das war ebenfalls ein tolles Highlight des vergangenen Monats.

Dass wir so früh schon aufbrechen mussten, war eine ziemlich spontane Entscheidung, die mich morgens noch im Bett überrumpelte. Dementsprechend hektisch fiel das erneute Packen meines großen roten Koffers aus, und nun stellt sich langsam heraus, was letztendlich vergessen wurde: Ein Taschenwärmer, ein karierter Collegeblock. Nunja, diese Verluste sind wohl verkraftbar. Der massive Schneefall der letzten Tage hatte allerdings auch sein Gutes: Der Winterschlussverkauf wurde vorverlegt, was es mir und meiner Mutter ermöglichte, warme Pullover und eine Skihose relativ preisgünstig zu erstehen. Der Kleiderberg in meinem ohnehin begrenzten Schrankraum am College wächst also. Außerdem neu dabei sind Hausschuhe, die man in der Mikrowelle anwärmen kann. Was für eine herrliche Erfindung. Mein Bücherbestand wird sich im neuen Halbjahr ebenfalls vermehren: Werke zu Verhaltensforschung und Kommunikation bieten eine willkommene  Abwechslung neben all den englischsprachigen Lehrbüchern.

Die letzten Tage in Deutschland habe ich viel gelesen: „Die Architekten“ von Heym sind ein sehr zu empfehlendes Werk, und meiner Oma konnte ich mit „Eve Green“ von Susan Fletcher nach „Die Bücherdiebin“ ein weiteres literarisches Schmankerl bieten.

Als klar wurde, dass die Abreise nun plötzlich näher war als erwartet, nutzte ich die Chance um noch ein paar alte Freunde auf einen Kaffee oder ein Frühstück in der Stadt zu treffen. Außerdem war ich immer mal wieder auch in meiner alten Schule, dem Ort, an dem Jugendliche in meinem Alter die meiste Zeit des Tages über am wahrscheinlichsten anzutreffen sind. Weil der akademische Schwerpunkt meiner Weihnachtsferien eindeutig auf dem Verfassen meines „World Literature Essays“ lag, stand ebenfalls ein Vieraugengespräch mit meinem ehemaligen Deutschlehrer auf dem Programm. Mit Hilfe einiger kritischer Leser ist es mir mittlerweile gelungen, Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ und Achebes „Okonkwo oder Das Alte stürzt“ auf drei Seiten zu vergleichen. Wie erwartet bedurftees einiger Recherche, Zusatzliteratur und viel Organisation, bevor die vorläufige Endfassung dann auch geschrieben werden konnte. Mir macht das Formulieren mehr oder minder intelligenter Gedanken nach wie vor große Freude.

Morgen, wenn ich am Flughafen in Bergen zehn Stunden auf den Bus warten werde, der uns Schüler gesammelt zurück auf den Campus bringt, werde ich wohl oder übel die Zeit damit verbringen, zig Seiten über die russische Revolution 1917 zu lesen und im Bestfall ebenfalls Trigonometrie für den Mathetest am Montag wiederholen.

Nun setze ich mich mit Opa und meiner Mutter noch ein bisschen gemütlich ins Wohnzimmer. Die Norweger nennen das „Kvalitetstid“.

In diesem Sinne!

Eure Angelika

 

                       

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Mi

25

Nov

2009

Pepperkakebakesangen

Heissa!

Die Zeit vergeht wie im Flug - nun ist es nur noch einen Monat bis Weihnachten. Vor einigen Tagen habe ich zusammen mit ein paar Freundinnen im Icelandhouse Dayroom Pepeprkake - Pfefferkuchen - gebacken. Herrlich, wie das ganze Haus plötzlich wunderbar weihnachtlich riecht und man für ein paar Stunden die muffigen Gummistiefel auf den Fluren vergessen kann. Aufgrund fehlenden Backequipments mussten wir reichlich improvisieren und haben zum Beispiel die Backrolle durch Becher ersetzt und die nicht vorhandenen Ausstechförmchen förderten unsere Kreativität mehr als dass sie ihr schadeten. Solche gemütlichen Abende sind momentan leider die Ausnahme, denn mit dem Ende des ersten Terms steigt hier das Arbeitspensum merklich. Wie ich es auch schon zuhause immer wieder erfahren habe, mache ich mir häufig mehr Arbeit als unbedingt nötig, denn Aufsätze zum Beispiel, die das zu behandelne Thema nur halb abdecken kann man sich im Grunde auch schenken. So wurde zum Beispiel mein Englisch Aufsatz über Raymond Carver (siehe Artikel unter der Rubrik "Lesen") ganze 2000 Wörter umfangreich, und dem ging das Durchforsten einiger weiterführender Literatur zum Autor voraus. Auch in Biologie steht mal wieder eine etwas gewaltigere Hausaufgabe, das Protokoll und die Analyse eines Versuchs zum Thema Enzymatik, ins Haus. Hinzu kommt ausserdem, dass ich in den Weihnachtsferien mein World Literature Comparative Essay schreiben werde. Obzwar es in Deutsch verfasst werden muss, bedarf es doch einiger Vorarbeit auf Englisch und preziser Abstimmung mit meiner Lehrerin. Ich werde die beiden Werke "Nora oder ein Puppenheim" (Henrik Ibsen - sehr empfehlenswert!!)  und Okonkwo oder Das Alte Stürzt von Chinua Achebe vergleichen, bin mir aber noch nicht ganz sicher auf welchen literarischen Aspekt ich mich konzentrieren werde.

Ausserakademisch ist hier ebenfalls im Moment eine Menge los. In der letzten Woche drehte sich alles um die Westsahara, eine Region an der Atlantikküste Nordwestafrikas, die letzte Kolonie des schwarzen Kontinents. 1884 wurde das Land von den Spaniern erobert, welche im Zuge der Dekolonialisierung des 20. Jahrhunderts das Gebiet an Marokko und Mauretanien abtraten. Westsahara ist reich an Rohstoffen wie Phosphor und Fisch und daher von recht grossem Interesse für die internationale Wirtschaft. Seit langem ist das "Land" (80 Staaten anerkennen es als ein solches) mit Marroko im Konflikt, weil es die Vorherrschaft für menschenverachtend und ungerechtfertigt hält. Marokko ist allerdings nicht bereit, den Menschen in Westsahara Unabhängigkeit zuzugestehen. Begründung hierfür ist, dass Westsahara schon immer Teil Marrokos gewesen sei. Viele Menschen aus Westsahara leben schon in der zweiten Generation in Flüchtlingslagern in Algerien, haben kein Recht sich als Sahrauis (ursprüngliche Einwohner in Westsahara) zu outen oder in irgendeiner Art und Weise die marrokanische Monarchie in Frage zu stellen, geschweige denn Unabhängigkeit zu fordern.

Wir haben mehrere Schülerinnen aus Westsahara hier an der Schule und weil der Konflikt sehr komplex ist, haben wir die vergangene Woche genutzt, um uns über die Zukunft der Region Gedanken zu machen. Um unser Wissen zu vergrössern, veranstaltete die World Today Gruppe gemeinsam mit dem Westsahara EAC ein World Today zum Brennpunkt. Dafür hatten wir mehrere Gastredner sowohl aus Marokko als auch aus Westsahara eingeladen, die in einer Podiumsdission und einer Frage-Antwort Session sich den Schülern stellten. Das ganze war als Blick in die Zukunft geplant, wurde aber letztendlich mehr zu einer puren Informationsveranstaltung, die wieder einmal die Komplexität eines Problemes und den engen Zusammenhang von Geschichte mit Zukunfsplanung hervorhob.

 

Diese Woche steht im Zeichen der Homosexualität. Es ist Rainbowweek und alles dreht sich um Trans-, Homo-, Hetero- und Bisexualität. Ich halte es für sehr wichtig, auch diesem Thema hier eine Plattform zuzugestehen, schliesslich ist es in unzähligen Ländern ein Tabu. Der Gender-and-Sexuality-EAC (kurz GAS) wirbt mit Filmen, Aktionen wie "Ask a gay" und einem Blinddate (dem auch ich mich gleich stellen werde) für mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Wieder einmal heisst es: "Spread Awareness".

 

Ihr seht, dass wir hier alle ziemlich "busy" sind. Um nicht völlig den Verstand zu verlieren (eigentlich sollte er durch das viele Arbeiten ja geschärft werden...) hatten wir heute wieder einen Specialday. Das bedeutet, dass kein Unterricht aber ein anderes Programm stattfindet. John (der Rektor) hat es für effektiv gehalten, uns was UWC International (die Organisation) angeht auf dem Laufenden zu halten. Offenbar werden trotz finanzieller Probleme an den meisten UWCs neue Schulen zum Beispiel in China, im Nahen Osten und in Spanien geplant. Ich halte es für ein sehr interessantes wenn auch ungemein schwieriges Projekt, in einem Land geprägt von Korruption wie China eine Schule zu eröffnen, an der Schüler aus der ganzen Welt frei ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen.

Desweiteren hatten wir Besuch von einem Ehemaligen der ersten UWC-Generation: Francois aus Paris. Er ist Psychologe und hat heute Nachmittag einen Workshop zum Thema Hypnose, den ich mir allerdings geschenkt habe, gegeben. Heute Vormittag hat er eine anderthalbstündige Rede darüber gehalten wie UWC ihn verändert und lebenslang geprägt hat, ist dann darauf zu sprechen gekommen wie Psychologie funktioniert wenn es um Zielverfolgung geht. Alles in allem hat mir der Vortrag gut gefallen. Er war zwar inspirierend aber zu lang. Zum Glück hat Jesper ihn aufgenommen, so dass ich mir die Teile, die ich wegen überdurchschnittlicher Müdigkeit verpasst habe noch einmal anhören kann.

So spannend das Programm hier aus ist, mein persöhnliches Highlight war das Päckchen voll mit selbsgebackenen Keksen, Adventskalendersäckchen 1-9 und Weihnachtsmusik, das ich gestern von meiner Mutter bekommen habe.

Ich freue mich schon so darauf, dass ich in zwei Wochen nach Hause komme. Hoffentlich kann ich dann viele von euch persönlich treffen.

Ich wünsche euch allen einen wundersamen Start in die Adventszeit. (Tory will noch nichts von Weihnachten hören. "So lange der Truthahn noch nicht gegessen ist, bin ich auch noch nicht in Weihnachtsstimmmung". Ihr Thanksgiving ist morgen, und danach beginnen wir dann hoffentlich damit, das Zimmer zu schmücken. Vielleicht können wir ja einen kleinen Baum von der Insel klauen...).

Vi sees!

Angelika

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Sa

31

Okt

2009

Switch me off before you go go

Es ist beklemmend und zugleich entmutigend zu wissen, dass du noch so sehr ein Individuum sein kannst, immer aber von der Gesellschaft geformt wirst. Ich habe das Glück, vielleicht nennt man es Glück auch wenn es sich nicht immer gut anfühlt, mit einem Mädchen in einem Zimmer zu leben, das nichts einfach so nimmt wie es ist sondern hinter jede gemachte Aussage noch ein "warum ist das denn so?" hängt. Oder ein "Warum sollte ich das denn machen, warum sollte ich so denken, warum sollte ich das so finden? Was bewirkt diese Meinung in mir oder in dir, was ist der Auslöser? Warum sollte ich es der Gesellschaft erlauben mich zu formen?" Bäääh. Wie schon in vorangegangenen Artikeln bemerkt, ist kritisches Denken immer auf meiner Tagesordnung. Julia bringt mich dazu, nicht alles so hin zu nehmen weil es eben so ist und Dingen stattdessen auf den Grund zu gehen. Leider ist das nicht immer konstruktiv und bringt mich ungeübten Philosophen, der eigentlich überhaupt keiner sein will manchmal eher einen Schritt zurück als vorwärts. Ich muss lächeln wenn ich das hier noch einmal lese, denn ich schaffe es einfach nicht, genau das auf die Tastatur zu klopfen, was ich eigentlich meine. Sprache ist so begrenzend aber was erlaubt es uns besser, Gedanken und Gefühle mitzuteilen? Im Grunde sind es doch chemische Reaktionen im Gehirrn anhand derer wir definieren, dass wir gerade etwas gedacht, empfunden haben. Wenn diese chemischen Reaktionen nicht eindeutig eingeordnet werden konnten, dann sind die Gedanken eben etwas schwammig und schwer auszudrücken. Die Erkenntnis trainiert und wenn ständig jemand dich auffordert präzieser zu sein, dann kommst du mit der Zeit zu ganz neuen Meinungen.

In vieler Hinsicht ist sie wie Xiaohang die Wirtschaftsleherin, die mich mit einer ähnlichen Methode davon überzeugt hat, dass Norwegian einfach besser zu mir passt als Wirtschaftsunterricht. "Why, Why" kann einfach unglaublich nervend werden, vorallem wenn es um Graphen und Formeln geht, die ich eher Nicht-Naturwissenschaftler nicht neu erfinden sondern eher auswendig lernen will...

Gestern und Vorgestern ist die ganze Schülerschaft in fünf Bussen nach Bergen gefahren um Themen in Verbindung mit Umweltschutz und Environment in general zu diskutieren und anschließend unsere Statements zum Rathaus zu bringen. Eine große Gruppe Schüler hat die letzten zwei Monate damit verbracht, dieses Event vorzubereiten und ich bin mit recht hohen Erwartungen trotz einer grippeähnlichen Erkältung morgens um sieben (das fühlt sich auf einmal so unbarmherzig früh an. Wie könnt ihr nur jeden Morgen um viertel nach sechs aufstehen? Der Mensch gewöhnt sich an alles...) aufgestanden. Leider wurde ich ziemlich enttäuscht. Ich hatte mich für den Environmental Ethics-Workshop eingeschrieben und auf eine spannende Diskussion gehofft, aber leider sollte ich mir dann vorstellen, wie eine Welt mit Müll als einzige Resource in hundert Jahren aussehen würde, ein Modell basteln und eine Möglichkeit sich fortzubewegen erstellen - komplett aus Müll. Ehrlichgesagt hätte meine Vorstellungskraft ausgereicht, mir die Ausmaße der Umweltverschmutzung vorzustellen und es hätte genug Dinge bezüglich der Vorbeugung einer solchen Zukunft zu diskutieren gegeben. Leider fanden die Workshops parallel fast alle in einem Raum statt, der ganze Global Concern war definitiv unkonstruktiv und "Pointless" - genau wie der anschließende Flashmob, den wir 400 Leute (UWC + zwei norwegische Schulen) in der Innenstadt veranstalteten.

Ja, wir werden täglich die "Futur Worldleaders" gepriesen, aber ich bin keineswegs schlauer als manche Leute zuhause, die nicht auf ein UWC gehen. Natürlich habe ich schon viel über andere Länder gelernt, aber mehr gesehen als meine beste Freundin zuhause habe ich nicht, eine konkretere Vorstellung von dem, was ich später bewirken will habe ich auch nicht. Ich werde hier wieder von meiner Umwelt geformt, bekomme Ideale und Werte vorgesetzt, mit denen sich der UWC Schüler nunmal identifiziert. Natürlich kann ich für mich selbst denken, ich bin mir dessen bewusst, dass es Probleme in der Welt gibt, die gelöst werden müssen und ich weiß mitlerweile sicherliches einiges mehr als vorher. Außerdem bekommen die Probleme Gesichter, was es wesentlich schwieriger macht, sie alle über einen Kamm zu scheren. Un doch: Stiftungen haben sich einige Kinder ausgesucht, sie als "Die Elite" definiert und pimpt sie jetzt, um es neudeutsch auszudrücken. Und schwups wird unser Global Concern "Das Event des Jahres in ganz Bergen" genannt und wir sind diejenigen, von denen alles abhängt. Wir versuchen hier eine Welt zu leben, die auf "Menschlichkeit" "Umweltbewusstsein" und "Nordischen Werten und Kulturen" basiert. Vieles ist einfach sehr idealistisch und oberflächlich. Ich bin sehr gerne hier und ich weiß, dass ich eine tolle Ausbildung genieße. Um dann in die Welt zu gehen, die so anders ist als unsere "Seifenblase" in Flekke...?! Ich lerne das, was andere als wichtig definieren, trage die Philosophie einiger Individuen in die Welt hinaus als Teil einer Organisation, geformt von dieser Organisation. So ist das im Leben wohl. Was letztendlich aus mir wird hängt von mir ab, aber wie ich es angehe wird zu großen Teilen nicht von uns selbst bestimmt. Prägung ist etwas, was wir sehr kritisch betrachten sollten.

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Di

27

Okt

2009

No milk today

Hola!

Es gibt nicht viel neues aus Norwegen zu berichten, denn hier hat nun nach zwei Monaten endgültig der Alltag angefangen. Es fühlt sich nicht mehr besonders an, bis zwanzig vor Acht schlafen zu können und dass der Unterricht - und ich sage ganz bewusst nicht "die Schule - schon um zwei Uhr zuende ist, wird auch nicht mehr wirklich als bemerkenswert gesehen. Ich komme in Unterricht gut mit und bin mit meinen Hausaufgaben in der Regel schnell fertig. So kann ich viel Zeit mit Freunden verbringen, mal ein Mittagsschläfchen machen oder mich meinen außerschulischen Pflichten widtmen. Gestern hatte ich Poolaufsicht und konnte sogar selbst schwimmen, weil niemand neben den drei Lifeguards im Wasser war. Das lag vielleicht daran, dass der Clothingstore (ein Raum in dem zurückgelassene Kleider gesammelt werden) einen Flohmarkt veranstaltet hat und sich ein Großteil der Schülerschaft aus diesem Grund in der "Lowercantina" tummelte.

Vergangene Woche stand ein außergewöhnliches Ereignis ins Haus: das sog. Alting (>alle Dinge<). Wir Schüler haben unterschiedliche Aspekte dieser Institution diskutiert, hinterfragt und weiter ausgearbeitet. An dieser Schule gestalten Schüler große Teile des Regelwerkes selbst. Wir sind uns unserer Verantwortung wohl bewusst und wissen, dass wenn wir Rechte haben wollen, es auch Pflichten geben muss. Lehrer sind hier ja genau so temporär nur Teil der Schule wie wir Schüler. Manche bleiben nur ein Jahr, die meisten einige wenige. Vondaher ist Kooperation und nicht Isolation gefragt. Letztendlich ist es dann jedoch immer der Schulleiter oder der Vorstand, der das letzte Wort hat, aber wir Schüler sind gefragt wenn es um Veränderungsvorschläge und Erweiterungen geht.

Ich habe zusammen mit einer Gruppe von ca. 15 Mitschülern die Residential Charter, also das Regelwerk, das unseren Alltag betrifft diskutiert. Andere Leute haben sich mit PBL, Community Service und Special Opportunities beschäftigt oder kritisch hinterfragt, wie unsere Schule noch umweltfreundlich werden kann. Neben "Nordic Culture" und "Humanitarian" ist "Environmental" eine der tragenden Säulen der Philosophie am RCN UWC.

Heute Abend werden sich dann alle 200 Schüler und die Lehrer im Auditorium versammeln und gemeinsam (aus-)diskutieren in welche Richtung sich die Schule entwickeln sollte. Letztes Jahr hat diese Diskussion vier Stunden gedauert, aber offenbar planen wir eine Kurzfassung dessen. Das Alting wird als Höhepunk in Sachen Strategie im Schuljahr verstanden und ich bin schon sehr gespannt.

 

Das ist für heute alles, was es zu berichten gibt.

Take care!!

Angelika

 

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Sa

17

Okt

2009

Peace Train

 

God morgon!

Heute ist Samstag, es ist halb eins. Ich bin gegen halb zehn aufgestanden, bin den Morgen ganz gemütlich mit einem sehr ausgedehnten Brunch angegangen. Eigentlich hatte ich vor, wie schon letzte Woche ein bisschen Yoga zu machen, aber das Mädchen, das diese Samstagsaktivität ins Leben gerufen hat war leider nicht da. Es ist sehr entspannend und ein toller Tagesbeginn- oder Abschluss, Yoga zu machen. Es hilft ungemein, sich auf anstehende Arbeit zu konzentrieren oder gut einzuschlafen.

Heute scheint draußen die Sonne, die Blätter sind gelb und braun geworden - eigentlich mehr braun. Überhaupt werden die Farben hier am Fjord immer matschiger. In ein paar Wochen, so mein Advisor Angie, leben wir in einem Schwarzweißfoto. Die Dunkelheit und das Fehlen der Sonne machen müde und ein bisschen dizzy. Ich habe mich in den letzten Tagen mit Zufriedenheit auseinander gesetzt und probiere es jetzt mal auf eine buddhistische Methode: schlechte Gedanken dürfen sich gar nicht erst festsetzten. Ich will genauer beobachten, was ich eigentlich denke und Negatives dann sofort durch einen schönen Gedanken ersetzten. Das klappt bisher ganz gut. Gestern war wieder einmal Freitag, also auch der beste Abend der Woche: World-Today über Jemen und Snikkarbua. Am Nachmittag hätte ich eigentlich eine AG (Friday Ball Games in Dale) gehabt, aber mir war überhaupt nicht nach Badminton oder Basketball und so habe ich mir einfach mal einen freien Freitag gemacht, e-Mails geschrieben, mit Tea bei einer Tasse Café-Chocolat ein echtes Freundinnengespräch geführt, geschlafen, gelesen und schließlich beim Abendessen keine Orange mehr abgekriegt, weil irgendjemand zwei genommen hatte. Tss!

Weil ich ja in der World-Today AG bin, bin ich zu Anwesendheit bei allen Präsentationen verpflichtet und musste gestern auch dafür sorgen, dass die Mikros immer zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Sprecher sind. Leider war die sehr gute Präsentation über die Situation in Jemen sehr schlecht besucht und das merkte man natürlich an der Debatte, die recht zäh war. Wir haben zwei Schüler aus Jemen, die eindrücklich schildern konnten wie es zuhause bei ihnen aussieht. Auch die Schüler aus den USA konnten einiges beitragen. Viele der World-Today Debatten laufen langfristig auf eine Diskussion über Machtverteilung hinaus und Amerika ist oft Diskussionsstoff. Gestern war zudem noch „International Day of Action Against McDonald's“, ein Tag, der darauf aufmerksam machen will, dass transnationale Unternehmen wie McDonald’s extremen Einfluss auf wirtschaftliche und soziale Situationen in einigen Ländern haben. So war dann gestern auch Thema, ob McDonald’s (es wurde schnell zum Synonym amerikanischen Einflusses in Jemen) denn gerechtfertigt sei. Wie eigentlich fast immer, konnte die Debatte nicht zu einem Ende gebracht werden. Dennoch habe ich während dieser anderthalb Stunden mehr gelernt als in manchen Geschichtsstunden, während der wir gerade über den ersten Weltkrieg reden.

Nach World-Today habe ich spontan mal einen der Mathelehrer in Teachershill angerufen und gefragt, ob ich auf einen Tee vorbeikommen könne. Pete aus Kanada ist mit Maret verheiratet. Ich muss etwas weiter ausholen, um die Beziehungen hier klar zu stellen. Letzte Woche war ich mit Tory und Bjornar wandern. Das Wetter war fantastisch und mir war nach Bewegung. Am Freitag musste Bjornar an seinem Extended Essay arbeiten, aber am Samstag kam er dann und schlug vor, doch gleich nach Brunch gegen zwei los zu wandern. Es gibt hier mehrere Wanderwege. Wir nahmen den roten, der gleich hinter dem Rehabilitationszentrum in die Berge führt. Es ging ewig lange unendlich steil bergauf, wurde immer kälter und als wir dann die Baumgrenze überschritten hatten, lag oben Schnee. Es war sehr windig und kalt, und auf dem Weg nach unten haben wir Maret getroffen. Sie ist Deutsche, selbst Absolventin von RCN 1999 und mitlerweile Landärztin in Dale. Wir haben uns sehr gut verstanden und sie hat mich zu sich eingeladen. Dieser Einladung bin ich gestern Abend gefolgt. Es war schön, mal wieder ein wenig Deutsch sprechen zu können und ich habe mich unglaublich wohl gefühlt.

Gleich wandere ich mit vielen Freunden wieder Teachershill hinauf, denn wir wollen Naanbrote backen. Heute ist in Indien ein Lichterfest, und wir feiern das mit gutem Essen in der Kantine, müssen also 250 Naanbrote backen. Ich freue mich schon sehr darauf.

Fotos gibt es davon bestimmt auch noch!

Schulisch ist hier alles wie immer. Oft kann man am ABend sagen, dass es wohl wieder ein Tag im Leben eines IB-Schülers war, denn nichts besonderes ist passiert. Und doch ist das Leben hier so wunderbar!

Angelika

 

 

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Mi

07

Okt

2009

I'm singing in the rain

Ich versuche gerade mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. Ich sitze in der Bibliothek, denn das ist wahrscheinlich der einzige Ort, an dem ich wirklich arbeiten kann - wenn ich denn will. Zwei Stunden habe ich jetzt auch mehr oder weniger effektiv an meinen Geschichtsunterlagen gesessen, zwei Orangen gegessen, das stendig umschwenkende Wetter beobachtet. Nun habe ich mich theoretisch meinem Bio Lab-report zugewendet und versuche herauszufinden, ob meine Messungen einer Zwiebelzelle realistisch sind - dummerweise finde ich im Netz keine Angaben zu der durchschnittlichen Größe einer Allium cepa Zelle - aber irgendwie zieht es ich immer wieder zurück zur Homepage. Über mir beginnt das große Hin-und Hergeschiebe der Stühle in der Kantine. Es ist halb sechs und Dinner beginnt. Warum essen die Norweger nur so früh am Abend??

Gut, ich schlage die Bücher zu und mache mich an ein Resumé der vergangenen Tage!

Schon seit Wochen fieberten hier alle Schüler auf PBL hin. Neben EAC, CAS, EE und EA ist das eine collegeinterne Abkürzung, die man wohl oder übel immer wieder erklären muss, wenn man mit Außenstehenden spricht. PBL steht für Project-based learning und beschreibt eine besondere Woche im Schuljahr jedes UWC-Schülers: Die Projektwoche. UWC ist der Meinung, dass sich das Lernen der Schüler sehr auf Inhalte konzentriert, die eher abstrakt und möglicherweise noch lebensfremd sind. Während PBLweek wird darauf Wert gelegt, dass wir einen Einblick in ganz andere Materien bekommen. RCN (noch so eine Abkürzung) biet sehr vielfältige Projekte an. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, Klettern und Surfen zu gehen, eine Kanutour zu machen, Schafe zu scheren und anschließend ihre Wolle zu verarbeiten, eine Woche lang nicht zu reden, ohne Hilfsmittel in der Natur zu überleben und und und. Ich habe mich für einen Workshop zu Nonviolent Communication entschieden und für mich war das definitiv eine sehr gute Entscheidung.

Der Experte, der mich und 25 andere Schüler während der vergangenen drei Tage intensiv fortgebildet hat kommt aus Slovenien und heißt Robert. Es ist ursprünglich Psychologe und hat sich dann auf Mediation und Kommunikation spezialisiert. Ich habe viel darüber gelernt, wie unterschiedliche Kommunikationstechniken zur Lösung von Konflikten führen können und mir ist immer deutlicher geworden, was für ein komplexes Feld Sprache doch ist und wie spannend es ist, sich mit den psychologischen Hintergründen von Gesagtem auseinander zu setzen. Der Workshop fand auf dem Schulgelände statt und so konnte ich zusätzlich erfahren, wie seltsam leer es doch auf dem Campus sein kann und wie einsam man sich fühlt, wenn nur noch knapp 60 Schüler von 200 da sind.

Am meisten habe ich mir über die Bushcraftleute Gedanken gemacht. Ohne Zelt und Schlafsack sind die durch die Wildness gestreift und es hat geregnet und geregnet. Außerdem ist es hier mitlerweile richtig kalt geworden, besonders nachts. Glücklicherweise war die Gruppe nur einige Kilometer vom College entfernt, denn nach drei Tagen begann Katie schlimme Unterkühlungen zu bekommen und verlor die Orientierung. Deswegen hat die Gruppe beschlossen, Grenzen Grenzen sein zu lassen und geschlossen nach hause zu kommen.

Auch einige Kanuleute kamen schon heute wieder, und so füllte sich die gespenstisch leere Kantine merklich. Das hat sehr gut getan. Einige Gruppen sind aber auch erst gestern aufgebrochen, und so wird es wohl noch bis zum Wochenende dauern, bis sich die Situation einigermaßen normalisiert hat.

In den letzten Wochen hatte ich immer wieder Heimweh, denn was mir hier definitiv noch fehlt ist jemand, der mich wirklich gut kennt, ein richtiger Freund eben. Besonders jetzt, da Jakub (Tschechien, der mich als seine Schwester adoptiert hat :D)  Jesper (einfach immer ein guter Gesprächspartner) und Njaal (mein deutschsprechender Zimmernachbar) nicht da sind, fühle ich mich manchmal ein bisschen verloren und habe Angst, keinen Anschluss zu finden. Manche meiner Mitschüler können sich anderen einfacher öffnen und finden ganz anders Freunde als ich. Obwohl ich hier viele Menschen als Freunde bezeichnen würde und auch nicht das Gefühl habe, ausgeschlossen zu sein oder nicht gemocht zu werden, fehlt mir wie gesagt ein bester Freund.

Ich werde mich also in Geduld üben und zum Glück habe ich ja fantastische, erfahrende Secondyears in meinem Zimmer, die mich immer wieder aufbauen können.

Ich freue mich schon wirklich sehr auf Weihnachten. In zwei Monaten und ein paar Tagen bin ich schon auf dem Weg in die Ferien!

Ha det bra!

Angelika

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Di

29

Sep

2009

Strawberry fields forever

Hey folks!

So begrüßt mein Geschichtslehrer Rupert seinen Geschichts-LK jeden zweiten Morgen. Für mich ist der Geschichtsunterricht einer der spannendsten, aber auch der aufwändigste. 37 Seiten Handouts haben wir schon bekommen und die sind voller schwieriger Wörter, die maßgeblich zum Verständnis der Imperial Expansion of Germany beitragen. Es ist spannend, dass der Geschichtsunterricht so auf Deutschland fixiert ist.

Eine sehr arbeitsintensive Woche liegt hinter mir. Ich muss die Augen fest zusammenkneifen und die Stirn in ernste Falten legen um alles zu rekonstruieren.

Wie ihr an den Fotos sehen könnt, stieg hier am vergangenen Wochenende die Firstyearshow. Sie war die lang erwartete Antwort auf die Secondyearshow. Wir hatten nur knapp zwei Wochen Vorbereitungszeit. Dank guter Organisation und einer Menge rehearsals waren am Samstag aber 100 Schüler auf den Punkt vorbereitet und es hat einen riesen Spaß gemacht, zu performen.

Die Tango/Chachacaformation hatte kurz vor Knapp noch ganz schön zu kämpfen, denn einer der Herren hat sich seinen Fuß bei den Vorbereitungen verstaucht. Er wollte mit einem Tisch in der Hand ein Podest hochspringen....

Mein Partner hat außerdem Probleme gehabt, sich die Folgen einzuprägen, aber wir haben alles super glatt über die Bühne gebracht und wenn jemand in der ersten Reihe "This is my roommate" schreit, dann fühlt sich das schon gut an.

Die Acts waren sehr unterschiedlich. Wir hatten Sketches, Tanz, Gesang, Band und philosophisch komische Lyrik. Mein persönliches Highlight war eine Ballettperformance. Pure passion!!

 

Direkt nach der Firstyearshow stieg hier die zweite Cabinparty. Dieses Mal mit Alkohol und ich muss sagen, dass es mich ziemlich beeindruckt hat, wie sehr die Leute hier gegenseitig auf sich Acht geben.

 

Ein weiteres Highlight der Woche war Torys 18. Geburtstag. Geburtstage werden hier um Mitternacht im Aufenthaltsraum gefeiert. Wir Roommates haben am Tag vorher lecker gekocht und sie abends mit sehr gutem, würzigen Essen überrascht. Gewürze werden in der Kantine nur sehr zurückhaltend verwendet, damit niemand sich über versalzendes Essen beklagt. Das weckt den Hunger nach extrem scharfem oder anderweitig intensivem Essen. Ich habe alle Fotos, die wir als Raum gemeinsam gemacht haben gesammelt und ausgedruckt und ihr "on behalf of the room" eine große Geburtstagskarte gebastelt. Gegen Mitternacht wurde sie dann von ihren amerikanischen Mitschülern entführt und in den Fjord geschmissen, während wir im Dayroom Kerzen, Gebäck und Karten drapierten. Aus allen Häusern kamen hungrige Gratulanten und haben für sie gesungen. Eine Jungs legten noch eine Performance anderer Art hin... :D Wir hatten jedenfalls alle unseren Spaß.

Wie so oft während der vergangenen Tage wurde es sehr spät, bis ich endlich schlafen konnte.

Neulich saß ich bis in den frühen Morgen hinein mit Jesper aus Dänemark zusammen. Wir haben geredet und geredet und dabei völlig die Zeit vergessen. Es ist fantastisch wie die Zeit rasen kann wenn man Spaß hat. Freitag war wieder einmal Schülercafézeit, vorher hatten wir ein sehr gutes Worldtoday über Xenophobia, also Angst vor Immigration, in den skandinavischen Ländern. Anlass dazu waren die guten Ergebnisse fremdenfeindlicher Parteien während der "Bundestagswahlen" in Norwegen.

Auch der Freitagvormittag war besonders, denn wir hatten keinen Unterricht. Weil Lernen hier einen Großteil der Lebenszeit einnimmt, gibt es immer wieder Auszeiten, während derer der Schwerpunkt auf anderen Wissensgebieten als Geschichte und Biologie liegt. Ich habe von Tutoren eine Einführung in das Schreiben eines Essays bekommen. Die werden immer wichtiger und machen einen Großteil der IB-Note aus. Besonders in Geschichte werde ich wohl viele schreiben. Nicht zu beneiden sind die Philosophy-students, die sehr komplexe Aufsätze unter strengsten Regeln schreiben werden.

So liberal das System auch ist, in manchen Bereichen übersteigt die Bürokratie den Grad der Vernunft.

Dieynab zum Beispiel, meine Roommate aus Senegal, muss ihr komplettes Extended Essay (2 von 45 Punkten des IBs) neu schreiben, weil ein Lehrer nicht früh genug realisiert hat, dass sie es nicht in Französisch, ihrer Muttersprache schreiben darf, wenn sie diese Sprache als self-taught (kein Lehrer) belegt hat. Nun muss sie auf Spanisch umschwenken, sich ein neues Thema ausdenken und eine neue Frage, die sie bearbeiten will. Alle Schüler haben seit dem Beginn der Sommerferien an diesen Aufsätzen gearbeitet. Sie gleichen kleinen Doktorarbeiten und wegen eines dummen Fehlers muss sie nun in einem Vierteljahr die ganze Arbeit neu machen. Die finale Version muss Anfang Dezember eingereicht werden...So etwas macht mich irgendwie wütend.

 

Mein Referat für Englisch ist sehr gut gelaufen, genau wie mein Assignment über "Lesen und Bücher" als literarisches Element in Hemingway's Kurzgeschichten "Up in Michigan" und "Cat in the Rain".

Morgen schreibe ich Norwegisch und Biologie und ich habe das ganze Wochenende über gelernt. Außerdem bewerbe ich mich für einen viertägigen Austausch mit einer internationalen Schule in Genf im Februar, und die Deadline für meinen Aufsatz, der begründet warum gerade ich genommen werden sollte, ist morgen um 18 Uhr.

Ich treffe mich gleich mit Jesper, damit er mir beim Formulieren hilft und vielleicht sogar ein oder zwei gute Argumente aus dem Hut zaubert...

 

Des Weiteren lässt sich noch berichten, dass mein Norwegisch große Fortschritte macht. Ich habe viel Kontakt mit den Nordics am College und übersetze mit den Norwegern Songtexte von Englisch nach Norwegisch, von Norwegisch nach Deutsch usw.

Überraschend viele Schüler hatten Deutschunterricht. Warum bieten Schulen eher Deutschunterricht als Spanischunterricht an?

Vielleicht weil die Deutschen fleißige Touristen sind....

 

Meine heutige Teeweisheit (Jesper hat sie gestern per Zufallswahl aus meiner Teedose gezaubert): Glücklichsein ist Geburtsrecht jedes Menschen.

 

Ciao ciao

 

 

 

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Mi

16

Sep

2009

Trollmors voggesong (Das Wiegenlied der Trollmutter)

mein Mathelehrer Kip.
mein Mathelehrer Kip.

Zeit für eine Teeweisheit: Wer sich selbst liebt, kann Liebe mit anderen teilen.

Mein Teekonsum an diesem College ist schätzungsweise im oberen Mittelfeld auf der Schulskala einzuordnen, und trotzdem ist er im Vergleich mit außerschulischen Mengen krankhaft hoch. Ich weis nicht wie viele Sorten ich schon probiert habe. Gerade sitze ich mit Revital Tee an meinem Schreibtisch. Ausnahmsweise ist es mal still in meinem Zimmer. Tory hat abends Theaterunterricht, Dyienab fastet ja schon seit Wochen und ist wohl gerade in der Kantine um etwas zu essen. Es ist Ramadan, aber am Sonntag haben die zahlreichen muslimischen Leute hier am College es endlich geschafft. Ich weiß nicht wie sie es überleben: lernen und keine Energiezufuhr haben. Der muslimische Glaube ist sehr faszinierend. Ich habe schon mehrere Blicke in den Koran geworfen mit seinen bizarren Schriftzeichen und von meiner Roommate bekomme ich natürlich einiges mit. Sie betet immerhin fünfmal am Tag. Dann heißt es: Musik leiser stellen und bitte nicht den Gebetsteppich betreten. Ich finde das super spannend und irgendwie auch bereichernd.

 

Das Leben mit vier anderen Mädchen auf engem Raum gefällt mir nach wie vor gut. Am Sonntag hatten wir unser erstes richtiges Roommeeting mit Tee, selbstgebackenen Crèpes und gutem Kaffee. Der Kantinenkaffee „sucks“. So würde ich es aus dem Bauch heraus sagen. Zum Englischen später mehr. Es war sehr bereichernd, mit Julia, Tory, Nabanita und Dyienab zusammen zu sitzen und die vergangene Woche revue passieren zu lassen. Eine Menge war passiert. Am Freitag zum Beispiel hatte ich meinen ersten größeren Auftritt vor der Schülerschaft. Es war World Today- Zeit und ich hatte in den vergangenen Tagen ehrgeizig und teilweise fast verzweifelt an meiner Präsentation über „Borders in the World- Schengenabkommen“ gearbeitet. Am Mittwoch hatten wir einen Stromausfall der sich gewaschen hat. Es gab fast den ganzen Tag über keinen Strom. Kein Telefon. Kein Licht. KEIN INTERNET! Wir haben natürlich alle ausgiebig analysiert wie abhängig wir doch sind und mussten bei einbrechender Dunkelheit leider Hausaufgaben Hausaufgaben sein lassen und enger zusammenrücken. Das hat uns alle irgendwo zusammengeschweißt. Draußen loderte ein musikalisches Lagerfeuer, in manchen Betten flimmerte ein Computerbildschirm auf – vorausgesetzt es gab noch Batterie…

Es war nicht leicht, ohne Internet über Schengen zu recherchieren, aber irgendwann war der Strom wieder da und es blieben mir ja noch einige Stunden.

Am Ende war die Methode „kiss“ (keep it sweet an simple) goldrichtig. Ich habe sehr gerne am Rednerpult gestanden und auch nur gutes Feedback bekommen. Das hat mich sehr motiviert und weil ich am Freitag ein Referat für Englisch halten muss, war es zudem noch eine gute Übung.

 

Das Highlight der letzten Woche war auf jeden Fall die Secondyearshow am Samstag. Von uns Firstyears unbemerkt, hatten die Seniors eine tolle Show mit jeder Menge internationaler Performances  auf die Beine gestellt. Meine Kamera hat leider ihren Geist aufgegeben, aber ich versuche an Fotos zu kommen. Logische Konsequenz dieses gelungenen und sehr unterhaltsamen Abends ist die traditionelle Revanche der Firstyears. Unsere Show ist Samstag in einer Woche und wir sind reichlich am Planen, Einstudieren und Daraufhinfiebern. Zusammen mit fünf Coyears werde ich eine Tango / Chachachachoreo performen. Endlich habe ich ein paar Menschen gefunden, die des Paartanzes einigermaßen mächtig sind. Tea aus Bosnien hat sogar mehrere Jahre professionell Latein getanzt und es macht großen Spaß, mit ihr zusammen zu arbeiten. Des Weiteren plane ich eine Parodie auf zwei Secondyears, die sehr gut Klavier spielen. Mal sehen, was daraus wird.

 

Ein weiteres Ereignis wirft Schatten voraus: Novemberbreak. Es sind zwar noch ein paar Wochen bis zu den ersten Ferien, aber weil die Zeit hier nur so dahin fliegt, sind schon alle reichlich am Planen. Einige gehen nach Prag, London, Paris, aber ich will lieber in Norwegen bleiben. Angedacht war, mit Adrian zu fahren, aber nun eröffnet sich noch eine ganz andere Möglichkeit: ein Chorprojekt. Mein Norwegischlehrer ist sehr engagierter Musiker und hat organisiert, dass eine Delegation Schüler mit Chorerfahrung an einem Musicalprojekt mit dem Gewinner des Eurovision Songcontests teilnehmen kann. Ich werde mich auf jeden Fall bewerben.

Man sollte hier wirklich jede sich bietende Chance wahrnehmen, auch wenn das auf Dauer anstrengen ist und man eigentlich sooo viel anderes zu tun hat. Ich habe heute mehrere Meetings bezüglich der Firstyearshow gehabt und habe meine ausführliche Biohausaufgabe gemacht. Morgen stehen super Fächer auf dem Plan: Englisch, Geschichte und Mathe. Ich freu mich drauf und gleichzeitig sehne ich mich jetzt nach meinem Bett!

See you, guys!

Angelika

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Di

08

Sep

2009

What else is there

Hei!

Ich sitze gerade an meinem Schreibtisch und durchforste ein wenig die Collegemusik, die Schüler über iTunes im Schulnetzwerk zur Verfügung stellen. Die unterschiedlichen Geschmäcker sind für mich keineswegs überraschend, aber wie viele unterschiedliche Genres es gibt, ist neu für mich: Akoestisch, Brit Rock, Dance, Hip Hop und jede Menge Indie, Reggea, Elektro, Hard, Rock.

Am Samstag stieg hier eine große Schülerparty in der Cabin, einem Haus für Jugendveranstaltungen in Flekke. Ich habe noch nie so gerne gefeiert wie hier und werde versuchen, irgendwie an Fotos ran zukommen. Da ich ja überzeugte "Nicht-Facebook-Besitzerin" bin (wie ca. 0,5 % der Schüler- und Lehrer(!!)schaft an diesem College ebenfalls), werde ich mich wohl mit Keksen und Tee ausrüsten und von Zimmer zu Zimmer pilgern um zu schnorren :D

Die zweite Schulwoche hat jetzt begonnen und ich habe gleich etwas an meinem Stundenplan geändert. Meine Wirtschaftslehrern Xiaohang nennt mich offenbar "irrational", aber sie muss damit klar kommen, dass Wirtschaftsstunden ab gestern der Vergangenheit angehören und ich mich stattdessen enthusiastisch in Norwegischstunden stürze. Wie ich in der Rubrik "UWC" heute ausgeführt habe, wird an meiner Schule leider nicht das Norwegisch unterrichtet, was eine Mehrheit der Norweger spricht. Trotzdem bin ich der Meinung, dass das Leben in einem Land mit dem Erlernen der Landessprache verbunden ist.

Nun bin ich vollkommen zufrieden mit meiner Fächerwahl. Den ganzen Tag über war ich mit Hausaufgaben und Recherchen beschäftigt, und es macht mir riesigen Spaß! Mit Adrian habe ich mich in den Philosophieraum gesetzt (es gibt dort keine Stühle sondern nur Kissen und niedrige Tische - sehr gemütlich und inspirierend) und Biologie gelernt, Factorisation für Mathe gemacht und gebrainstormt was das Debattenthema für das nächste World Today am Freitag sein könnte. Ich werde es zusammen mit Joana und Viktor über "Borders in the World" halten und mich wohl darüber auslassen, ob Schengen global gesehen sinnvoll ist oder nicht. So ganz weis ich aber noch nicht, was genau das wird... Ich setze mich auf jeden Fall noch mal mit Summer, der für World Today verantwortlichen Lehrerin hin. Sie unterrichtet Philosophie und weil das World Today ja kein historischer Vortrag ist, sondern vielmehr eine Anregung zu kontroversen Diskussionen ist, hat sie immer viele gute Ideen.

Ende der Woche steht schon die erste Mathearbeit an. Mal schaun wie ich mit den internationalen Formeln klar komme.

Was ist diese Woche noch passiert? Ich habe mal die Kletterwand unterhalb des Auditoriums begutachtet und ausprobiert. Es gibt Fotos davon. Ich habe mein Lifeguard certificate bekommen, denn ich kann jetzt offiziell Leben im Pool retten. Heute habe ich die Zeichnen-AG ausprobiert. Das war sehr anspruchsvoll, aber die Zeit verging wie im Flug. Freitag fahre ich nach Dale um dort Volleyball zu spielen und nächste Woche werde ich mein Communityservice "Gammel dans" (alter Tanz) antreten. Zusammen mit Lehrern und Schülern fahre ich nach Dale um dort mit vornehmlich älteren Menschen den norwegischen Volkstanz zu lernen. Das wird bestimmt sehr amysant und sich hoffentlich auch positiv auf meine Norwegischkenntnisse auswirken.

Das lang ersehnte Päckchen aus Deutschland ist übrigens heute mit einer super Überraschung an Bord angekommen. Ich habe mich wirklich sehr über den Kallender gefreut und kann eigentlich kaum der Lust widerstehen alle Blätter anzuschauen um die vielen Fotos von Freunden und Familie (?!) zu begutachten. Aber meine Mutter hat sicher recht wenn sie schreibt, dass die Vorfreude größer ist und die Freude länger anhält, wenn ich jeden Monat ein neues Blatt umblätter und mich überraschen lasse...

Heute hat es den ganzen Tag über geregnet. Der Wind war teilweise so stark, dass die Tropfen horizontal und nicht vertikal flogen. Das war schon recht spooky. Langeweile oder Missmut kommt hier bei diesem Wetter aber bisher nicht auf. Gleich bin ich mit Joana, Njaal und Metta zu einem German gathering verabredet. Metta ist eine Deutsche, die nur ein paar Wochen hier bleibt. Ihr Vater hat offensichtlich gespendet und sie konnte am Sommerkurs während der Ferien teilnehmen und bleibt nun noch ein bisschen länger. Njaal ist halb norwegisch halb deutsch und wohnt netterweise direkt nebenan.  Joana und ich haben weniger miteinander zu tun. Ich habe mich hier von Anfang an sehr unabhängig bewegt und sie wurde deswegen in ihrer Aufgabe als Secondyear gar nicht groß beansprucht. Aber wir verstehen uns einfach gut. Sie wohnt ein Haus weiter und hat bestimmt was leckeres zu Essen gemacht.

Ich weis, das ist jetzt alles sehr chaotisch geworden, aber das Leben hier läuft außerunterrichtlich noch recht planlos ab. Ich hoffe, dass ich bald einen regelmäßigen Wochenablauf habe, denn dann kann ich auch fixe Skypezeiten und ähnliches festlegen.

 

Bis dato müsst ihr eher sporadisch mit mir Vorlieb nehmen. Fühlt euch alle liebstens gegrüßt!

Angelika

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Fr

04

Sep

2009

Anna hat Migräne

Hey Guys!

 

Die erste Schulwoche ist um und ich kann allgemein ein recht gutes Fazit ziehen. Natürlich ist inhaltlich noch nicht viel passiert, aber die Lehrer machen alle einen tollen Eindruck und das Unterrichtsmaterial sowie der Inhaltsüberblick, den wir bekommen haben sind vielversprechend. Natürlich müssen hier alle Schüler auf ein Level gebracht werden, aber das gibt sich relativ schnell, denke ich.

Besonders viel Spaß machen mir die Weltliteraturstunden und der Englischunterricht. Der Norwegischunterricht ist leider bisher tierisch langweilig. Norwegisch ist dem Deutschen verhältnismäßig nahe, und so gab es bisher leider noch nichts anspruchsvolles zu lernen. Ich genieße es, noch nicht dem Stress ausgesetzt zu sein, unter dem meine Secondyears stehen. Sie verbringen viel Zeit vorm Schreibtisch, lesen oft noch bis tief in die Nacht.

Am meisten Gedanken bezüglich meiner Fächerwahl mache ich mir wegen Wirtschaft. Neben dem verpflichtenden Norwegischkurs, der nur drei Monate statt findet, gibt es noch einen anderen, weiterführenden. Der reizt mich wesentlich mehr, aber wegen der Wirtschaftsstunden habe ich keinen Platz mehr in meinem Stundenplan. Wahrscheinlich werde ich Economics also "droppen", denn ich will das machen, was mir Spaß macht, nicht das, was in weiter Ferne möglicherweise wichtig werden könnte. Wann kann man schon Norwegisch lernen?

Während der ersten beiden Wochen können alle Firstyears sog. EAC's ausprobieren und ich habe schon World Today, worüber ich an anderer Stelle berichtete, Performing-Arts-Music und ein EAC's besichtigt, das Projekte in Entwicklungsländern fördert. Nächste Woche werde ich zusammen mit zwei anderen Schülern einen Vortrag über Mauern in der Welt während der "World Today-Session"  halten. Wir arbeiten noch dran ;)

Ich habe mich dazu entschlossen, eine Ausbildung als Lifeguard zu machen. Das heißt, dass ich den Pool beaufsichtigen werde. So ein Pool in unmittelbarer Nähe ist schon eine feine Sache. Zusammen mit vielen Freunden habe ich dort gestern in einem Kajak Rollen im Wasser geübt, getaucht usw. Anschließend waren wir noch im Whirlpool und in der Sauna. Wie auch die Sporthalle und der Fitnessraum sind diese Enrichtungen Teil des Rehabilitationszentrums nebenan.

 

Das Wetter während der letzten zwei Tage war super, leider sind die vorangegangenen Tage Dauerregen nicht ganz an mir vorbei gegangen. Ich habe eine dicke Erkältung, Kopfschmerzen etc, aber mit der richtigen Einstellung kann man hier auch damit umgehen. Gleich hat das Schülercafé wieder geöffnet und ich freue mich schon auf Käse- und Bananenkuchen.

Ich stelle jetzt noch ein paar neue Fotos online! Danke für eure zahlreichen Rückmeldungen und Mails. Ich freue mich, von euch zu hören!

Ha det bra!

Angelika

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Mo

31

Aug

2009

No woman no cry

Hei everyone!

 

Die Introductionweek, also meine erste Woche am RCN ist jetzt wirklich vorbei, denn morgen beginnt der Unterricht. Es ist also dringend Zeit für ein Resumé der vergangenen Tage, vorallem weil ich ja nicht wirklich Zeit gefunden habe, euch auf dem Laufenden zu halten.

Beginnen wir also mit Freitag den 28. August, einem der besten Tage so far:

Nach dem Frühstück hatte meine Gruppe "Rotation". Jede Gruppe hatte während der Woche fünf solcher Aktivitäten, aber weil nicht 100 Schüler alles gleichzeitig machen können, hatten wir unterschiedliche Stundenpläne. An diesem Freitag Morgen stand jedenfalls Outdooractivity auf dem Programm. Glücklicherweise war das Wetter gut. Sobald es hier nicht regnet ist das Wetter gut. Also war es eigentlich sehr gut, denn wir konnten sogar einige Sonnenstrählchen genießen. Das College steht in engem Kontakt mit einem Rehabilitationszentrum direkt nebenan. Die beiden Institutionen profitieren voneinander, denn wir Students übernehmen viele Aufgaben wie Schneeschippen im Winter, Pferdeställe (!!) ausmisten,  Leute beschäftigen und die Landschaft in Ordnung halten. Letzteres war, was wir während der Rotation taten. Irgendjemand hatte eine menge mickriger Bäume gefällt, und wir haben den Vormittag damit verbracht, sie klein zu schneiden und in potentielles Feuerholz und potentielles Gehexeltes zu unterteilen. Ich habe eine Menge Äste geschleppt und am Ende des Vormittags waren wir alle so derbe schmutzig und nass, denn das Holz war natürlich total mosig und feucht. Ich hatte zwar schon viel Spaß hier, aber das war auf jeden Fall eine der lustigsten Aktionen bisher. Später am Vormittag war ich endlich einmal sportlich aktiv. Ich bin vom College bis nach Flekke gerannt, was etwa drei Kilometer sind. Leider ist die Umgebung hier nicht wirklich geeignet für Joggingtrips, denn es geht in permanentem Wechsel rauf und runter. In Flekke habe ich im sog. Flekkeshop einige Dinge eingekauft. Wahrscheinlich lebt dieser Laden von den Schülern, denn in Flekke selbst wohnen nur sehr wenig Menschen.

Am Nachmittag war ich in der Administration um einige organisatorische Sachen zu klären. Wir mussten alle ziemlich lange warten, aber wir wurden sehr lieb mit Obst (worauf hier alle unglaublich scharf sind, denn es gibt es nur sehr selten) und Schokolade (was uns spätestens in zwei Monaten tierisch zu den Ohren rauskommt) versorgt und haben uns ja ohnehinn eine Menge zu erzählen, also verging die Zeit doch recht schnell.
Es hatte natürlich längst wieder zu regnen angefangen, und alle waren tierisch hungrig aufs Abendessen, welches hier immer warm ist. Mittags isst man entweder Salat, oder Knäckebrot, oder auch warm. Eigentlich lebt man nicht in Stunden, sondern in Mahlzeiten...
Nach dem Abendessen standen zwei weitere Highlights auf dem Programm. Nein, drei!
Erstens: World Today. Jeden Freitag gibt es im Auditorium einen kurzen Vortrag über ein aktuelles Thema. Diese Woche waren es die Wahlen im Iran, anhand derer Demokratie kontrovers diskutiert wurde. Die Diskussion im Anschluss an den Vortrag ist der Hauptteil des World Today. Ich werde mich nicht über Einzelheiten auslassen, aber mir hat es so gut gefallen, dass ich wohl der Organisationsgruppe beitreten werde. Wann bekommt man schon einen Vortrag über ein Thema mit Augenzeugenberichten über Straßenkämpfe? Wann wird schon von Jugendlichen, die extrem religiös aufgewachsen sind diskutiert, ob Religion einen Platz in einer Demokratie haben sollte oder nicht?
Im Anschluss fand der World Film Club statt. Gezeigt wurde "Burn after Reading". Der Film ist ganz gut, aber ich hatte keine große Lust und bin nach einer Stunde wieder gegangen, denn es gab etwas viel verlockenderes zu tun: Das Snikkarbua.
Snikkarbua ist ein Schülercafé, welches in einem eigenen kleinen Holzhaus auf dem Schulgelände untergebracht ist. Nächste Woche mache ich Fotos, denn die Atmosphäre ist kaum zu beschreiben. Cosy, crowdy, tasty?!
Tief in der Nacht saß ich dann noch mit einem Freund auf der Insel, die vor dem College im Fjord liegt. Man erreicht sie über eine Brücke, und es ist sehr spooky dort, denn überall liegen riesen Findlinge, sie ist bewaldet und alles in allem ein schöner Platz, wenn man mal von außerhalb auf das College am Ufer des Fjords blicken will. Es war stockdunkel, und Adrian und ich hatten uns eine Menge zu erzählen. Also sind wir erst sehr sehr spät schlafen gegangen.
Das war allerdings kein wirkliches Problem, denn der Samstag beginnt hier frühstens um elf, denn dann beginnt Brunch.
Nach einem guten Essen wurden wir in die Outdoorpolicies eingewiesen. Jeder Schüler ist im Rahmen der Extra Academic Commitments (EAC's) verpflichtet, regelmäßig an mindest einer physischen Aktivität teil zu nehmen. Das Angebot ist riesig. Kanu, Schwimmen, Fitness, Klettern, Tauchen, Bogenschießen, Laufen, Wandern usw...
Um das Equipment der Schule nutzen zu dürfen, muss man allerdings in die meisten Dinge eingewiesen werden, und das war Hauptbestandteil des Wochenendes.
Zum Beispiel mussten wir einen Schwimmtest machen, denn nicht alle Schüler hier können schwimmen. Wie auch, wenn es im tiefsten Afrika doch keine Küste gibt, geschweige denn Wasser für Klospühlungen, also auch keine Schwimmbäder? Wie auch, wenn Jugendliche arbeiten müssen und keine Zeit und auch kein Interesse darin haben, zu schwimmen? Der Pool, übrigens im Rehabilitationszenter, ist super. Das Beste ist die Rutsche. Wir planen, demnächst die Zeit zu stoppen, denn man wird auf ihr extrem schnell. Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht!!
Auch haben wir den Fitnessraum und die Sporthalle besichtigt. Letztere hat erfreulicherweise einen Holzfußboden und eine Musikanlage. Beste Voraussetzungen fürs Tanzen.
Highlight des Wochenende war die Themeparty am Samstagabend. Jeder Raum hatte sich ein Motto auszudenken und sich dem entsprechend zu verkleiden. Nach sehr sehr langem Hin und Her entschieden wir uns, Wassertropfen zu sein, der Kulisse angemessen. Wir zogen uns komplett blau an, ich hatte auch noch Regenstiefel, und stellten uns dann unter die Dusche um nasse Haare zu kriegen. Das war eine sehr gute Entscheidung, denn während des exzessiven Tanzens wurde allen so warm, dass wir aus Room 204 sehr gefragte Tanzpartner waren :D
Ich hoffe, dass ich irgendwo Fotos von der Megaparty her kriege. Die Kostüme waren schlichtweg der Brüller! Ich habe noch nie so eine gute Party gefeiert. Alle die mich gut kennen wissen ja, dass ich eigentlich nicht der Typ für laute Musik bin, aber sowas...Zum Glück haben wir jedes Wochenende eine Campusparty, auch wenn die erste immer mit Abstand die beste sein soll...
Der Sonntag begann sehr sehr entspannt. Das Wetter war noch nie so schlecht gewesen, denn der Regen war nicht mehr nieselig, sondern kam anhaltendem Platzregen extrem nahe. Für die Mittagszeit stand ein 6 km Lauf durch die Umgebung auf dem Plan und ich hatte mich auch ursprünglich dafür eingetragen, aber angesichts der Umstände habe ich mich auch kurzentschlossen wieder ausgetragen. Wirklich gut habe ich mich dabei zwar nicht gefühlt, aber lieber verpasse ich das Gefühl, nass aber glücklich zu sein, als krank zu werden. Manchmal muss man eben auch Vernunftentscheidungen treffen. Mein "Nass-Erlebnis" hatte ich ja gleich am ersten Tag, als ich in voller Montur in den Fjord gesprungen bin. Wer hätte das gedacht...
Ein weiterer Höhepunkt der Woche war die Einweisung ins Kanufahren. Es schüttete und meine Regenhose, so stellte sich heraus, war nicht dicht, aber es war trotzdem lustig, das Kanu durch den Fjord zu steuern, um die Wette zu paddeln, zu steuern und sich steuern zu lassen. Und wenn man jemand nettes mit im Boot hat... ;-)
Mit dem Unterricht beginnt auch die neue EAC-Saison. Die Schule bietet sehr viele dieser AG's an. Eigentlich sind es Schüler, die sie anbieten. Jeder ist verpflichtet, während der zwei Jahre unterschiedliche Bereiche abzudecken. Für mehr Informationen über das Angebot und Idee und System dahinter, geht am besten auf diese Homepage: http://www.rcnuwc.no/extra-ac.html
Eine Messe, auf der sich die meisten EAC's präsentierten, gab es am Sonntag Abend.
Der Montag war der entspannteste Tag überhaupt, denn abgesehen von einer Einweisung in die Stundenpläne am Abend hatten wir kein Programm. Einige Schüler nutzen die Möglichkeit nach Dale zu fahren, ich besuchte meine Advisor Angie, bzw. eigentlich ihren Mann Edmund, denn Angie ist vor einigen Tagen vom Rad gefallen und ist ins Krankenhaus gefahren um checken zu lassen, ob sie sich den Wangenknochen gebrochen hat. Edmund war 14 Jahre lang Mönch, und hat sich dann entschlossen mit Angie die Welt zu bereisen. Schließlich ist er ans College gekommen und unterrichtet nun Theory of Knowledge, welches ich erst ab Januar haben werde. Dann gehe ich näher darauf ein, aber er hat mir schon eine Menge darüber erzählt. Es ist toll, auf eine Tasse Tee vorbei zu schauen, und das war wirklich ein guter Zeitvertreib bei dem Wetter.
Nach dem Abenbrot hatten wir schließlich noch ein Housemeeting. Housemeetings finden alle drei Wochen mit dem Housementor im Dailyroom statt und dienen dazu, das tägliche Leben hier zu organisieren. Jeder Hausbewohner hat mindestens eine Aufgabe, und außerdem hat jedes Haus einen Abgesandten in der SV, der alle Mitbewohner während der Housemeetings auf dem Laufenden über current affairs hält. An den Montagen ohne Housemeeting gibt es sog. Drop- In's. Der Housementor veranstaltet ein inoffizielles Treffen bei sich zuhause. Ich erzähle davon wenn es das erste Mal stattgefunden hat. Um 22:00h hatte ich dann noch ein Roommeeting. Wir saßen alle fünt zusammen, haben Tee getrunken. In Deutschland raucht man und nennt es Socializing, hier trinkt man Tee. Tory und ich hatten viele Fragen vorallem zu den Fächern und Lehrern. Ich persönlich wurde plötzlich tierisch nervös, denn natürlich wird alles anders werden, und ich gebe zu, dass ich mich schon ein bisschen unter Druck gesetzt habe. Emotionen fallen hier für mich momentan ziemlich krass aus. Neulich hatte ich plötzlich tierisch Heimweh, vorhin war ich einfach von der Vorstellung überfordert, Unterricht zu haben.
Ein Blick auf die Uhr lässt mich sagen, dass ich nun aber wirklich schlafen sollte. Morgen gehts mit Geschichte los. Dem Fach, auf das ich mich besonders freue.
Bonne nuit!
Angelika

 

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Do

27

Aug

2009

If you're happy and you know it, clapp your hands

Es ist wunderbar, Leute aus der ganzen Welt zu treffen. Während des vormittaglichen Programms heute, hatte ich "Cultural Sharing". Jeder hat sich vorgestellt, auf einer Karte sein Heimatland markiert und etwas mehr oder weniger wesentliches über sich selbst preisgegeben. Des weiteren haben wir uns in unterschiedlichen Sprachen und auf sehr unterschiedliche Art und Weise begrüßt, eine Menge typische UWC-Spiele gespielt und uns allgemein besser kennengelernt.

Das Essen hier ist ganz okay, auch wenn die Secondyears meinen, dass es langweilig wird nach einer Weile.

Später habe ich meinen Hausmentor, einen Lehrer von nebenan besucht, konnte von ihm aus meine Großeltern anrufen und eine Tasse Tee mit ihm trinken. Das Verhältnis zu den Lehrern ist unbeschreiblich. Wir dutzen alle und sie sind eben nunmal die Erwachsenen in unserem Leben, also Ansprechpartner in allen Lebenslagen und Vertrauenspersonen. Ich fühle mich sehr wohl in diesem Umfeld.

Was war noch heute? Es ist mitlerweile spät und ich sitze im Kerzenlicht, Stulpen an den Händen und im Jogginganzug am Computer. Nach dem Abendessen, ich habe den ganzen Nachmittag über geschlafen, hatten wir ein Advisee Social Meeting. Das ist ein Treffen aller Leute aus einer Gruppe im Haus des Lehrers, des Advisors, der sich um diese Gruppe kümmert. Es gab "Croumbles", also mit Streuseln überbackenes Obst, Eis und Weintrauben. Wir haben viel darüber geredet, was wir uns von UWC erhoffen. Ich komme extrem gut mit allen hier klar und habe schon wirklich gute Freunde gefunden. Besonders mit Tory aus den USA, meiner Roommate und mit Adrian aus Norwegen verbringe ich schöne Stunden.

Jetzt werde ich noch ein bisschen in den Dayroom gehen, aber bald müssen wir auch auf unseren Zimmern sein... Da sind die Regeln dann auch wirklich streng. Aber alles hat hier seinen Sinn.

See you!

Angelika

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Mo

24

Aug

2009

Here I am

Ich hab es geschafft! Es ist kurz vor Mitternacht und ich sitze tatsächlich in meinem neuen Schlafzimmer am Schreibtisch und schicke euch diesen ersten echten norwegischen Gruß nach Deutschland.

Bevor ich hier ankam mussten allerdings noch einige Dinge geschehen, von denen ich euch jetzt berichten will:

 

Am Freitagabend habe ich mich mit einem wirklich sehr schönen Sommerfest Abschied von vielen Freunden genommen. Überraschenderweise war meine Tante mit ihren Söhnen nachmittags extra aus Eschborn angereist und das Zelt, das wir am Tag zuvor in unserem Garten aufgebaut hatten, füllte sich rasch mit Freunden, die ich vor der Abreise am nächsten Morgen noch einmal sehen wollte. Nochmal ein riesiges Dankeschön, dass so viele gekommen sind!!

Kuchen und Tee gab es reichlich, und gepaart mit sehr vielen netten Gesprächen gab das einen angenehmen nachmittaglichen Abschiedscoctail. Im Laufe des Abends trafen dann Klassenkameraden und andere Freunde ein, es wurde gegrillt und zu später Stunde am Lagerfeuer gesessen. Ein überraschendes Balkonkonzert (Sax und Klavier) versüßte den Abend, und schließlich bekam ich ein wunderschönes Abschiedsbuch überreicht. Es fiel mir nicht leicht, mich von so vielen liebgewonnenden Menschen zu verabschieden.

Zu nächtlicher Stunde, als alle gegangen waren, begannen bereits die Aufräumarbeiten, denn schließlich wollten meine Eltern und ich morgens schon um 9 Uhr nach Kiel aufbrechen.

 

Das taten wir dann nach einem letzen Frühstück zu sechst auch wirklich. Um 14 Uhr mussten wir in jedem Fall die Fähre dort erreichen. Dummerweise mussten wir einen Stau umfahren und gelangten dennoch in zähfließenden Verkehr, verloren also gut eine Stunde. Trotzdem lief am Ende alles glatt, denn wir hatten genug Pufferzeit eingeplant. Das Schiff, das mich im Hafen erwartete war umwerfend. Es hat 15 Decks und das Äußere ließ bereits das luxuriöse Innenleben erahnen. Das erkundeten wir dann während der folgenden Stunden auch ausführlich. Sonnenbaden, eine abendliche Musicalshow, riesen Abend- und Frühstückbuffets... Es war ein wunderbar sanfter Übergang von Familienleben zu Eigenständigkeit.

Auch der folgende Tag in Oslo hat mir sehr gut gefallen. Um die Zeit zwischen Verlassen des Schiffes und Beziehen des Hotelzimmers zu überbrücken, besuchten wir das neue Opernhaus, dessen Dach man bewandern kann. Ich habe Fotos online gestellt. Es soll an einen Eisberg erinnern. Damit ich am nächsten Morgen weniger Gepäck zu tragen habe und auch weil wir die Wertsachen nicht einfach im Hotel lassen wollten, gingen wir zum Bahnhof, um meinen Rucksack dort einzuschließen. Dummerweise ist das Schließfachsystem nicht selbsterklärend. Man muss bezahlen, bekommt von einem Automaten ein Schließfach und einen Code zugewisen, das freie Schließfach öffnet sich, man stellt das Gepäckstück hinein, schließt es endgültig und kann es nur mit dem Code wieder öffnen.

Seltsamerweise war ein Schließfach offen, bevor wir bezahlten. Wir stellten meinen Rucksack hinein, schlossen es und hatten nun keinen Code um es wieder heraus zu bekommen.

Was nun? Weit und breit war niemand in Sicht, der uns hätte helfen können. Mutti trieb schließlich einen sachkundigen Polizisten auf, aber zeitweise dachten wir wirklich daran, auf dem Bahnhof das Schließfach zu bewachen. Immerhin hätte es jemand mit dem richtigen Code absichtlich offen stehen lassen können um sich schließlich am Inhalt gütlich zu tun. Aber am Ende konnten wir meinen Rucksack befreien...

Kurz vor dem Abendessen beschlossen wir dann, noch eine kleine Hafenrundfahrt zu machen. Müde fiel ich schließlich verhältnismäßig früh ins Bett.

 

Heute Morgen fuhr mein Zug um kurz nach acht. Als wir am Abend zuvor ein Ticket kaufen wollten, war der Zug ausgebucht aber es gab keine wirkliche Alternative. Schlussendlich fand sich noch ein Platz in der "ersten Klasse", die man aber nicht wirklich mit der deutschen ersten Klasse vergleichen kann. Für einen Aufpreis konnte ich also noch mitfahren!

Der Abschied von meinen Eltern war nicht leicht, aber ich war so voller Vorfreude auf das Kommende, dass ich es gut verkraftete. Die siebenstündige Fahrt von Oslo nach Bergen verging wie im Flug, denn ich hatte einen sehr netten Sitznachbar aus dem UK. Wir haben uns fast pausenlos unterhalten und ich fand es sehr leicht, Englisch  zu sprechen. Er half mir dann in Bergen auch mit meinem Gepäck. Bis ich dann die Leute fand, die mich einsammeln sollten, dauerte es noch ein bisschen, aber gegen drei Uhr nachmittags waren alle Neulinge von Flughafen und Bahnhof aufgesammelt, und wir fuhren zu 51st Richtung Flekke. Es war sehr lustig, denn alle sind extrem nett und sehr offen und die Sprache stellt bisher keine wirkliche Barriere dar. Ich habe mich sehr gut mit einer Amerikanerin verstanden, und tollerweise ist sie auch meine Roommate geworden. Was für ein Glück!

Die Straße nach Flekke führte uns immer tiefer hinein in die norwegische Fjordlandschaft, die ich sofort in mein Herz geschlossen habe. Überzeugt euch schon bald von der skandinavischen Schönheit anhand der Bilder, die sicherlich bald kommen. In Flekke angekommen, wurden wir stürmisch von einer Horde aufgekratzter 2ndyears begrüßt, die uns mit Schildern entgegen gerannt kamen. Jeder suchte seine Zimmerpartner und es war extrem lustig, denn wir wurden quasi aus dem Bus gehoben. Viele meiner Coyears hatten ja unzählige Stunden Flug hinter sich. Einige haben sogar auf dem Flughafen übernachten müssen, und die vielen gut gelaunten und hellwachen 2ndyears waren eine Bombe, die uns alle wach machte. Es war toll!

Ich habe großes Glück mit meinen Roommates. Die drei 2ndyears kommen aus Senegal, Indien und Schweden und sind sehr sehr nett. Nachdem Tory, die Amerikanerin, und ich uns eingerichtet hatten, haben sie uns das Studentvillage gezeigt und ich kann sagen, dass mein Zimmer wirklich genau das Richtige für mich ist. Ich hätte mich über längere Zeit bestimmt nicht wohl in einem chaotischen und sehr fremdartig ausgestatteten Zimmer wohlgefühlt. Aber hier habe ich einen riesigen Schreibtisch und viel Platz. Alles ist schön aufgeräumt (noch) und die Mädchen scheinen sich gut zu organisieren. Meine Roommate aus Afrika spricht fließend Französisch. Das heißt, dass ich immerhin ein bisschen meine Sprachkenntnisse aufrecht erhalten kann. Sie ist Muslima und betet 5 Mal am Tag, was ich spannend finde. Julia aus Schweden ist extrem sympatisch. Sie scheint auch collegeintern sehr beliebt zu sein, ist ruhig und sehr zugänglich.

Heute, es ist mittlerweile nach Mitternacht, haben zwei Schüler Gebutstag. Sie wurden gerade in den eisigen Fjord geworfen :D  Ich bin jetzt aber so müde, dass ich sofort ins Bett gehen werde. Es werden noch viele Geburtstage kommen und niemand wird mich auf der Feier vermist haben ;)

Morgen stehen viele offizielle Sachen auf dem Programm und ich muss schon früh aufstehen.

Liebsten Gruß - Angelika

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Sa

15

Aug

2009

Mambo Nr. 5

Hei!

In genau einer Woche war's das erst einmal. Heute ist Samstag, und in sieben Tagen, in genau 166 Stunden und 37 Minuten läuft die Fähre aus Kiel in Richtung Oslo aus. Mit mir, meinen Eltern und Gepäck an Bord - hoffentlich!

Es gibt Momente in denen ich mir sage: "Bleib lieber hier, du verrenst dich noch!" und es gibt solche, da will ich nichts lieber, als endlich ganz neu anzufangen. Es ist seltsam, von so vielem Abschied zu nehmen. Morgen gehe ich ein letztes Mal tanzen und dann gilt es im Lauf der kommenden Wochen wirklich alles unter einen Hut zu bringen: Packen, Aufräumen, Wegräumen. Die Abschiedsfeier muss natürlich auch weiter vorbereitet werden. Ich hoffe so auf tolles Wetter, denn nach hinten lässt sich dieses Mal nichts verschieben.

Dann werde ich die ersten Rundmails schicken und in Zukunft tummeln sich dann hier hoffentlich mehr und mehr Besucher.

Ha det bra!

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So

09

Aug

2009

Passing the hours

Ich habe wieder einmal einen ganzen Abend damit verbracht, an der Homepage zu basteln. Es sind jetzt nur noch zwei Wochen, die mir in Deutschland bleiben und ich werde mir langsam der Ausmaße meiner Entscheidung bewusst. Die Sommerferien sind fast zuende, mein Koffer füllt sich allmählich mit allerlei Kleidung, Schatullen, Büchern, Fotos.

Auch die Abschiedsfeier im Garten bei hoffentlich gutem Wetter rückt näher. Ich muss mich noch um so vieles kümmern: Friseurtermin, Prophylaxe, organisatorische Besprechungen, Freunde verabschieden.

Meine Vorfreude ist trotz der steigenden Aufgeregtheit nicht gedämpft. Diese verdeutlicht wohl eher, was für ein großes Ding das doch eigentlich ist!!

Horido

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Mi

01

Jul

2009

Swing low sweet Chariot

Die Sommerferien bilden schon seit Monaten eine Art Vorhang zwischen Deutschland und Norwegen. Heute hat er einen Riss bekommen, einen ersten zarten. Es gab Zeugnisse, und es gab vorallem erste endgültige Verabschiedungen. Von Lehrern und Mitschülern, die seit Jahren zum täglichen Lebensumfeld dazugehören und plötzlich im Nebel stehen. Von meinem Klavierlehrer, der mich in über 9 Jahren zu einer passablen Klavierspielerin gemacht hat. Von meinem Trompetenlehrer. Von Mittänzern. Vom Direktor, der sich noch an die Anfänge erinnert. Ausreden wie "Man sieht sich bestimmt in den Ferien" verlieren merklich an Kraft.

Jetzt heißt es, die letzten Wochen mit der Familie zu genießen. Ich danke euch allen dafür, dass ihr so unglaublich tolle und bereichernde Menschen in meinem Leben seid!!

 

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So

17

Mai

2009

The Final Countdown

Hallo!

 

Es sind jetzt noch genau 99Tage, bis für mich die Schule in Norwegen beginnt. Meine Familie und ich sind vorhin am Küchentisch die Termine bis in den Herbst hinein durchgegangen und haben feststellen müssen, dass noch eine ganze Menge vor und liegt, bevor ich dann wirklich weg bin.

Gestern Nacht hat Norwegen den Euro Vision Song Contest 2009 gewonnen. So toll fand ich den Song jetzt nicht, aber die Skandinavier scheinen zusammen zu halten was ihre Stimmabgabe angeht. Eigentlich eher nebensächlich.

Ein möglicher Termin für eine Abschlussfeier steht bereits, ich bin im Besitz von drei tollen roten Koffern und vergangende Woche habe ich die letzte Russischklausur meines Lebens hinter mich gebracht. Es ist ein seltsam beflügelndes Gefühl, nur noch einmal eine Bioarbeit auf Deutsch zu schreiben, nur noch einmal in dieser Besetzung Ostern zu feiern, nur noch einmal...

 

Angelika

 

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Di

07

Apr

2009

Many The Miles

Hej!

Die Osterferien haben begonnen und ich setze mich erstmals mit meiner Auslandshomepage auseinander. Viele Fragen stellen sich mir. Wie werde ich mich verabschieden? Wie finde ich mich in Norwegen zurecht? Was muss ich mitnehmen? usw... Zwei Jahre wird es mich in den Westen Norwegens verschlagen, auf das Red-Cross-Nordic United World College (kurz RCN). Natürlich wird mir sehr viel fehlen, aber ich freue mich auf die ungewisse Zeit, die vor mir liegt und auf die vielen Fenster und Türen zur Welt, dir sich mir öffnen werden.

Über diese Homepage hoffe ich, den Kontakt nach Deutschland bestmöglich aufrecht erhalten zu können. Skypen, chatten, Fotos schicken...Das Internet macht die Welt so unfassbar klein (echt paradox...)

Liebste Grüße!

Angelika

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