Money Makes the World Go Round

Heisann!

 

Gestern ist es wieder spät geworden. Sehr spät. Noch bis nachts um halb 3 saß ich mit drei dänischen Mitschülern und Fannie in meinem Zimmer und habe das Wochenende mit einem langen lustigen Gespräch über Kindererziehungsphilosophien, Geld, Medienkonsum und Zukunftspläne eingeläutet. Wie so häufig habe ich mich in der Rolle des Zuhörers besonders wohl gefühlt und mit Interesse verfolgt, wie sich die Unterhaltung entwickelte. Hier am College kommen wir häufig auf fundamentale Ideologien und kulturelle Prägung zu sprechen. Es ist immer wieder interessant und häufig auch höchst amüsant zu beobachten, wie mancheiner tatsächlich die länderspezifischen Klischees erfüllt, unbewusst zwar und doch auch ein bisschen stolz. Die Dänen sind eben immer wieder die laxen, liberal lustigen Europäer, die, so auch gestern, Genuss und Lebensfreude vor Moral stellen oder alles moralisch vertreten können, so lange das Leben Spaß macht. Das macht sie jedoch keineswegs zu ignoranten und egozentrischen Zeitgenossen. Per und Oliver, zwei nachtaktive Firstyears wurden von ihren Eltern zu verantwortungsbewussten Menschen erzogen. Sie verdienen schon seit sie 13 sind eigenes Geld, sind mit dem 18. Lebensjahr finanziell von ihren Eltern unabhängig. Der Staat zahlt großzügig Taschengeld. Und doch: Per sagt, dass es seinen Vater beim Elternsprechtag kaum begeistern kann, wenn sein Sohn tolle schulische Leistungen bezollt bekommt. Aber es treibt ihn zur Weißglut wenn sich herausstellt, dass Per nicht immer pünktlich kommt. "Du wirst auch mit einem super Abiturzeugnis keine feste Anstellung finden, wenn du nicht pünktlich zur Arbeit erscheinst." Dieser pragmatische Ansatz macht sicherlich Sinn, besonders wenn man ein von sich aus intelligentes und lernfreudiges Kind hat. Fannie hat von zuhause andere, den meinen ähnliche Werte mitbekommen. Bildung ist das höchste Gut und darein zu investieren ist ungemein wichtig. Dafür sind Eltern bereit hart zu arbeiten und andere Dinge in den Hintergrund zu stellen. Natürlich wollen auch ihre Eltern ein lebenstüchtiges Kind in die Unabhängigkeit entlassen. Und doch: Finanziell abhängig zu sein ist bis zum Studienende kein Thema. Die erklärte Absicht der damals 15-jährigen Fannie, jetzt ihr eigenes Geld verdienen zu wollen wurde mit dem Argument abgewehrt, sie solle sich doch lieber auf Schule, Turnunterricht und ihre Freunde konzentrieren, den Luxus genießen, in einem finanziell stabilen Mileu aufzuwachsen und die Wochenenden mit der Familie anstatt an einer Supermarktskasse verbringen. 

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Mittelweg wie so häufig eine gute Lösung sein könnte. Die Wahrnehmung von Geld als etwas leistungsgebundenes aber auch das Erleben eines Lebensstils in dem Geld (weil vorhanden) nicht der Hauptgrund für Zeitgstaltung und Lebensweise ist, sind in ausgewogenem Maße erstrebenswert.

 

Hier am College prallen unterschiedliche Einstellungen zu Geld immer wieder aufeinander. Wir erleben das täglich im Umgang mit Essen, zum Beispiel. Wer aufisst, wer wieviel liegenlässt und wegschmeisst - jeder sieht hier alles und hat meistens auch eine Meinung dazu. Aber weil Geld an sich hier im Alltag keine Rolle spielt sondern ausserschulisches Engagement und schulische Leistungen die Wahrnehmung der Ausstrahlung des Gegenübers beeinflussen und Kleidung bzw. Stil (Zuhause immer wieder Indikator für finanziellen Hintergrund) vom international ausgerichteten Standpunkt aus kaum als Bewertungskriterium taugen, spricht man wenig darüber. Zu wenig? Ich habe immer wieder den Eindruck, dass der UWC Schüler manchmal zu vorschnell gegen alles ist, was nach Luxus, Macht und einer politisch konservativen Haltung ausschaut - und ich kann mich selbst von dieser Gruppe kaum ausschliessen. Geld und Reichtum werden immer wieder tabuisiert und auch wenn wir uns hier über die Möglichkeiten zu Veränderung, die mit einem dicken Portemonaie kommen, im Klaren sind, so wird die Priorisierung von Karriere gegenüber aufopferungsvollem Freiwilligendienst doch immer mit grosser Skepsis beäugt. Alles in mir sträubte sich als ein Mitschüler sagte, dass es sein Ziel sei, mit 25 Millionär zu sein. Das Beispiel ist extrem, zugegeben. Im Nachhinein bin ich zu dem Schluss gekommen, dass zumindest für mich nicht Geld an sich erstrebenswert ist, sondern Sicherheit die vielleicht mit Reichtum kommen mag, und das grosse Spektrum an Möglichkeiten, Einfluss auf die Aspekte meiner Umwelt zu haben, die ich gerne verändern möchte. Nicht zu vernachlässigen sei bei alledem aber auch das gute alte Sprichwort: Viele Wege führen nach Rom. Das Erreichen eines Ziels - laut dem bekannten Psychologen Maslow ist Selbstverwirklichung das ultimative Bedürfnis, das unseren Entscheidungen und Zielsetzungen zugrunde liegt - ist auf vielerlei Weisen möglich. 

 

Zielsetzung und Selbstverwirklichung aufeinander abzustimmen fällt wohl niemandem wirklich leicht, am wenigsten dem Teenager, der nicht weiss nach wem er sich richten soll, ob Idole zu haben richtig ist, und der am liebsten die Welt neu für sich erfinden würde. Oft gilt es, risikobereit zu sein. Für mich waren Zielsetzung und Selbstverwirklichung während der Bewerbung an britischen Universitäten prominente Themen. Noch immer bin ich mir natürlich nicht sicher, ob Oxford tatsächlich der richtige Platz für mich wäre. Und ganz ehrlich: wer sollte schon fähig dazu sein, mir in dem Findungsprozess beratend zur Seite zu stehen, hat doch niemand der mich kennt Psychologie in Oxford studiert? Ich komme gerade heute wieder auf dieses Thema zu sprechen, weil ich mir langsam Gedanken zu einer Alternative zu Oxford machen sollte. Es ist durchaus nicht gesagt, dass ich tatsächlich gehen kann und die nötige Anzahl an IB Punkten sammeln kann. Die Anforderungen an mich als Abiturienten sind sehr hoch. In der vergangenen Woche habe ich viele IB Prüfungen simuliert und in Englisch schon ein recht ernüchterndes Ergebnis zurück bekommen. Wer sagt, dass das alles einfach zu schaffen sei, hat sich noch nicht mit dem recht statischen IB auseinandergesetzt.

 

Neben dem üblichen Schulstoff nimmt derzeit auch die Fotografie Teile meiner Zeit in Anspruch. Ich habe diesen Zweig der schaffenden Kunst erst kürzlich für mich entdeckt und empfinde es als ungemein befriedigend, mich mit dem Einfangen einer Stimmung, eines Augenblicks ausseinanderzusezten. Mit dem Partner meiner Mentorin, Edmund, der selbst auf gutem Niveau und mit toller technischer Ausrüstung faszinierende Fotos macht, habe ich mich vor einigen Tagen über Fotografie unterhalten, und darüber, wie wir unser Wissen über Bildgestaltung auf andere Aspekte des Lebens übertragen können.

Natürlich spreche ich über das Sehen an sich. Ein Bild kann mit der Absicht aufgenommen werden, die Situation so wiederzuspiegeln, wie wir sie im Original wahrgenommen haben. Der Fotograf als Künstler wird aber den Anspruch an sein Foto haben, dass es seine eigene Interpretation der jeweiligen Situation im Bild mit einfängt. Was wir sehen ist also ein gezieltes Inszenesetzen. Was wir sehen bringt uns dem Künsler näher, das fotografierte Objekt verliert an Objektivität. Ist es so nicht mit allem, was wir betrachten? Wir können uns wohl kaum sicher sein, ob je zwei Menschen das selbe Motiv auf gleiche Art und Weise wahrnehmen werden. Jeder wird in dem was er sieht nie frei von dem Einfluss der eigenen Interpretation sein. Auch was wir in einem Mitmenschen sehen, was wir aufgrund seiner Stimmlage, Körperhaltung, Kleidung etc. über ihn denken, kann bis zu einem Punkt von ihm selbst beeinflusst werden. Die Kunst liegt darin, das eigene Erscheinungsbild so zu beeinflussen, dass das jeweilige Gegenüber mit hoher Wahrscheinlichkeit genau das interpretiert, was auszudrücken beabsichtigt wurde. Es ist wohl nicht schwer zu erraten, dass Edmund TOK-Lehrer ist...

 

Der Februar ist schon um. Die Zeit ist in den letzten Wochen rasend schnell vergangen. Heute musste ich feststellen, dass bis zu den Prüfungen gerade mal 8 Wochen bleiben. Die letzten Wochen waren ereignisreich und nicht alles lässt sich in einem Tagebucheintrag zusammenfassen. Ich habe zum Beispiel kleine Teile meiner unterrichtsfreien Study-Week in Bergen verbracht und dort eine Ausstellung zu Kunst und Design besucht, die zwar eine sehr zusammenhangslose Struktur hatte (wahrscheinlich war sie nicht für Leute wie mich ausgerichtet, die gerne mehrere Stunden in ganz unterschiedlichen Ausstellungsräumen verbringen) - ich sah chinesische Kunst der letzten 2000 Jahre, wie sich Möbel in den letzten 700 Jahren verändert haben, einen Raum voller Goldschmiedearbeiten und einen mit bizarr anmutenden, temporären Einrichtungsgegenständen in tollen Designs - mir aber sehr gut getan hat. Übernachtet habe ich in der Studentenbude einer ehemaligen Mitschülerin. Sie hatte mehrere UWC Schüler bei sich untergebracht und es wurde ein lustiger Abend ganz im Stile eines Studenten. Mit Matratzenlager auf dem Fussboden, lauter Musik und naja... dem Rest. Das Appartment ist in einem Haus, das, wie so viele in Bergen, am Berg klebt. Der Aufstieg mit Koffer war mühsam, aber die Aussicht auf das bei Nacht leuchtende Bergen war fantastisch und reichte als Entschädigung.

 

Die kommenden Wochen werden ebenfalls ereignisreich. Am Dienstag folgt den vielen lustigen Theaterproben im Rahmen des International Women's Day endlich die Aufführung von den "Vagina Monologues". Am Freitag gilt es für World Today einen Gastredner zu betreuen und am 18. März, als krönender Abschluss meiner Zeit als World Today Vorsitzende werden wir ein World Today zum Israel-Palästina Konflikt mit zwei Skype-Gastrednern haben. Die Vorbereitungen für dieses World Today laufen schon länger. In der kommenden Woche werden die Mitglieder der Gruppe in unterschiedlichen Klassen Minivorträge halten um die Schüler mit den grundliegenden Konzepten vertraut zu machen.

Es macht mir Freude, zu organisieren und zu koordinieren und stolz die World Todays des vergangenen Jahres revue passieren zu lassen. Eine neue Schülervertretung bestehend aus Firstyears ist bereits gewählt und im Amt. Jetzt gilt es auch die übrigen Verantwortungen zu übergeben. Es fällt mir nicht leicht, anzuerkennen, dass wir Secondyears uns jetzt wirklich und vollständig auf die Abschlussprüfungen konzentrieren müssen und die UWC Luft so dünn wird, dass sie gerade mal für das Lernen und nicht mehr für Projektarbeit reicht. Aber da muss wohl jeder eines Tages durch.

 

//Angelika

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Kommentare: 3
  • #1

    Per Kirkbak (Montag, 14 März 2011 14:37)

    wunderschön

  • #2

    depilace (Mittwoch, 30 Mai 2012 18:42)

    Good article bro

  • #3

    Neil (Sonntag, 22 Juli 2012 10:49)

    Hi there! This post couldn�t be written much better! Reading through this article reminds me of my previous roommate! He always kept preaching about this. I most certainly will forward this post to him. Fairly certain he�ll have a good read. Thank you for sharing!