Power of not knowing

Fragen einer Aspirantin an eine Secondyear

 

1. Was hat die bis jetzt am UWC am meisten fasziniert und an was musstest du dich zu erst gewöhnen?

 

Faszinierend an einem UWC allgemein finde ich den umfangreichen kollektiven Erfahrungsschatz, den die Schülergemeinschaft birgt. Meine Mitschüler kommen aus so unterschiedlichen Lebenssituationen ans College, und haben ganz unterschiedliche Biografien. Das birg natürlich ein riesiges Potential für Klassendiskussionen, Projektarbeit und auch eine Menge Sprengstoff für das Zusammenleben auf engstem Raum. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich hier am College Freundesgruppen bilden, wer mit wem gut klar kommt, wer wie kommuniziert. Dafür ein Gespür zu entwickeln ist sicherlich eine Herausforderung, die zu meistern mich ungemein weiterbringt. Wir sind zwar auf eine gewisse Art und Weise Repräsentanten unseres jeweiligen Landes aber dennoch hauptsächlich als Individuen ausgesucht worden. Dass politische Diskussionen trotzdem zu Stande kommen, zwischenmenschliche Beziehungen manchmal geopolitische Verhältnisse widerspiegeln und dabei konstruktiv und wertschätzend oder zumindest tolerierender Natur bleiben, das fasziniert mich immer wieder. Obwohl hier so viele unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen, habe ich auch gelernt zu verstehen, dass diese UWC Idee manchmal die Welt auf die Vernunft des Einzelnen zu reduzieren scheint und nicht unbedingt im größeren, globaleren Format realisierbar ist. Ich weiß gar nicht so genau, woran ich mich besonders gewöhnen musste... Der UWC Alltag scheint schon in mein Blut übergegangen zu sein. Aber ich weiß, dass Selbstdisziplin und Organisation immer wieder eine große Herausforderung sind. Viele Stunden für die Schule oder außerschulisches Programm zu arbeiten, ist sicherlich etwas, an das sich jeder UWC-/IB Schüler gewöhnen muss. Das ging bei mir aber relativ schnell, denn ich arbeite sehr gerne und auch gerne hart. Am schwierigsten war es für mich, mit vier anderen Mädchen in einem Zimmer zu leben und das anhaltende Chaos zu tolerieren.

 

2. Wie war es, plötzlich so weit weg von deinen Freunden und deiner Familie zu sein?

 

Die Distanz zu meiner Familie hat mir anfangs keine großen Schwierigkeiten bereitet, denn ich hatte schon als 14jährige drei Monate als Austauschschülerin in Frankreich verbracht. Im Laufe des ersten Halbjahres jedoch, als man sich an alles zu gewöhnen schien, hatte ich immer wieder Heimweh. Es fehlt doch die Nähe und Sicherheit des familiären Umfeldes. Über den Sommer habe ich dann jedoch auch gelernt, dass ich was meine Ideale und Gewohnheiten betrifft, mich irgendwo auch von dem Leben meiner Eltern entfernt hatte. Als Secondyear hier her zu kommen, hat mir sehr gut getan. Auch wenn ich immer gerne an meine Familie zuhause denke und besonders jetzt in der Weihnachtszeit gerne mehr Zeit mit ihnen verbringen würde weiß ich, dass mein Platz momentan hier an einem UWC ist. Mit mehreren guten Freunden aus Deutschland bin ich nachwievor im Kontakt.

 

3. Gab es auch mal einen Moment an dem du deine Entscheidung bereut hast?

 

Meine Entscheidung an ein UWC zu gehen habe ich nie bereut. Jeden Tag bin ich dankbar dafür, all diese Erfahrungen machen zu dürfen. Sie sind auf keinen Fall immer leicht, aber sie bringen mich mit Sicherheit weiter.

 

4. Wie ist der Unterricht im Vergleich zu dem in Deutschland?

 

Ich hatte noch nie Probleme in der Schule und kann mit etwas Stolz sagen, dass ich auch hier zu den besten Schülern meines Jahrganges gehöre. Aber ich muss mehr Zeit in Hausaufgaben investieren als vorher. Englisch scheint am Anfang noch eine Barriere zu sein, wird aber im Lauf der Zeit selbstverständlich. Toll ist, dass die internationale Schülergemeinde den Unterricht sehr exotisch machen kann. Natürlich wirst du von Lehrern aus der ganzen Welt unterrichtet. Die Klassengruppen sind viel kleiner als in Deutschland. Manche meiner Mitschüler beschweren sich über die Engstirnigkeit des IBs was Bewertungsschemata und Lehrpläne betrifft. Aber ich hatte nie das Gefühl, weniger zu lernen als zuhause. Im zweiten Jahr kannst du viele deiner thematischen Schwerpunkte selbst setzen. Und zu wissen, was im Exam erwartet wird, hat ja auch Vorteile, oder? Wir haben hier in Norwegen übrigens jeden Tag nur bis 2 Uhr Schule, weil das extra-akademische Programm theoretisch zumindest ebenbürtig mit dem Unterricht sein sollte. Aber wie gesagt muss man viele, viele Stunden jeden Tag für Aufsätze, Referate, Recherchearbeit, Lesen usw. aufbringen... Ein Nachteil ist vielleicht, dass das Kursangebot im Vergleich zu Deutschland recht beschränkt ist.

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Kommentare: 4
  • #1

    Julian Storch (Mittwoch, 01 Dezember 2010 18:02)

    ich habe mich auch für einen UWC-Platz beworben und verschlinge deinen Blog. Du schreibst echt super und mein Wunsch es auch zu schaffen wird von Eintrag zu Eintrag größer. Vielen Dank dafür ;)

  • #2

    Frederike Römer (Sonntag, 12 Dezember 2010 20:12)

    Ich kann mich meinem Vorposter nur anschließen, du schreibst ganz toll!
    Ich werde mich für einen UWC Platz für 2012 bewerben und interessiere mich schon lange dafür. Ich bin aber eher pessimistisch genommen zu werden, naja, vielen Dank, dass du mir durch deinen Blog das UWC Leben näherbringst ;)

  • #3

    Rebecca (Montag, 03 Januar 2011 20:44)

    also ich find deine Blog auch total toll und ich kann mir so gut vorstellen wie es ist an einer Uwc zu sein ich hätte da mal eine Frage was war der Grund dafür das du angenommen wurdest was hast du in deiner Freizeit so gemacht ? ich habe vor knapp einem Monat meine Bewerbung abgegen und hoffe das ich angenommen werde oder zumindest in das engere Auswahlverfahren hinneingenommen werde.

  • #4

    Josy (Mittwoch, 13 April 2011 21:23)

    Hej Rebecca!

    Als ich mich bei UWC beworben habe (zwar war es beim Dänischen National Comitee, aber ich glaube die UNterschiede sind nicht all zu groß!)
    Ging es nicht etwa um deine Freizeit Beschäftigung, sondern um dich als gesamt Person!
    Sie gucken, wie gut du in der Schule bist, was du so Außerschulisch machst (sicher ist es gut, wenn man sportlich und musisch aktiv ist, das ist aber nicht unbedingt ein muss, ich zum beispiel bin sehr unsportlich und wurde trotzdem genommen), was du sonst so in deiner Freizeit machst, ob du dich für etwas bestimmtes einsetzt (Social Service/ Volunteering) und wie du als Person wirkst. Zu guter letzt ist es sehr sehr wichtig, das du das Comitee davon überzeugst, das du wirklich sehr sehr motiviert bist und nichts lieber möchtest, als auf eine solche Schule zu gehen!(Denk dran, das du dich nicht auf eine bestimmte Schule bewirbst, sondern auf die Organisation selbst!)
    Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen weiter helfen!
    Dir viel Glück und alles Gute,
    Josy!